Bürstadt. „Ich erlebe immer noch, dass sich Menschen schämen, mit Demenzkranken aus dem Haus zu gehen“, erzählt Beate Weidner-Werle. Sie ist als Seniorenberaterin in Bürstadt, Biblis und Groß-Rohrheim unterwegs. Ihr Ziel ist es, den Angehörigen wie Betroffenen Ängste zu nehmen und ihnen Hilfe anzubieten. Mit dem neuen Demenznetz im Ried soll dies gelingen. Weidner-Werle hat dafür zahlreiche Kooperationspartner gewonnen, die das Projekt gemeinsam auf die Beine stellen. Zum Auftakt geht’s am Mittwoch, 25. September, 14 Uhr, um die Frage „Demenz - was nun?“ Bei der Veranstaltung im Bürstädter Altenheim St. Elisabeth erfahren die Besucher auch gleich, was in Zukunft noch alles folgen soll.
Die Initiative, ein Demenznetzwerk - wie in Viernheim, Bensheim oder Lampertheim - zu gründen, kam vom Seniorenbeirat Bürstadts. „Vor zehn Jahren hatten wir sogar schon mal einen Anlauf dafür unternommen, daraus wurde aber leider nichts“, erzählt Beate Weidner-Werle. Das ist diesmal anders. Unterstützung kommt von Seiten der Caritas, aus den Rathäusern in Bürstadt, Biblis und Groß-Rohrheim, dem Landratsamt, von Selbsthilfegruppen, Kirchen, aber auch von VdK und Vereinen sowie den PauLas, die ja auch Senioren unterstützen. „Insgesamt sind wir rund 20 Personen, die sich im April zur konstituierenden Sitzung getroffen haben“, erzählt Weidner-Werle. Das Projekt ist erstmal bis Ende 2026 geplant - in der Hoffnung, dass es sich bis dahin längst fest etabliert hat.
Singen und Sport für Kranke und Angehörige gleichermaßen
Nach dem Auftakt Ende September soll es gleich weitergehen: Im Oktober will Birgit Mascetta, bekannte Mitarbeiterin von St. Elisabeth, ein sportliches Angebot schaffen - ganz ausdrücklich nicht allein für Demenzkranke, sondern auch für ihre Angehörigen. „Es gibt auch schöne Zeiten miteinander, trotz der Sorgen“, sagt Mascetta. Weidner-Werle bestätigt, dass die Familie oft verblüfft sei, wie anders ihre Lieben sich in der Gruppe verhalten: oft munterer oder weniger aggressiv. Deshalb soll es ab November zudem noch eine Singgruppe geben, die der Musiker Simon Konrad leitet.
Angebote für Betroffene und Angehörige
Zum Auftakt steht der Vortrag „Demenz - was nun?“ am Mittwoch, 25. September, 14 Uhr, im Briebelsaal des Bürstädter Altenheims St. Elisabeth an. Referentinnen sind Alexandra Mandler-Pohen und Cornelia Kremski. An dem Nachmittag wird sich das Demenznetz mit seinen geplanten Aktionen vorstellen.
Ab Dienstag, 29. Oktober, trifft sich alle zwei Wochen von 10 bis 11 Uhr eine offene Sportgruppe für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen im Briebelsaal. Birgit Mascetta leitet sie.
Ab November singt Simon Konrad jeden ersten Dienstag im Monat von 14 bis 15 Uhr mit Betroffenen und Angehörigen im Briebelsaal. Zudem wird es in der geschlossenen Hausgemeinschaft für Demenzkranke in St. Elisabeth einen Singkreis geben.
Angehörige können sich ab November in einer Selbsthilfegruppe mit Seniorenberaterin Beate Weidner-Werle austauschen. Diese Runde trifft sich alle zwei Monate abwechselnd in Bürstadt, Biblis und Groß-Rohrheim.
Beim Demenznetz wirken Haupt- und Ehrenamtliche aus Bürstadt, Biblis und Groß-Rohrheim mit. Mit dabei sind Angehörige, aber auch Fachpersonal aus der Pflege, Mitarbeiter von Rathäusern und Mitglieder von Vereinen. Kirchengemeinden sind involviert, aber auch Senioren- und Inklusionsbeirat, VdK, PaHoRi sowie Selbsthilfegruppen.
Für die geschlossene Hausgemeinschaft mit Demenzkranken in St. Elisabeth will Mascetta zudem einen eigenen Singkreis schaffen. „Sie wären überfordert, wenn sie in eine neue Gruppe gehen müssten“, ist die Sozialpädagogin überzeugt. Im geschützten Rahmen sei das sinnvoller. Für sie gibt es übrigens schon lange eine eigene Andacht mit Annerose Bechtloff, die auch Gottesdienste in der Kapelle des Heims feiert.
Termine soll es künftig nicht nur in Bürstadt geben, deshalb sind die Organisatoren froh, dass die Bibliser Filminsel in Kooperation mit dem Demenznetz am 18. November „The Father“ mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle des dementen Vaters zeigt. Dass das Kino kostenlos zur Verfügung gestellt werde, sei wunderbar.
Denn finanzielle Unterstützung fehle bisher, gibt Weidner-Werle zu. „Wir hoffen auf Sponsoren und knüpfen Kontakte, denn wir brauchen ein Budget für Vorträge und Aktionen.“ Sie denkt etwa an den Besuch einer Clownin oder ein Theaterstück, das Betroffene erheitern könnte. „Alles steht und fällt natürlich mit den Angehörigen - und ob sie die Angebote für sich und die Betroffenen annehmen“, sagt Weidner-Werle. Sie hofft daher auf viele Besucher bei der Auftaktveranstaltung am 25. September. Dass es im Ried nun auch ein Demenznetz gibt, lobt Christina Arnold von der Fachstelle Leben im Alter im Landratsamt. „Es ist so wichtig, dass das Thema in die Gesellschaft integriert wird und kein Tabu mehr ist.“ Alle sind sich einig, dass das Demenznetz mit seinen Angeboten hilfreich sei - auch für die Lebensqualität. Etwa wenn sich Angehörige austauschen, aber auch ihre Lieben in der Gruppe mit anderen erleben können.
„Es ist sehr wertvoll, wenn man sieht, wie Menschen mit Demenz Musik oder Bewegung genießen“, sagt Weidner-Werle. „Es muss ja nicht immer der Ehepartner, Sohn oder Tochter mitkommen, das kann auch ein Enkelkind oder jemand Nahestehendes sein.“
Termine künftig auch in Biblis und Groß-Rohrheim
Bei gutem Wetter könne das sportliche Angebot auch direkt vor St. Elisabeth auf der alla hopp!-Anlage sein. „Der Bereich ist geschützt, da stehen die Leute nicht gleich auf der Straße, wenn sie ein paar Meter laufen.“ Das Altenheim könne sich schließlich nach dem Umbau endlich wieder öffnen und Besucher willkommen heißen. Termine soll es künftig aber auch in Biblis und Groß-Rohrheim geben - so wie die Gesprächsgruppe, die sich im Wechsel an allen Orten trifft.
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