Kommunales

So denken Bürgermeister im Rhein-Neckar-Kreis über Anwerbeprämien

Der Kampf um Fachkräfte macht auch vor Kommunen nicht Halt. Doch sollten Gemeindemitarbeiter deshalb Prämien für die Empfehlung neuer Kollegen bekommen oder führt das zu mehr Konkurrenz? Wir haben uns umgehört

Von 
Filip Bubenheimer
Lesedauer: 
Andere Kommunen zahlen Anwerbeprämien von 1000 Euro an Mitarbeiter, die neue Kollegen empfehlen. © Monika Skolimowska

Rhein-Neckar-Kreis. Im Ilvesheimer Gemeinderat stand im Februar ein Vorschlag zur Debatte, der eine neue Runde im kommunalen Wettstreit um Fachkräfte eröffnet hätte: 1000 Euro, so der Grünen-Antrag, sollten Gemeindemitarbeiter für die Empfehlung eines neuen Kollegen erhalten. Bislang setzt keine Kommune in dem Dreieck Ludwigshafen-Weinheim-Heidelberg auf eine derartige Anwerbeprämie, die in der Praxis häufig auch eine Abwerbeprämie sein dürfte. Auch der Ilvesheimer Gemeinderat konnte sich nicht mit dem Vorschlag anfreunden. Man müsse auf die „Spielregeln“ des Wettbewerbs mit anderen Kommunen achten, mahnte etwa Bürgermeister Thorsten Walther (SPD).

Walther ist nicht der einzige Bürgermeister, der befürchtet, dass die Kommunen der Region einen immer teureren Konkurrenzkampf um Mitarbeiter ausfechten - und dass die kleineren Gemeinden dabei den Kürzeren ziehen. „Diese Gefahr besteht“, sagt Florian König (CDU), Bürgermeister von Edingen-Neckarhausen, dem „MM“ auf Anfrage. „Extrem schwierig“ sei es für die kleineren Gemeinden auf „monetärer Basis“ zu konkurrieren. Sein Heddesheimer Amtskollege Achim Weitz (parteilos) warnt vor einer „Überbietungsmentalität“ der Kommunen. Noch, so die drei Bürgermeister, sei die Bewerberlage bei ihnen aber nicht kritisch.

Mehr zum Thema

Kommunalpolitik

Edingen-Neckarhausen sucht dringend einen Tiefbau-Experten

Veröffentlicht
Von
Hans-Jürgen Emmerich
Mehr erfahren

Zumindest was die Ausschreibung von Anwerbeprämien angeht, zeigt eine Abfrage bei den Kommunen zwischen Ludwigshafen, Weinheim und Heidelberg bisher keine „Überbietungsmentalität“. Auf der Tagesordnung steht sie offenbar nirgendwo. „Inwieweit eine künftige Einführung infrage kommt, ist offen“, teilt der Rhein-Neckar-Kreis mit. Nachgedacht wird darüber mancherorts aber schon. Die Prämie spiele „bei unseren Überlegungen durchaus eine Rolle“, heißt es von einer Gemeinde. Walther, König und Weitz zumindest halten nichts von den Prämien. „Das Geld sollte man lieber in die Personalkosten stecken“, sagt Walther.

König bezeichnet es als „ungeschriebenes Gesetz“, dass die Gemeinden nicht aktiv voneinander abwerben. Doch Prämien könnten ihre Mitarbeiter ermutigen, potenzielle Kollegen nicht nur in der Privatwirtschaft anzusprechen, sondern auch bei Nachbarkommunen und freien Trägern, die öffentliche Aufgaben erbringen. Die Stadt Stuttgart musste im Dezember Pläne für eine Anwerbeprämie von 1000 Euro entschärfen, nachdem sich kirchliche Kita-Träger über „Kannibalisierung“ beschwert hatten. Jetzt soll die Prämie nicht fließen, wenn angeworbene Mitarbeiter vorher bei freien Trägern in der Landeshauptstadt gearbeitet haben. Auch die bayerische Alpengemeinde Murnau bemüht sich, den Nachbarschaftsfrieden zu schonen: Eine 2000-Euro-Anwerbeprämie für Kita-Personal zahlt sie nur, wenn die neuen Mitarbeiter vorher außerhalb eines 25-Kilometer-Radius tätig waren.

Für Zulagen fehlt das Geld

Eine Prämie hier und da würde die Gemeindehaushalte wenig belasten. Anders sieht es mit übertariflichen Zulagen aus, die Kommunen in Personalnot zunehmend gewähren. Ein Wettbewerb, wer die höchsten Zulagen zahlt, wäre „für finanzschwache Kommunen wie uns brutal“, sagt Florian König. Ohnehin fielen sie in den Haushalten kleiner Gemeinden stärker ins Gewicht. Er sei daher „überhaupt kein Freund“ von Zulagen. In Ilvesheim, sagt Thorsten Walther, fehle für Zulagen das Geld. Außerdem sei es wichtig, ein gerechtes „Gesamtgefüge“ innerhalb der Belegschaft zu erhalten.

