Rückblick

Als das Hochwasser im Juni 2024 auf das AKW-Gelände in Biblis drückte

Das Rheinhochwasser im Juni 2024 war für die Landwirte in Biblis und Groß-Rohrheim ein einschneindendes Erlebnis. Dabei spielt auch das stillgelegte Atomkraftwerk in Biblis eine zentrale Rolle

Von 
Petra Schäfer
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Links ist die Fläche mit den Überresten der abgerissenen Kühltürme zu sehen, wo Wassermassen im Juni an die Oberfläche drücken. © Berno Nix

Ried. Mit dem Rheinhochwasser Anfang Juni 2024 beginnen die weitflächigen Überflutungen bei Biblis und Groß-Rohrheim. Der Pegel bei Worms überschreitet die kritische Marke von 6,50 Meter. Die örtlichen Feuerwehren richten eine Deichwache ein. „Besonders schlimm von dem Hochwasser betroffen sind die Landwirte. Für sie ist es eine absolute Katastrophe“, sagt Matthias Schaider, Leiter der Pressestelle des Regierungspräsidiums Darmstadt, zu diesem Zeitpunkt. In der Nähe des Kraftwerksgeländes steht auf beiden Seiten des Winterdeichs das Wasser. „Der Deich ist sicher“, betont Schaider. „Für die Landwirte ist das aber kein Trost.“

In den Rheinauen bei Nordheim steht das Wasser. © Berno Nix

Für eine Verschärfung der Hochwasserlage tragen die Wassermassen bei, die auf dem Kraftwerksgelände aus dem Untergrund nach oben drücken. Das geschieht dort, wo früher die beiden Kühltürme von Block A standen. Dieser Bereich liegt tiefer als das restliche Kraftwerksgelände. Dieses war aufgeschüttet worden.

Landwirtschaftsminister schaut sich Schäden an

Das Wasser fließt in den Schutzgraben, der das RWE-Gelände umgibt, und auf die angrenzenden Felder. Es erreicht das Grabensystem, das für die Entwässerung der Felder vorgesehen ist. Am Kraftwerk werden Pumpen eingesetzt. Zumindest ein Teil des an die Oberfläche getretenen Druckwassers wird so in den Rhein zurückgeleitet.

Auch auf den Feldern wird Wasser abgepumpt. Die Landwirte versuchen ihre Pflanzen zu retten. „Wir haben drei Tage lang rund um die Uhr 18 Pumpen laufen lassen“, berichtet der Groß-Rohrheimer Ortslandwirt Florian Olf. Unterstützung erhalten die Bauern vom Bibliser Bauhof.

Mitte Juni schaut sich der hessische Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) in Lampertheim Überflutungsschäden an. „Wir wollen schnell und unbürokratisch helfen“, verspricht er. Die in Aussicht gestellten Gelder beziffert der Minister bei diesem Pressetermin gegenüber den Landwirten auf rund 2 Millionen Euro.

Rund 20 Landwirte seien in den beiden Gemeinden vom Hochwasser betroffen, sagt Florian Olf. Ein Teil dieser Schäden sei wohl durch die Flutwellen vom Kraftwerksgelände verursacht worden. Wie alle Seiten bestätigen, gebe es einen Austausch zwischen den Bürgermeistern, Ortslandwirten und RWE über mögliche Entschädigungen.

„Unser Ziel ist es, am runden Tisch eine Lösung zu finden“, sagt der Groß-Rohrheimer Bürgermeister Karsten Krug. Um gesicherte Daten vorweisen zu können, haben Biblis und Groß-Rohrheim ein Gutachten in Auftrag gegeben. „Die Gemeinden hatten ebenfalls Ausgaben durch das Hochwasser“, sagt Bürgermeister Krug. „Das war eine Herkulesarbeit. Unser Bauhof hat die Landwirte beim Wasserpumpen unterstützt, und das rund um die Uhr“, berichtet der Bibliser Bürgermeister Volker Scheib.

1000 Hektar Ackerfläche unter Wasser

„Das war ein zehnjähriges Hochwasser, das nicht so selten auftritt“, stellt Florian Olf fest. Aber dieses Mal habe das Wasser auf Flächen gestanden, die ansonsten nicht betroffen seien. Das bestätigt der Bibliser Ortslandwirt Dirk Müller. Und fügt hinzu: Bereits im Dezember 2023 habe es Hochwasser gegeben. Auch da sei Wasser vom Kraftwerk aus auf die Felder geflossen - ebenfalls auf Flächen, die bislang vom Rheindruckwasser nicht erreicht worden waren.

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Die Situation im Juni sei eine ganz andere gewesen, als im Dezember, sagt RWE-Sprecher Alexander Scholl. Ein solches Ausmaß sei im Winter nicht zu erkennen gewesen. Der ehemalige Kraftwerksbetreiber RWE habe eigene Experten aus dem Bereich Landwirtschaft hinzugezogen, um die Auswirkungen des Druckwassers in Biblis zu untersuchen. Gleichzeitig gehe es um die Ursachenklärung für die Überschwemmungen.

Pilzinfektionen schmälern den Ertrag bei der Ernte

Die Landwirte müssten das Jahr 2024 aber nicht völlig abschreiben, heißt es im Juli. Aktuell gehe man zwar bestenfalls von einer durchschnittlichen Ernte aus, sagt der Ehrenvorsitzende des Regionalbauernverbands Starkenburg, Willi Billau aus Lampertheim. „Es scheint so, als ob das viele Wasser auch Sauerstoffmangel an den Wurzeln erzeugt und im Zusammenspiel mit der fehlenden Sonne die Erträge begrenzt hat.“ Insgesamt seien im Ried 1000 Hektar Ackerfläche überschwemmt worden.

Aufgrund der feuchten Witterung sei der Druck durch Krankheiten und insbesondere durch Pilzinfektionen sehr hoch. „Wer beim Kartoffelanbau zu spät gehandelt hat, muss Ausfälle bis hin zum Totalverlust verschmerzen.“ Bei der Rapsernte sei jedoch mit durchschnittlichen bis guten Erträgen zu rechnen, so Billaus Erwartung.

Kreislandwirt Sebastian Glaser aus Nordheim spricht von einem „heterogenen Bild“ im Jahr 2024. Zunächst habe es wenig Wetterextreme gegeben. Doch das änderte sich. Die starken Niederschläge in den Monaten Mai und im Juni hätten dazu geführt, dass die Ernte höchstens durchschnittlich sei. Manche Landwirte beklagten sogar Einbußen von etwa 20 Prozent.

Redaktion Redakteurin Südhessen Morgen

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