Es riecht nach Wald und frisch geschlagenen Baumstämmen. Viel Grün gibt es in dem großen Garten mitten in Bürstadt zwar gerade nicht - allerdings jede Menge Platz für das Minimalhaus, das der junge Unternehmer Lasse Schweikert mit seinen Mitstreitern auf den Markt gebracht haben. Und fast alles an der Mini-Wohnung besteht aus Holz: Wände, Fußboden, Möbel. Kein Wunder also, dass es hier drin nach Waldweg duftet.
Das Häuschen sieht aus, als könnte es auf einem Campingplatz stehen, wie eines der Mobile Homes, die zum Übernachten einladen, nur viel schöner. Es ist das erste seiner Art und hat im Garten von Lasses Schweikerts Großeltern in der Friedrichstraße Platz gefunden. Als Anschauungsobjekt für alle, die sich vorstellen können, auf 27 Quadratmeter zu leben, sich etwas Eigenes wünschen, ohne ein kleines Vermögen ausgeben zu müssen. Vor allem geht es darum, viel Natur ins Leben zu lassen, sagt Lasse Schweikert am Telefon. Davon gibt es in den meisten Städten viel zu wenig, findet er.
Der 27-Jährige ist in Bürstadt aufgewachsen, seinen Lebensmittelpunkt hat er mittlerweile aber in Berlin. Und in der Millionenmetropole gibt es weit mehr Grünflächen und Parks als in den Wohngebieten seiner alten Heimat, berichtet er unserer Redaktion. „Das Stadtbild von Bürstadt ist mir schon lange ein Dorn im Auge.“ Also entschließt er sich, mit zwei Freunden das Unternehmen Kamakabin zu gründen und eine Öko-Alternative zum herkömmlichen Wohnen zu bieten: ein Minimalhaus mit viel Komfort und wenig Platzverbrauch.
Im Team mit Freunden
Er selbst hat Technische Betriebswirtschaftslehre studiert, Jonathan Dreber ist Zimmermeister, Luke Monty Kuhl Architekt - und beschäftigte sich schon für seine Abschlussarbeit mit dem Thema Tiny Houses - also winzigen Unterkünften. „Wir sind alle drei 27 Jahre alt“, liefert Schweikert mit einem Grinsen noch ein kleines Fun-Fact, ein witziges Detail am Rande. Es passte alles zusammen, die drei gründen ihre eigene Firma, um Mini-Häuschen nach ganz eigener Vorstellung auf den Markt zu bringen. Als Subunternehmer ist Lasse Schweikerts Vater Harry mit im Boot. Der Bauunternehmer setzt ohnehin auf den Werkstoff Holz, diese Erfahrung wollen die jungen Unternehmer nutzen.
Dabei heben sich die Kamakabin-Entwürfe ganz bewusst ab von den Tiny Houses, die es schon für kleines Geld gibt: Einfach vier Wände mit Dach drauf, eine günstige Ausstattung, vielleicht noch ein paar Räder drunter - das passt nicht zum Konzept. Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Qualität, das ist den jungen Leuten wichtig. „Dafür befinden wir uns preislich weit oben“, räumt Lasse Schweikert ein. „Was die Langlebigkeit betrifft, sind wir auf dem Markt aber absolut führend.“
Über Preise will das Kamakabin-Team nicht im Detail mit uns reden. Dafür zeigen sie ihren Prototyp nur zu gerne vor. Wer will, kann sich ausgiebig umsehen, die Wände anfassen, die Ausstattung unter die Lupe nehmen - und vielleicht sogar übernachten. „Um ein Gespür für das Ganze zu kriegen.“ Zwar ist das kleine Häuchen gerade vermietet. Wir dürfen uns aber dennoch in aller Ruhe umsehen. Hinein geht’s über die Holzterrasse, die Front besteht fast komplett aus Glastüren. Harry Schweikert schließt auf. Sein Sohn ist nach dem Weihnachtsbesuch zu Hause inzwischen wieder zurück in Berlin, also übernimmt er die kleine Führung.
