Nordheim. Besonders leicht ist sie nicht zu erreichen, die Burg Stein bei Nordheim. Außer man kommt mit dem Fahrrad über den Hessischen Fernradweg R 6 oder die EuroVelo 15, den Rheinradweg. Beide führen direkt an der Burg vorbei. Die Radfahrer müssen nur anhalten und ein paar Schritte laufen - und schon stehen sie inmitten der Grundmauern, die noch sichtbar sind. Sonst haben sich allerdings keine oberirdischen Bauten erhalten.
Diese Überreste wurden 1924 von einem geschichtsinteressierten Pfarrer wiederentdeckt, 1957 stieß ein Unternehmen bei Erdölbohrungen erneut auf die alten Steine. 1970 gab es Ausgrabungen von Landesarchäologie und Kraftwerkraftbetreiberin RWE. Gepflegt wird dieses Areal von Hessenforst, der Gemeinde Biblis und dem Verein für Heimatgeschichte (VfH) Nordheim, der sich 1986 gegründet hat. Er kümmert sich um die Erhaltung der Grundmauern, hat das Gelände schön gestaltet und für Besucher Tische und Bänke aufgestellt. „Die Infotafeln sind nicht ganz auf dem neuesten Stand. Wir hoffen auf neue Ergebnisse durch die Archäologie“, informiert Günter Mössinger, Vorsitzender des VfH.
App erzählt Geschichten aus verschiedenen Jahrhunderten
Seit dem vergangenen Jahr gibt es die Burg Stein App „Das Murmeln der Geschichte - Im Zullestein“, mit der sich Wissbegierige erzählte Berichte aus verschiedenen Jahrhunderten der Burg anhören können. Es ist allerdings empfehlenswert, sich die App vor dem Besuch runterzuladen, da der Empfang vor Ort nicht immer gut ist. Produziert hat sie die Stiftung Weltkulturerbe Kloster Lorsch, zu dem die Burg im Mittelalter gehörte. Es gibt Geschichten von römischen Soldaten, mittelalterlichen Händlern oder dem Wormser Bischof, untermalt mit passenden Hintergrundgeräuschen. „Alle berichten, was sie während ihrer Lebenszeit erlebt haben. So wird Geschichte lebendig“, fasst der Vorsitzende zusammen.
Die Geschichte der Burg Stein geht auf die Römerzeit zurück. 365 nach Christus legten die Römer dort einen Burgus, ein kleines, turmartiges Kastell mit Schiffsanlegestelle, am der Mündung des Flüsschen Weschnitz in den Rhein an. Es war eine Anlaufstelle für römische Patrouillenschiffe, die auf dem großen Fluss kreuzten und Wache hielten, denn der Rhein war die Reichsgrenze, die abgesichert werden musste. In Friedenszeiten lebten zwischen 35 und 60 Personen im Burgus. Sie nahmen meist Beobachtungsaufgaben wahr.
Das nächste Mal taucht die Burg Stein unter den fränkischen Herrschern auf und war Großhandelsstelle eines Fernhändlers Nandolf und seiner Gattin Geila. Aus königlichem Besitz schenkte Graf Wernher 846 die Königshöfe Biblis, Wattenheim und „Zullestein“ an das Kloster Lorsch weiter. Zullestein bezeichnete einen Anlegeplatz für Schiffe. Der Name wurde später auf Stein verkürzt.
Um das Jahr 1000 war die Burg zentraler Verwaltungsmittelpunkt des Wormser Bischofs. Von hier aus hatte er die Nachbardörfer im Blick. Im 17. Jahrhundert war die Burg zehn Jahre von den Spaniern besetzt. Als 1631 Gustav Adolf den Rhein überquerte, setzten die Spanier die Burg in Brand und flüchteten. Danach machte der Bischof von Worms aus den Überresten ein Jägerhaus mit Zollerhebung. Um 1800 wurden viele der vorhandenen Steine „geraubt“, das heißt, man hat sie verwendet, um andere Häuser zu bauen. 1991 wurde das Kloster Lorsch zum UNESCO-Weltkulturerbe. Dort wird auf Tafeln auf die Burg Stein und die ehemalige Wirtschaftsverbindung mit Transportgütern auf dem Rhein hingewiesen.
