Bürstadt. Mitten in der Saison verlässt Karl-Heinz Göbel den Kreisoberligisten TV Lampertheim und geht zu Eintracht Bürstadt. Der Trainerwechsel, der Anfang Januar offiziell vollzogen wird, sorgt für Gesprächsstoff im Ried. Marcus Haßlöcher, der Abteilungsleiter des abstiegsbedrohten Fußball-Gruppenligisten, stellt sich im Interview den wichtigsten Fragen.
Herr Haßlöcher, dass ein Trainer während einer Saison von einem Verein zum anderen wechselt, kommt selbst im Profigeschäft selten vor…
Marcus Haßlöcher
Marcus Haßlöcher wurde am 30. November 1974 in Mannheim geboren. Nach der Jugend beim VfR Bürstadt spielte er von 1993 bis 1995 und von 1996 bis 2004 für die Bürstädter Eintracht. In der Saison 2004/05 sprang Haßlöcher als Trainer der zweiten Eintracht-Mannschaft ein.
Ab 2011 brachte sich Haßlöcher im Spielausschuss der Eintracht ein. Seit 2018 leitet er die Fußball-Abteilung der Grün-Weißen.Der Vater zweier Töchter – Zoe (12) und Kim (9) – arbeitet als Maschinenbauingenieur. cpa
Marcus Haßlöcher: Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir um diese Situation herumkommen. Es ist uns nicht leicht gefallen, einem anderen Verein den Trainer wegzunehmen. Nach dem Rücktritt von Benjamin Sigmund mussten wir aber reagieren und auf uns schauen. Wir haben den Trainer gesucht, der am besten hier reinpasst.
Gab es Beschwerden vom TV Lampertheim? Die Eintracht ist ja schon Anfang November aktiv an Göbel herangetreten.
Haßlöcher: Bis jetzt kam nichts. Der TV hat das Testspiel gegen uns abgesagt. Das kann ich aber nachvollziehen. Dieses Spiel hatten Sigmund und Göbel noch ausgemacht.
Wie sind die Verhandlungen abgelaufen?
Haßlöcher: Wir sind zunächst an Karl-Heinz herangetreten. Wir haben ihn gefragt, ob das überhaupt möglich wäre – und ob er sich auch einen Wechsel während der Runde vorstellen könnte. Karl-Heinz hatte Bedenken und hat um Zeit gebeten. Damals stand noch im Raum, dass unser Interimstrainer Flamur Bajrami bis Sommer weitermacht und Karl-Heinz erst zur nächsten Runde einsteigt. Das wäre für uns die optimale Lösung gewesen. Flamur und Karl-Heinz hatten aber erhebliche Bedenken. In dieser Zeit waren wir auch mit zwei, drei anderen Trainern in Gesprächen.
Was hat den Stein ins Rollen gebracht?
Haßlöcher: Ausschlaggebend war, dass Flamur uns signalisiert hat, dass er nur bis zur Winterpause weitermachen würde. Wir mussten also aktiver werden und Karl-Heinz ein bisschen unter Druck setzen. Wir können ja keinen anderen Trainer holen und diesem sagen: Im Sommer gehst du bitte wieder. Karl-Heinz ist dann zu dem Schluss gekommen, dass er es sich vorstellen kann. Er wollte aber erst mit dem TV reden. Karl-Heinz war der TV alles andere als egal. Anfangs war sein Standpunkt: Ich komme erst im Sommer, weil ich einen Vertrag zu erfüllen habe. Wir von der Sportlichen Leitung und im Vorstand waren uns aber schnell einig, dass wir Karl-Heinz wollen.
Was hat Göbel so attraktiv gemacht?
Haßlöcher: Karl-Heinz hat klare Vorstellungen und ein autoritäres Auftreten. Er ist eine Respektperson. Das ist bei uns gerade sehr wichtig, weil die Disziplin in letzter Zeit mal wieder ein Knackpunkt war. Wir kennen Karl-Heinz noch vom VfR Bürstadt, den er im Winter eine Zeit lang bei uns auf dem Platz trainiert hat. Ich habe viel Kontakt zu Spielern, die sagen: Karl-Heinz ist ein super Trainer, er hat mich weitergebracht. Bei unserer Mannschaft ist er gut angesehen. Außerdem hat er viele Erfolge in seiner Vita und ein gutes Spielernetzwerk.
Allerdings ist Göbel auch jemand, der als Typ hier und da aneckt . . .
Haßlöcher: Das weiß er selbst. Aber auch unter unseren Spielern wird sich der eine oder andere umschauen und aussortiert, sollte es nicht so gut laufen. Da hat der Trainer volle Handlungsfreiheit. So, wie die Runde bis jetzt gelaufen ist, haben die Spieler null Argumente.
Sind Zugänge im Winter darstellbar?
Haßlöcher: Wir sind auf der Suche nach Spielern, denn wir wollen und müssen uns verstärken. Fakt ist, dass kein Spieler mit Karl-Heinz Göbel vom TV Lampertheim kommen wird. Es sind ein paar Spieler aus seinem und aus meinem Netzwerk im Gespräch – und auch Spieler, die zuletzt pausiert haben.
Was fehlt der Mannschaft?
Haßlöcher: Das ist eine sehr gute Frage. Ich bin absolut enttäuscht davon, wie wir jetzt dastehen. Von der Qualität ist die Mannschaft besser als letztes Jahr. Fußball spielen können die Jungs alle. Das Hauptproblem, das ich Sonntag für Sonntag sehe, ist, dass keine Einheit auf dem Platz steht. Wir haben viele gute Einzelspieler. Es ist aber keine funktionierende Mannschaft, in der sich der eine für den anderen den Arsch aufreißt. Das hat uns letztes Jahr am Ende noch gerettet. Auch wenn wir damals schlecht gespielt haben: Die Mannschaft hat funktioniert.
Der Klassenerhalt käme fast einem mittelgroßen Wunder gleich. In elf Spielen muss Bürstadt sieben Punkte aufholen.
Haßlöcher: Letztes Jahr hatte ich ja früh gesagt, dass wir abgestiegen sind. Dann hat mich die Mannschaft eines Besseren belehrt. Ich bleibe aber dabei: Dieses Jahr wird es noch schwieriger. Die Gruppenliga ist noch stärker. Letztes Jahr gab es Teams wie Lengfeld und Mümling-Grumbach, die oft für uns gespielt haben. Diesmal zieht der Rest bis auf Fürth und Auerbach davon. Von den Punkten her sind wir nicht schlechter als letztes Jahr. Wir stehen aber bedeutend schlechter da.
Göbels Vertrag gilt ligaunabhängig bis Sommer 2024. Würde er bei einem Abstieg wirklich weitermachen?
Haßlöcher: Karl-Heinz hat sehr wenig Zeit, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Deswegen würden wir mit ihm runtergehen, wenn nichts Besonderes vorfällt.
In welcher Rolle sehen Sie Flamur Bajrami? Co-Trainer will er nicht sein. Eine beratende Funktion kann er sich vorstellen. Den neuen Trainer hat er ja zusammen mit Ihnen ausgewählt.
Haßlöcher: Flamur hat als Interimstrainer einen richtig guten Job gemacht. Für ihn tat es mir besonders leid, dass wir die letzten drei Spiele verloren haben. Ich weiß, dass er irgendwann als Trainer arbeiten will. Ich würde mich aber freuen, wenn er mich in nächster Zeit weiter unterstützen würde. Ich habe die Sportliche Leitung jetzt lange alleine gemacht – das zehrt schon.
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