Überflutung

Wer zahlt die Hochwasserschäden in Biblis und Groß-Rohrheim?

Das Rheinhochwasser hat auf den Äckern in Biblis und Groß-Rohrheim große Schäden angerichtet. Welche Rolle dabei die Fluten spielen, die vom Kraftwerksgelände in Richtung der Felder flossen, soll nun geklärt werden

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Das Rheinhochwasser am Bibliser Kraftwerk Anfang Juni. Links ist die Fläche zu sehen, auf der die Kühltürme von Block A standen. © Berno Nix

Biblis/Groß-Rohrheim. Welchen Schaden hat das auf dem Bibliser Kraftwerksgelände ausgetretene Druckwasser auf den umliegenden Äckern verursacht? Um auf diese Frage eine Antwort zu erhalten, haben die beiden Kommunen Biblis und Groß-Rohrheim einen Sachverständigen hinzugezogen. Eine erste Einschätzung der Lage soll der Gutachter bis Mitte August vorlegen. „Wir mussten schnell gemeinsam handeln und das Gutachten in Auftrag geben. Damit die Schäden rechtzeitig dokumentiert werden“, erklärt der Bibliser Bürgermeister Volker Scheib . „Das ganze Ausmaß wird jedoch erst einige Wochen später erkennbar sein“, sagt der Groß-Rohrheimer Bürgermeister Karsten Krug .

Der ehemalige Kraftwerksbetreiber RWE habe eigene Experten aus dem Bereich Landwirtschaft hinzugezogen, um die Auswirkungen des Druckwassers in Biblis zu untersuchen. Das berichtet Kraftwerkssprecher Alexander Scholl (unteres Bild). Gleichzeitig gehe es um die Ursachenklärung für die Überschwemmungen. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst“, betont er. Ein Ergebnis der Prüfungen könne er noch nicht liefern. Aber RWE werde schnellstmöglich die Ursache für die aus dem Boden ausgetretenen Wassermassen klären, um entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Rückblick auf die Ereignisse im Juni

Mit dem Rheinhochwasser Anfang Juni beginnen die weitflächigen Überflutungen am Fluss bei Biblis und Groß-Rohrheim. Der Pegel bei Worms überschreitet die kritische Marke von 6,50 Meter. Die örtlichen Feuerwehren richten eine Deichwache ein. „Besonders schlimm von dem Hochwasser betroffen sind die Landwirte. Für sie ist es eine absolute Katastrophe“, sagt Matthias Schaider, Leiter der Pressestelle des Regierungspräsidiums Darmstadt, zu diesem Zeitpunkt. In der Nähe des Kraftwerksgeländes steht auf beiden Seiten des Winterdeichs das Wasser. „Der Deich ist sicher“, betont Schaider. „Für die Landwirte ist das aber kein Trost.“

Einige der Schläuche, die Wasser von den Feldern über den Deich in Richtung Rhein ableiten. © Regierungspräsidium

Für eine Verschärfung der Hochwasserlage tragen die Wassermassen bei, die auf dem Kraftwerksgelände aus dem Untergrund nach oben drücken. Das Wasser tritt auf einer Fläche aus, auf der früher die beiden Kühltürme von Block A standen. „Dieser Bereich liegt tiefer als das restliche Kraftwerksgelände, das aufgeschüttet wurde“, erklärt RWE-Sprecher Alexander Scholl. Das höher liegende Areal sei nicht vom Druckwasser betroffen.

Landwirte und Bauhof im Schichtdienst

Das Wasser fließt in den Schutzgraben, der das RWE-Gelände umgibt, und auf die angrenzenden Felder. Es erreicht das Grabensystem, das für die Entwässerung der Felder vorgesehen ist. Um die Gräben nicht zusätzlich zu den bereits vorhandenen Wassermengen durch den Dauerregen zu belasten, werden am Kraftwerk Pumpen eingesetzt. Dadurch gelingt es, zumindest einen Teil des an die Oberfläche getretenen Druckwassers in den Rhein zurückzuleiten.

Auch auf den Feldern wird abgepumpt. „Wir haben drei Tage lang rund um die Uhr 18 Pumpen laufen lassen“, berichtet der Groß-Rohrheimer Ortslandwirt Florian Olf. „Immer zwei Leute übernahmen einen Schichtdienst.“ Unterstützung erhielten die Bauern vom Bibliser Bauhof. Das Abpumpen sei mit dem Regierungspräsidium abgestimmt worden, betont Pressesprecher Schaider.

