Bürstadt. „Eklatante Versäumnisse“ wirft Jürgen Heiser (FDP) dem städtischen Kämmereiamt vor. Allerdings nicht dem aktuellen Leiter John Kraft, denn der Streit im Haupt- und Finanzausschuss Bürstadts entzündet sich am Jahresabschluss von 2022, als Kraft noch gar nicht im Rathaus arbeitete. Dass das Zahlenwerk vor drei Jahren nicht innerhalb der festgelegten Frist von vier Monaten, sondern mit neunmonatiger Verspätung bei der Kommunalaufsicht vorgelegt wurde, sorgt auch bei der Grünen-Fraktion für Empörung.
„Über die lapidare Ausrede der Verwaltung kann man nur den Kopf schütteln“, meint Sabine Hofmann (Grüne). Nicht nur sei die Frist des Jahresabschlusses weit überschritten worden, auch einige Belege seien nicht auffindbar. Auf Nachfrage räumt John Kraft ein, dass es bei dieser Quittung nicht „um einen kleinen Betrag“ gehe. Doch trotz intensiver Suche sei dieser nicht aufgetaucht. „Wenn das bei einem Verein passiert, wird der Vorstand nicht entlastet. Da schwillt mir der Kamm“, sagt Hofmann wütend.
Seit 14 Jahren hat keine einzige Zählung stattgefunden
Dass weder Kraft noch der neue Verwaltungschef Boris Wenz daran Schuld tragen, ist allen Kommunalpolitikern klar. Sie wissen von den mehrfachen Wechseln in der Finanzverwaltung sowie offenen Stellen im Amt. „Dinge, die in der Vergangenheit schiefgelaufen sind, nun anders zu machen“, verlangt Cyro Klein (Grüne) im Parlament vom Bürgermeister. Das betrifft auch die Inventur, die zuletzt 2011 erledigt wurde, obwohl diese weitaus öfter vorgeschrieben ist. Dass in den vergangenen 14 Jahren keine einzige Zählung veranlasst wurde, kann Sabine Hofmann kaum fassen. „Wo gibt’s denn so was? Jeder Betrieb macht das.“
Allerdings sei eine Stadt kaum mit einer Firma vergleichbar, gibt Wenz zu bedenken. Der Rathauschef kann sich selbst gut an Inventuren erinnern – etwa bei der kleinen Schlecker-Filiale in Bürstadt, wo heute Familie Bartosch Blumen verkauft. „Dort haben sechs Leute einen ganzen Tag lang gezählt.“ Und das sei nicht zu vergleichen mit einer Stadt. „Wir reden hier vom Rathaus und Bürgerhaus, von Kindergärten und dem Bauhof. Das können wir intern auf keinen Fall stemmen“, so Wenz. Allein beim Bauhof gebe es zig Werkzeuge und Maschinen, da reiche keine Liste zum Abhaken aus. Es müsste ja im Prinzip auch das Alter und der Zustand der einzelnen Stücke erfasst werden.
Ohl: „Bei Frau Schader habt ihr nicht den Mund aufgemacht“
Dass es bei der Vorgängerin von Boris Wenz Probleme gegeben habe, hätten doch alle gewusst, schaltet sich Lothar Ohl (SPD) in die Diskussion ein. „Bei Frau Schader habt ihr nicht den Mund aufgemacht.“ Jetzt sei es müßig, darüber zu diskutieren. Levin Held (CDU) schlägt schließlich vor, die Verwaltung solle nun überlegen, wie sie eine Inventur bewerkstelligen könne und eine Kostenschätzung vorlegen. FDP-Mann Heiser will zudem wissen, wie viele Kulturschätze die Stadt besitzt, ob diese versichert sind und welchen Wert sie haben. Obwohl die übrigen Kommunalpolitiker schon kichern, ist er überzeugt, dass die Stadt hochwertige Exponate besitze, darunter auch Geschenke von Partnerstädten, die ebenfalls aufgelistet werden müssten.
Den Jahresabschluss für 2025 im neuen Jahr werde das Kämmereiamt auch nicht rechtzeitig vorlegen können, gibt John Kraft schon jetzt zu bedenken. Im vergangenen Jahr hätten sie die Frist auch nicht eingehalten. Immerhin gebe es jetzt im Oktober personelle Verstärkung in seiner Abteilung.
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