Der VfH betreibt im Alten Rathaus das Heimatmuseum. Dort sind viele Fundstücke ausgestellt. Ebenfalls gibt es Modelle aus den wichtigen Zeiten der Burg, die das verstorbene Mitglied Rudi Dörr liebevoll gestaltet hat und die Museumsbesuchern einen ersten Eindruck von den Oberbauten geben - vor Ort braucht man dagegen Fantasie.
„Wir haben im Schnitt zwischen fünf und 30 Besucher am Tag. Das hängt von den Jahreszeiten und der Witterung ab“, meint Mössinger. Es sind Kulturtouristen, Radausflügler und Wanderer. Bis jetzt ist die Burg mit dem Rad noch einigermaßen gut zu erreichen. Aber der Vorsitzende macht sich Sorgen um die Steinerwaldbrücke, die gerade für die Radrouten unerlässlich ist. Die Brücke ist bereits für den land- und forstwirtschaftlichen Verkehr gesperrt, und die Gemeinde Biblis ringt noch um eine Lösung, sie wenigstens für Radfahrer und Fußgänger zu erhalten.
Vom Museum zur Burg
Die Burg Stein liegt etwas versteckt, aber sehr idyllisch im Wald. Zu erreichen ist sie nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Ausgangspunkt ist der alte Fährturm mit dem Burg Stein Museum.
Von der Nordheimer Ortsdurchfahrt führt die Straße Zum Rhein dorthin. Direkt neben dem Fährturm gibt es mit der Gaststätte „Zur Rheinfähre“ eine Einkehrmöglichkeit.
Der Fußweg von Fährturm beim Restaurant „Zum Fährhaus“, lokal auch als Fauti bekannt, bis zum historischen Denkmal dauert gut 30 Minuten. Seitdem das Durchfahrt- und Parkverbot auf der Nato-Straße für Privatwagen samt Schranke besteht, ist es für ältere gehbehinderte Bürger, die nicht mit dem Rad fahren, nahezu unmöglich, dorthin zu gelangen.
Deshalb wäre mehr Barrierefreiheit wünschenswert, auch beim Zugang zu den Überresten. Selbst Anfragen von Schulklassen oder Kindergärten sind schwierig umsetzen, da häufig ein Begleitfahrzeug dabei sein muss, das aber keine Durchfahrtsmöglichkeit hat. Außerdem gab es vor Jahren noch eine hölzerne Besucherplattform, die aber morsch wurde und aus Sicherheitsgründen entfernt werden musste. Auch hier wartet der VfH auf eine Erneuerung, was sich aber noch in die Länge ziehen kann.
Bachelor-Absolventin schlägt VR-Brille für Besucher vor
Mit der touristischen Erschließung der Burg befasste sich auch 2023 die Bachelorarbeit von Marisa Scaglione von der FH Worms. Sie plädierte unter anderem für eine VR-Brille. Mit der könnten Touristen sich die ursprünglichen Gebäude virtuell wiederauferstehen lassen. Das würde jüngeres Publikum für die Burg begeistern. „Wir hoffen ebenfalls auf neue Erkenntnisse durch die Weschnitzforschungsgruppe, die den Weg von Einhausen die Weschnitz entlang unter die Lupe nimmt. Die führt ebenfalls an der Burg vorbei auf dem Weg in den Rhein. Deshalb muss unsere neue Beschilderung noch warten“, erklärt Mössinger. Wenn sich Gruppen für eine Führung an der Burg Stein interessieren, können sie per E-Mail an info@heimatverein-nordheim.de oder telefonisch bei Günter Mössinger unter 06245/55 63 melden.
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