Stromautobahn

Wie der AKW-Standort Philippsburg die Energiewende voranbringt

Ist das ein Teil von Doppel-Wumms? Da, wo bis zum Jahr 2019 Kühltürme standen, entsteht gerade eine wichtige Komponente für das deutsche Stromnetz. Der Projektleiter lobt gar die Regierung. Aber wie lange dauert's noch?

Von 
Stephan Alfter
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In Philippsburg entsteht bis Ende 2024 ein Umspannwerk, das Gleichstrom in Wechselstrom zurückverwandelt. Früher standen hier Kühltürme. © Stephan Alfter

Phillipsburg. Besonders für Menschen, die die Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 noch präsent haben, werden Standorte von Kernkraftwerken immer Plätze bleiben, die mit einem gewissen Unbehagen verbunden sind. Weiterhin lagern dort radioaktive Abfälle, und die Debatte um ein Endlager ist in Deutschland zuletzt kein Deut vorangekommen.

Wie schnell andererseits ein Wandel vonstatten gehen kann, lässt sich in Philippsburg schon ganz gut beobachten. Auf exakt jenem Areal, auf dem im Jahr 2019 die Kühltürme in sich zusammensackten, widmet man sich heute den Erfordernissen des immer deutlicher zutage tretenden Paradigmenwechsels in der Energiepolitik. Wäre man völlig euphorisch, könnte man davon sprechen, dass der angesichts des Energiekrieges mit Russland zum stehenden Begriff gewordene Doppel-Wumms von Kanzler Olaf Scholz hier im Ansatz „live“ zu sehen ist. Am Freitagnachmittag öffnete TransnetBW seine Tore erstmals für die Öffentlichkeit, um die neue Technik, die von Siemens Energy entwickelt wurde, zu präsentieren.

„Bis Ende 2024 soll das Umspannwerk fertig sein“

Es klingt zwar ein wenig nach Selbstlob, wenn das hier operierende Unternehmen über sein eigenes Projekt als einem der innovativsten Energie-Wende-Projekte spricht, aber so ganz verkehrt ist das nicht. „Bis Ende 2024 soll das Gleichstrom-Umspannwerk fertig sein“, sagt Projektleiter Norman Weber.

Da geht’s lang: TransnetBW-Mitarbeiter Sebastian Gehrig (Mitte). © Philippsburg_Konverter_Alfter

Für Laien sei das Vorhaben ohne physikalische Fachsimpelei in kurzen Worten erklärt: Zwischen Osterath (Nordrhein-Westfalen) und Philippsburg verläuft ein Höchstspannungsnetz, das für heutige Bedarfe nicht mehr ausgelegt ist. Daher soll ab Ende 2026 eine Stromautobahn namens Ultranet vollendet sein, die den Strom über 340 Kilometer verlustärmer durch die Landschaft leitet. Von nicht unwesentlicher Bedeutung ist für Transnet der Rhein-Neckar-Kreis, denn der südlichste Teil der Trasse liegt zwischen Mannheim-Wallstadt und Philippsburg - wo aus Gleichstrom mittels des neuen Konverters wieder Wechselstrom gemacht wird, um ihn dann in die lokalen und regionalen Netze einzuspeisen.

Wieso der Strom nach Süden muss

„Was bringt das?“, werden diejenigen fragen, die sagen, dass eine neue Leitung doch obsolet ist, wenn das Wesentliche fehlt - nämlich der grüne Strom. Schließlich möchte man sich sukzessive von fossilen Brennstoffen lösen. Tatsächlich beklagt man in Deutschland durch die Abschaltung der Kernkraftwerke ein Ungleichgewicht. Während an der Küste große Windparks vorhanden sind, herrscht im Süden manchmal Flaute. Es gibt zu wenig Windräder, und der Bau geht nicht an allen Stellen besonders schnell voran - um es vorsichtig auszudrücken. Deshalb ist der entscheidende Zusatz, dass Ende 2027 Osterath auch mit dem Norden verbunden sein soll, sodass ein sicheres und verlustärmeres Netz Strom von der Nordsee bis in den Süden leiten kann.

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Für jeden sichtbar wurde die Vorboten dieses Vorhabens beispielsweise schon im Frühjahr in Ilvesheim (wir berichteten). Teilweise müssen nämlich neue und höhere Masten errichtet und bestehende zurückgebaut werden. Die neuen Bauten können nämlich sowohl Wechselstrom als auch Gleichstrom transportieren, wo vorher nur Wechselstrom fließen konnte. An anderer Stelle reicht es, die Masten mit zusätzlichen Seilen zu bespannen. Norman Weber ist mit dem Abschluss dieses Planfeststellungsverfahrens zufrieden. Es gab Einwände, aber keine, die das Vorhaben hätten stoppen können. Mit der Genehmigung kann das Unternehmen den 42 Kilometer langen Leitungsabschnitt nun mit der Freileitung bebauen. Beauftragt sind die Firmen LTB Leitungsbau und Equos Energie. Beide haben inzwischen damit begonnen, temporäre Bauflächen zu sichern, um zügig beginnen zu können.

700 Millionen Euro investiert

Ohnedies geht es bei der Energiewende um Zeit. Norman Weber ist in seiner Funktion als Projektleiter nicht entgangen, dass mit der Ampelregierung mehr Dampf in die Sache kam. Er merke, dass ein Umdenken in Politik und Gesellschaft nun auch mit Blick auf die Planungsprozesse dazu führe, dass einiges schneller vorwärtsgehe als früher.

Bis im Dezember 2026 der erste Strom durch die neue Leitung fließt, will TransnetBW rund 700 Millionen Euro in den Energiepark in Philippsburg investiert haben. 116 Millionen Euro fließen außerdem in die Leitungstrasse zwischen Mannheim-Wallstadt und Philippsburg. Finanziert werde das am Ende durch Nutzungsentgelte, die jeder einzelne Verbraucher über seine Stromrechnung bezahle.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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