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Abriss des Bibliser Kernkraftwerks: So wurde der Kühlturm zum Einsturz gebracht

Seit fünf Jahren läuft der Abbau des Bibliser Kernkraftwerks - und das einigermaßen unauffällig. Nun wird der Abriss offensichtlich: Kraftwerksbetreiber RWE hat den ersten Kühlturm kontrolliert in sich zusammenfallen lassen

Von 
Bernhard Zinke
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Die Überreste des gefallenen Kühlturms auf dem Gelände des Kernkraftwerks in Biblis. © Bernhard Zinke

Biblis. Stundenlang klingt das Hämmern des mächtigen Baggermeißels über den Rhein. Dutzende Schaulustige haben sich am rheinhessischen Ufer versammelt, um sich von der seit Jahrzehnten gewohnten Kulisse zu verabschieden. Am Ende ist es eine Sache von Sekunden. Um 11.29 Uhr knickt der 80 Meter hohe Kühlturm - von rheinhessischer Seite aus betrachtet - leicht nach rechts ein und sackt dann in sich zusammen.

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Als sich die Staubwolke über die Felder in Richtung Norden verzogen hat, wird deutlich: Der Bauschutt liegt nahezu komplett im Inneren des ehemaligen Kühlturms. Die umliegenden Gebäude und Strommasten haben keinen Schaden genommen. Auch hat der Erdboden nicht merklich gebebt: Erstaunlich genug, angesichts der Tatsache, dass gerade 15 000 Tonnen Beton und Stahl in sich zusammengefallen sind. Das niederländische Spezialabbruchunternehmen Laarakkers Democom, das wochenlang organisatorisch und praktisch an dem kontrollierten Einsturz des Bauwerks gefeilt hat, hat ganze Arbeit geleistet.

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Abriss läuft bereits seit 2017

Mit dem spektakulären Abbruch des ersten Kühlturms wird nun auch nach außen hin sichtbar, was bereits seit Sommer 2017 läuft: Das Kernkraftwerk Biblis wird langsam, aber sicher abgerissen. Tatsächlich hatte es zu Beginn der Rückbauarbeiten bei RWE noch geheißen, dass sich die Silhouette des Kraftwerks bis zum geplanten Schluss der Arbeiten im Jahr 2032 nicht verändern werde. Kraftwerkssprecher Alexander Scholl bestätigt, dass dies tatsächlich zunächst der Plan gewesen sei. Nun habe sich jedoch die Situation ergeben, dass man doch schon jetzt die Kühltürme beseitigen könne. „Wir wollen damit auch ein sichtbares Zeichen setzen“, so Scholl.

Wir wollen damit auch ein sichtbares Zeichen setzen
Alexander Scholl Sprecher des Bibliser Kernkraftwerks

Als Abbruchvariante wählte der Konzern einen kontrollierten Einsturz der Kühltürme. Damit geht RWE einen anderen Weg als beispielsweise der Mitbewerber EnBW beim Kraftwerk im nordbadischen Philippsburg. EnBW hatte im Mai 2020 beide Kühltürme sprengen lassen, um zügig Platz für ein Gleichstrom-Umspannwerk zu schaffen, mit Hilfe dessen erneuerbare Energien aus dem Norden Deutschlands in die Netze von Süddeutschland eingespeist werden können.

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Doch lasse sich die Situation in Philippsburg nicht mit Biblis vergleichen, erläutert Scholl. In Biblis gebe es in nächster Nähe Stromleitungen und Gebäude. Deshalb habe man sich für die Variante des kontrollierten Einsturzes entschieden. Außerdem habe RWE mit dieser Technik in Mülheim-Kärlich 2019 gute Erfahrungen gemacht. Dass der benachbarte Kühlturm von Block A nicht gleich mit zum Einsturz gebracht wurde, sei Sicherheitsgründen geschuldet. Der zweite Turm werde noch im Laufe dieses Monats fallen. Ein genaues Datum kann Scholl allerdings noch nicht nennen. Die Kühltürme von Block B, die im südlichen Teil der Anlage stehen, sollen im Lauf des kommenden Jahres verschwinden.

Sollbruchstellen geschaffen

Seit einigen Tagen sind die Mitarbeiter des Abbruchunternehmens an dem Turm zugange gewesen. Sie haben lange Schlitze in die Außenhülle des Turms geschnitten. Das sind die Sollbruchstellen. Schließlich geht es darum, die Struktur des Bauwerks zu schwächen und zugleich die Richtung des Einsturzes zu lenken. Am Donnerstagmorgen halten nur noch sechs Stützen im Inneren des Turms die Konstruktion aufrecht. Diese werden dann im Lauf des Donnerstags mit einem ferngesteuerten Bagger von außen durch die Löcher im unteren Bereich des Turms weggemeißelt. „Ab der vierten Stütze könnte es spannend werden“, gibt RWE-Sprecher Alexander Scholl die Informationen der Statiker während der Arbeiten weiter.

30 000 Tonnen Bauschutt fließen als Wertstoffe in die Beton- und Zementproduktion

Deswegen ist es keineswegs klar, wann der Turm letztlich genau fällt. Er bleibt standhaft bis fast zum Schluss. Erst als der Bagger die sechste Stütze weghämmert, bricht das Gebäude schließlich zusammen. Jetzt bleibt der Bauschutt liegen, bis der zweite Block ebenfalls gefallen ist. Danach will RWE die insgesamt 30 000 Tonnen Material noch einmal untersuchen. Sie sollen in den Wertstoffkreislauf fließen. Die größeren Bruchstücke sind als Kiesersatz in der Betonproduktion vorgesehen, das feinere Material wird voraussichtlich als Zuschlagstoff in der Zementindustrie verwendet.

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Da die Kühltürme niemals mit radioaktiver Strahlung in Verbindung gekommen sind, muss dieser Bauschutt auch nicht deponiert werden wie das Abbruchmaterial aus den Kontrollbereichen der beiden Blöcke. Hierfür suchten der Kreis Bergstraße und das Regierungspräsidium vergeblich eine Deponie in Deutschland, die das Material annimmt. Derzeit ist eine Deponie in Büttelborn (Kreis Groß-Gerau) ausgewählt. Doch der Protest vor Ort ist massiv.

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