Mobilität

Verkehrsprobleme in Weinheim - das sind die Fakten

Keine „gefühlten Wahrheiten“, sondern Fakten: Experten haben die Ergebnisse von Verkehrszählungen und einer repräsentativen Haushaltsbefragung in Weinheim vorgestellt. Wie es jetzt weitergeht.

Von 
Carsten Propp
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Die Mannheimer Straße in Weinheim ist für Radfahrer ein gefährliches Pflaster, obwohl es einen Schutzstreifen für sie gibt. © Fritz KOPETZKY

Weinheim. Erstmals liegen jetzt für die Stadt Weinheim die Ergebnisse umfangreicher Verkehrszählungen und einer repräsentativen Haushaltsbefragung sowie die Analyse von Experten zu den drängendsten Verkehrsproblemen vor. Also keine „gefühlten Wahrheiten“, die jeder Verkehrsteilnehmer kennt, sondern Fakten. Einige der Ergebnisse, auf deren Basis bis Ende 2026 der „Nachhaltige Mobilitätsplan Weinheim 2040“ entwickelt werden soll, lassen durchaus aufhorchen.

Die Redaktion hat sich die Präsentation der Verkehrsexperten des Planungsbüros R+T aus Darmstadt einmal genauer angeschaut – zusammen mit knapp 50 interessierten Bürgern, die diese Woche zur Öffentlichkeitsveranstaltung in die Stadthalle gekommen waren. An 5.000 Haushalte wurden Fragebögen verschickt, 1.552 Personen nahmen daran teil. Damit ist die Haushaltsbefragung repräsentativ.

Die Mehrheit ist mit dem Auto unterwegs

Bei der Frage nach dem genutzten Verkehrsmittel ergibt sich folgender Status quo: 53 Prozent nutzen das Auto (davon 7 Prozent als Mitfahrer), 19 Prozent sind mit dem Rad unterwegs, 17 Prozent gehen zu Fuß, 11 Prozent nutzen den ÖPNV. „Beim Radverkehr und beim ÖPNV gibt es noch Luft nach oben“, sagt Verkehrsplaner Sebastian Hofherr dazu, auch wenn die Werte im Vergleich mit anderen Städten ähnlicher Größe gar nicht schlecht seien.

Aber vor allem beim Radwegenetz müsse sich noch eine Menge ändern. Das zeigt einerseits die Haushaltsbefragung: Nur wenige Befragte bewerten den Zustand und die Wegeführung im Radverkehr als attraktiv (6 Prozent) und sicher (9 Prozent). Kein anderes Verkehrsmittel schneidet schlechter ab. Bei Fußgängern sind es zum Beispiel 21 Prozent, die das Angebot als attraktiv, beziehungsweise 44 Prozent, die das Angebot als sicher empfinden.

Die schlechten Bewertungen für den Radverkehr überraschen die Verkehrsexperten nicht. Sie haben eine lange Mängelliste im Radverkehr für Weinheim erstellt: Auf einer Länge von insgesamt 9 Kilometern stellen sie fehlende oder unzureichende Markierungen fest. Auf weiteren 8 Kilometern Länge sind die vorhandenen Radverkehrsanlagen zu schmal. Auf 20 Kilometer Länge summieren sich die Radwege mit Oberflächenschäden. Für 22 Kilometer fehlen Radverkehrsanlagen ganz. Hinzu kommen 70 Fälle, bei denen die entsprechende Beschilderung fehlt oder unzureichend ist, 30-mal fehlen Querungshilfen. Das Fazit der Experten: „Beim Radverkehr in Weinheim gibt es überdurchschnittlich viele Mängel.“

Aber auch bei den Fußwegen sehen sie Handlungsbedarf. Auf 21 Kilometer summiert sich zum Beispiel die Länge der Gehwege, die zu schmal sind. Auf 20 Kilometern Länge gibt es Behinderungen durch Gehwegparken. An 35 Stellen fehlen Querungshilfen. 65-mal mangelt es an der Barrierefreiheit.

ÖPNV: Takt und Preise stehen ebenfalls in der Kritik

Das ÖPNV-Angebot wird insgesamt besser von den Bürgern und den Experten bewertet. Vor allem die RNV-Linie 5 wird als echter Pluspunkt für Weinheim gesehen. Die Anbindung der Ortsteile schneidet da schon deutlich schlechter ab, was keine Überraschung ist. Kritik gibt es bei der Umfrage vor allem an der Taktdichte und an den Preisen. Dass künftig in Bussen und Bahnen nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden kann, war eine der kritischen Rückmeldungen von Bürgern, die in die Stadthalle gekommen waren. Damit würden vor allem Senioren ausgegrenzt und von der Nutzung des ÖPNV abgeschreckt.

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Spannende Ergebnisse liefern die Verkehrszählungen im Hinblick auf alternative Routen im übergeordneten Verkehrsnetz: So nutzen im Durchschnitt 32.000 Verkehrsteilnehmer pro Tag den Saukopftunnel und 11.000 Kfz die Birkenauer Talstraße. Die Kreisverbindungsstraße K 4229 im Norden Weinheims wird von 15.000 Kfz pro Tag befahren, die B 3 nach Sulzbach nur noch von 6.000. Zum Vergleich: Zwischen Weinheim und Hemsbach (und umgekehrt) sind auf der A 5 pro Tag 75.000 Kfz unterwegs.

Ein hohes Verkehrsaufkommen verzeichnen die Müllheimer/Gorxheimer Talstraße (7.000 Kfz pro Tag) und die Tal-/Odenwaldstraße von Großsachsen nach Oberflockenbach/Rippenweier (6.000). Die Experten attestieren Weinheim dennoch einen „guten Verkehrsablauf im Stadtgebiet“. Allerdings ist auch ihnen nicht entgangen, dass es etliche ungünstige Ampelschaltungen gibt und bei Störungen auf den übergeordneten Straßen der innerstädtische Verkehr stark beeinträchtigt wird. Kurios: Ausgerechnet zur Öffentlichkeitsveranstaltung in der Stadthalle war der Saukopftunnel nach einem Unfall gesperrt; dementsprechend stauten sich die Autos (nicht nur) in der Birkenauer Talstraße.

Neben den zahlreichen Tempo-30-Zonen und schlechten Ampelschaltungen sind bei Autofahrern die Parkplätze in der Innenstadt immer ein Thema. Insgesamt stehen dort 1.449 Stellplätze zur Verfügung, davon 498 am Straßenrand, 333 auf oberirdischen Parkplätzen und 618 in Parkhäusern/Tiefgaragen. Die Auslastung ist jedoch höchst unterschiedlich (Zahlen für den Vormittag): Nur 7 Prozent der Parkplätze am Straßenrand sind im Schnitt frei, aber 36 Prozent der Stellplätze auf den Parkplätzen und 56 Prozent in den Parkhäusern.

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