Bürstadt. Rund um die große, alte Eiche haben sich etwa 250 Menschen versammelt. Und ihr Unmut ist nicht nur deutlich zu hören, sie haben auch jede Menge Plakate mitgebracht, die zeigen, worum es ihnen geht. „Finger weg von den Bäumen“, ist darauf zu lesen. Oder auch „Jeder Baum zählt! Was ist euer Wort wert?“ Der Agendatisch Naturschutz, der sonst eher im Hintergrund Fleißarbeit leistet, meldet sich mit dieser Demo lautstark zu Wort. Für die Umgestaltung und Sanierung der östlichen Nibelungenstraße sollen bis zu 35 Bäume fallen. Deshalb hat das Gremium zur Kundgebung an der Ecke zum Bubenlachring aufgerufen - wenn auch die stattliche Eiche hier stehenbleiben darf.
Als Versammlungsleiter und Mitglied des Agendatischs fordert Uwe Metzner lautstark über Mikrofon, die Pläne für den Umbau noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. An diesem Mittwochabend steht die Entscheidung im Stadtparlament auf der Tagesordnung. „Wir stehen für konstruktive Gespräche zur Verfügung und schlagen vor, dass die Pläne zunächst zurückgestellt werden“, wendet sich Metzner an seine Zuhörer, vor allem aber auch an die Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung. Die Botschaft dürfte angekommen sein, unter die Zuhörer haben sich auch einige Vertreter der politischen Parteien gemischt.
„Jeder Baum zählt“, zitiert Metzner die Grüncharta, die der Agendatisch ausgearbeitet und das Stadtparlament im vergangenen Jahr beschlossen hatte. Dass dennoch etliche - teilweise stattliche - Bäume fallen sollen, ist für viele Anwesende nicht zu verstehen. Vor allem, weil die Straße eigentlich schmaler werden soll.
Allerdings ist eine neue Linksabbiegerspur geplant, um in den Bubenlachring einzubiegen. Um dafür Platz zu schaffen, müsse unter anderem die Eiche auf der Straßenseite gegenüber weichen, wie Metzner erläutert. Lautstarke Unmutsbekundungen sind zu hören: „Unverschämtheit“ - „Die denken, die können sich alles erlauben“.
Linksabbiegerspur „überflüssig“
Etwa 2000 junge Bäume müssten gepflanzt werden, um die Blattmasse einer solchen Eiche zu ersetzen, erläutert Metzner. „Mit jedem Baum wird ein ganzes Biotop vernichtet“, meldet sich seine Mitstreiterin Marion Brandner zu Wort. Und erinnert noch mal daran, wie wichtig das Stadtgrün für die Frischluftproduktion ist und angesichts der Feinstaubbelastung, fürs Stadtklima sowieso - eben eine „pflanzliche Klimaanlagen mit ökologischem Wert“.
Und vor allem rechnet sie vor, wie viele alte Bäume in den vergangenen Jahren gefällt worden sind: 17 in der Alla hopp!-Anlage, sechs in der Bahnhofsallee, sechs in der innerstädtischen Nibelungenstraße, elf für die Container an der Schillerschule. „Jetzt also weitere 35 Bäume hier in der Nibelungenstraße.“ Die Zuhörer antworten mit kräftigem Applaus.
Dann setzt sich der Zug in Bewegung, es geht auf einen Rundkurs entlang der Nibelungenstraße. Mittendrin Karl Recht sowie Heidrun und Markus Hartmann. „Ich wohne hier im Bubenlachring schon 68 Jahre. Und ich habe noch nie eine Linksabbiegerspur gebraucht“, stellt Recht klar. Auch als Zufahrt zum neuen Bildungs- und Sportcampus sehen die Drei die enge Straße kaum als geeignet an. „Die Leute bei uns fahren hintenrum vorbei und über die Wasserwerkstraße wieder raus“, hat Heidrun Hartmann festgestellt. Als großes Problem sehen die Nachbarn allein den Lkw-Verkehr. „Die machen die Straße kaputt“, ärgern sie sich. Und nun sollen Bäume fallen? Angesichts der Klimaerwärmung ein echtes Unding, finden sie.
Sibylle Köhler sind die Laster ebenfalls ein Dorn im Auge. „Es gibt doch eine Umgehung über die B 47 und B 44“, schimpft sie. „Aber da hält sich keiner dran.“ Wie zur Bestätigung fährt ein Rossmann-Brummi vorbei, der zum Lager am nördlichen Ende Bürstadts unterwegs sein dürfte. „Der könnte auf jeden Fall außenrum fahren.“
Bürger ernst nehmen
Sima Öztürk und Zelina Uygut haben ebenfalls Plakate mitgebracht. Die beiden jungen Frauen sind oft auf dem angrenzenden Freizeitkickergelände unterwegs und finden die große Baumreihe einfach schön. „Und Insekten und Vögel sind auf den Lebensraum angewiesen.“
„Rettet die Bäume“, haben die elfjährige Ida und Mama Ines Ziegler auf ihr Plakat geschrieben. Vater Stefan Ziegler trägt mit Stefan Röß ein eigenes Banner: „Aux arbres, citoyens - zu den Bäumen, Bürger“, übersetzt Röß seine Anlehnung an den berühmten Ruf zu den Waffen. Für ihn eine internationale Botschaft mit großem Gewicht.
Unter die Demonstranten hat sich auch der Erste Stadtrat Christoph Lang gemischt - als Beobachter, wie er erläutert. „Jeder muss gehört werden“, findet er. Und auch: „Die Meinung der Bürger muss ernst genommen werden.“ Unterdessen binden Michael Held und Franz Gärtner vom Agendatisch schwarze Schleifen um die Bäume, die der neuen Straße Platz machen sollen.
Grünen-Politiker Uwe Koch ist ebenfalls vor Ort. Seine Fraktion hatte die Pläne im Fachausschuss abgelehnt. In der Stadtverordnetensitzung am Mittwoch will er nun beantragen, die Entscheidung zu verschieben. Zu viele Betroffene - Landwirte, Behindertenbeirat und mehr - seien nicht gehört worden.
Bei Ortslandwirt Richard Schöcker rennt er damit offene Türen ein. Er hat sich mit einem Schreiben an den Magistrat gewandt. Zurzeit ist die Nibelungenstraße 7,50 Meter breit. Nun soll sie einen Meter schmaler werden. Die großen Landmaschinen messen allerdings knapp vier Meter. „Für den Gegenverkehr bleibt da kaum Platz.“
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