Jeder Zentimeter zählt
Und die dauert überraschenderweise länger, als es die 27 Quadratmeter Wohnfläche erwarten lassen. Es gibt viel zu sehen, die Kunst - und auch der Komfort - liegt in den ausgetüftelten Details. So lassen sich die Glastüren einfach zusammenfalten und nach rechts und links auf die Seite schieben. Der Wohnraum ist plötzlich komplett offen, die Küchenzeile auch von der Terrasse zu erreichen. Kochen an der frischen Luft, fast im Freien leben, da kommt direkt ein bisschen Camping-Feeling aus.
Das Schlafzimmer ist mit einer Schiebetür vom Wohnbereich abgetrennt, ebenfalls mit Einbauschrank, der ordentlich Platz bietet. Das Doppelbett passt haargenau daneben, zehn Quadratmeter Platz, da gilt es ein bisschen zu tüfteln mit den Möbeln. Auch hier gibt es große Glasfenster, wer will, kann mit Blick ins Freie einschlafen - und aufwachen. Ansonsten gibt es an allen Fenstern Rollos. Das kleine Bad liegt am anderen Ende des Quaders und bringt Toilette, Dusche und Waschbecken auf kleinstem Raum unter. Klar, für eine Familie mit Kindern ist das alles viel zu eng - aber allein oder zu zweit durchaus machbar.
Trend zum Tiny House
- Wenig Platz verbrauchen, nachhaltig leben, die Umwelt und den Geldbeutel schonen – über den Trend zu Tiny Houses wird in zahlreichen Wohn- und Lifestyle-Magazinen berichtet.
- Dabei galten die Minihäuser eine zeitlang als Ausdruck großer Not: Nach der Finanzkrise 2007 konnten viele US-amerikanische Familien ihre Hauskredite nicht mehr stemmen und bezogen winzige Unterkünfte, teilweise als Aufbauten auf ihren Auto-Anhängern.
- Mittlerweile hat sich das Small House Movement auf viele andere Staaten ausgebreitet – als Gegenbewegung zu immer größeren und teureren Villen, die als Statussymbol dienen sollten.
- Ein Tiny House ist eine abgeschlossene Wohneinheit und kann ein bis zwei Stockwerke umfassen. Als früher Vorläufer gilt der blaue Bauwagen aus der Kindersendung Löwenzahn.
- Wer sich ein solches Minihäuschen aufs Grundstück stellen will, braucht eine Baugenehmigung. Die Versorgung mit Strom, Wasser, Abwasser und die Müllentsorgung müssen sichergestellt sein.
- Noch mehr Infos gibt’s unter tiny-house-verband.de.
Geheizt - und bei Bedarf auch gekühlt - wird mit einer Wärmepumpe. Auf Wunsch gibt es das Ganze mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die Anschlüsse für Strom- und Wasserleitung sind bereits vom Haus der Großeltern quer durch den Garten verlegt. „Mit Sickergrube könnte das Minimalhaus aber auch autark irgendwo in der Landschaft stehen“, macht Harry Schweikert klar. Kein Mensch drumherum, nur Natur, irgendwo in Skandinavien vielleicht oder an der schottischen Küste. Oder mitten in Südfrankreich, natürlich mit See nebendran - das klingt extrem nach Urlaub und Erholung.
Rückzugsort im Garten
Allerdings werden die kleinen Unterkünfte wohl eher in Hausgärten ihren Platz finden, schwebt den Kamakabin-Gründern vor. „Nachverdichtung“, nennt Lasse Schweikert als Stichwort. Vielleicht als Rückzugsort für die Großeltern, wenn sie nicht zu weit weg von Lieben, aber doch selbstständig wohnen wollen. In vielen Städten und Gemeinden sehen die Bebauungspläne zusätzliche Wohnfläche durchaus vor. Dann kann es schnell gehen, bis von der Idee bis zum Einzug alles fertig ist. Bei den Schweikerts war in acht Wochen alles erledigt, berichten Vater und Sohn.
Jetzt fehlt nur noch das Grün rundum. „Der Garten wird im Frühjahr angelegt“, kündigt Harry Schweikert an. Samt Feuerstelle, blühenden Pflanzen und viel Platz für die Natur. Genaugenommen ist das gesamte Häuschen ein CO2-Speicher, weil es zu 90 Prozent aus unbehandeltem Holz besteht. „Daraus können Sie Pellets machen und damit heizen“, macht der Bauunternehmer deutlich. Aber bis es so weit ist, wird es dauern. Schließlich soll das Häuschen eine lange Zukunft vor sich haben. Nachhaltig eben.
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