Mitte Juni schaut sich der hessische Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) in Lampertheim Überflutungsschäden an. „Wir wollen schnell und unbürokratisch helfen“, verspricht er. Die in Aussicht gestellten Gelder beziffert der Minister bei diesem Pressetermin gegenüber den Landwirten auf rund zwei Millionen Euro.

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Von
Daniela Hoffmann Stephen Wolf
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„Passiert ist da allerdings noch nichts“, sagt der Bibliser Ortslandwirt Dirk Müller auf Anfrage dieser Redaktion. Dafür hat sich in Biblis und Groß-Rohrheim einiges getan. Rund 20 Landwirte seien in den Gemeinden vom Hochwasser betroffen, sagt der Groß-Rohrheimer Ortslandwirt Florian Olf. Ein Teil dieser Schäden sei wohl durch die Flutwellen vom Kraftwerksgelände verursacht worden.

Wie alle Seiten bestätigen, gebe es einen Austausch zwischen den Bürgermeistern, Ortslandwirten und RWE über mögliche Entschädigungen. „Unser Ziel ist es, am runden Tisch eine Lösung zu finden“, sagt der Groß-Rohrheimer Bürgermeister Karsten Krug. Um gesicherte Daten vorweisen zu können, haben Biblis und Groß-Rohrheim das Gutachten in Auftrag gegeben.

Florian Olf ist froh, dass die Gemeinden in Vorkasse getreten sind und die Finanzierung nicht von den Landwirten geschultert werden müsse. „Die Gemeinden hatten ebenfalls Ausgaben durch das Hochwasser“, sagt Bürgermeister Krug. „Das war eine Herkulesarbeit. Unser Bauhof hat die Landwirte beim Wasserpumpen unterstützt, und das rund um die Uhr“, berichtet Volker Scheib. „Das war ein zehnjähriges Hochwasser, das nicht so selten auftritt“, stellt Florian Olf fest. Aber dieses Mal habe das Wasser auf Flächen gestanden, die ansonsten nicht betroffen seien.

Das bestätigt der Bibliser Ortslandwirt Dirk Müller. Und noch etwas sei auffällig: Im vergangenen Dezember habe es bereits Hochwasser gegeben. Auch da sei Wasser vom Kraftwerk auf die Felder geflossen - ebenfalls auf Flächen, die bislang vom Rheindruckwasser nicht erreicht wurden. Er habe den Bürgermeister darüber informiert, sagt Müller. Volker Scheib bestätigt das. Er habe auch bei RWE nachgefragt, was die Ursache sei. Die Situation im Juni sei eine ganz andere gewesen, als im vergangenen Dezember, sagt RWE-Sprecher Alexander Scholl. Ein solches Ausmaß sei im Winter nicht zu erkennen gewesen.

Suche nach den Ursachen und Sammeln von Daten

Während der ehemalige Kraftwerksbetreiber nun nach den möglichen Fehlerquellen im Erdreich sucht - immerhin waren die abgerissenen Kühltürme früher durch Leitungen mit dem Rhein verbunden, haben die Landwirte die Hochwasserschäden dokumentiert. „Bis Ende Juli haben die Bauern eine Liste zusammengestellt und den Gutachter mit Daten gefüttert“, sagt Volker Scheib.

„Es tut weh, die Pflanzen standen gerade im Saft“, sagt Dirk Müller. Ob Zuckerrüben, Mais, Getreide, aber auch Grünland - was zu lange im Wasser stand, sei nicht mehr zu retten gewesen, fügt Florian Olf hinzu. Und was jetzt noch gut aussehe, könne doch Schaden genommen haben, der in einigen Wochen erst sichtbar werde. „Es steht immer noch Wasser auf einigen Flächen“. Ob darauf zum Beispiel der Winterraps ausgesät werden könne, sei äußerst fraglich.

Rasche Entschädigung, um Rechnungen bezahlen zu können

Beide Ortslandwirte wollen die differenzierte Betrachtung der Schäden. Sie wollen wissen, welche Ernteausfälle aufgrund des Druckwassers vom Kraftwerksgelände entstanden sind. Ob das gelingt? Auf das erste Ergebnis Mitte August sind sie schon gespannt. „Wir könnten den Gesamtschaden auch einfach dem Land Hessen melden. Das würde dann aber nur die Steuerzahler treffen“, gibt Olf zu bedenken. Andererseits könnte das Land Hessen versuchen, sich einen Teil der Entschädigung von RWE zurückzuholen. Auf jeden Fall bräuchten die Bauern schnell Unterstützung, um fällige Rechnungen wie die Pacht für ihre Äcker zu bezahlen. „Bei vielen Landwirten steht die Liquidität vor der Rentabilität.“

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