Damit der Überbietungswettbewerb nicht ausufert, dürfen Kommunen übertarifliche Zulagen nur zahlen, soweit die Richtlinien des kommunalen Arbeitgeberverbands dies erlauben. Aktuell darf einzelnen oder Gruppen von Beschäftigten eine Arbeitsmarktzulage von bis zu 20 Prozent der zweiten Erfahrungsstufe gewährt werden. Ein IT-Administrator in Entgeltgruppe 11, Stufe 1, kann so zusätzlich zum Grundgehalt von gut 4000 Euro eine Arbeitsmarktzulage von bis zu 900 Euro erhalten. Außerdem dürfen ab Entgeltgruppe E 5, ab der in der Regel eine Berufsausbildung vorausgesetzt wird, Fachkräftezulagen von bis zu 1500 Euro gezahlt werden.

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen und auch der Rhein-Neckar-Kreis zahlen manchen Mitarbeitern übertarifliche Zulagen. Bei den kleineren Städten und Gemeinden ist das Bild gemischt. In Dossenheim, Heddesheim, Ladenburg, Viernheim und Weinheim gibt es sie; in Edingen-Neckarhausen, Hirschberg, Ilvesheim und Schriesheim dagegen nicht. Was Höhe und Häufigkeit angeht, halten sich die Kommunen bedeckt. Die Stadt Mannheim teilt mit, Zulagen fänden vor allem im technischen Bereich, außerdem bei Juristen und Ärzten Anwendung. Einen „restriktiven Gebrauch“ mache man von Zulagen, heißt es aus Ludwigshafen; „nur in Ausnahmefällen“, etwa im IT-Bereich, gibt es sie beim Rhein-Neckar-Kreis. In Heddesheim werde „in wenigen Sonderfällen“ über dem Tarif gezahlt, so Bürgermeister Weitz. Ähnlich äußern sich auch andere Kommunen, die Zulagen gewähren.

Eingruppierung in höhere Entgelltgruppen bedenken

Auf jeden Fall dürften sich Zulagen in nächster Zeit weiter etablieren. Im Juni ließ sich die Heidelberger Stadtverwaltung vom Gemeinderat freie Hand zur Zahlung der Arbeitsmarktzulage geben; im Dezember sagte Dezernentin Martina Pfister (Grüne) der „Rhein-Neckar-Zeitung“ mit Blick auf den Personalmangel in der Ausländerbehörde: „Wir zahlen Zulagen, wo es geht.“ Nun will die Stadt Zulagen auch für Kita-Fachkräfte prüfen. Das Risiko eines lokalen Konkurrenzkampfs ist der Stadt bewusst - für Kita-Fachkräfte werbe sie daher „im Schulterschluss“ mit freien und privaten Trägern. Außerdem bemühe sie sich, überregional zu rekrutieren.

Dass die Bezahlung die Lage auf dem Arbeitsmarkt abbilden muss, bestreitet auch Thorsten Walther nicht. „Innerhalb des Tarifvertrags kann man gerne alle Spielräume nutzen“, betont er. In Ilvesheim habe man dank solcher Spielräume etwa Bauhofhelfer in eine höhere Entgeltgruppe eingeordnet. Insofern sei auch nichts dagegen einzuwenden, dass in Mannheim Erzieher in sozial benachteiligten Vierteln höher eingruppiert werden - in S 8b statt S 8a. Je nach Erfahrungsstufe beträgt der Unterschied zwischen 65 und 500 Euro. Auch die Heidelberger Verwaltung erwägt, Erzieher nach S 8b zu bezahlen. Laut der Stadt Mannheim werden höhere Eingruppierungen auch für andere Mangelberufe, etwa Ingenieure, angeboten - ebenso wie unbefristete Einstellungen trotz befristeten Bedarfes.

„Weiche Faktoren“ ausspielen

Kleineren Gemeinden, erst recht den finanzschwachen, bleibt nur, ihre eigenen Stärken auszuspielen. Laut König und Weitz sind dies vor allem die „weichen Faktoren“: In Edingen-Neckarhausen könne man ein „familiäres Umfeld“ bieten, sagt König. Mitarbeiter erhielten eine unmittelbare Rückmeldung und spürten: „Ich werde gebraucht.“

Weitz hat einige Jahre bei der Stadt Köln gearbeitet und kennt daher den Unterschied zwischen Metropolen- und Kleinstadtverwaltung. „Man hat natürlich in einer großen Verwaltung viel mehr Möglichkeiten“, sagt Weitz. Dort seien ständig interessante Stellen zu besetzen, allerdings fehle es auch an Kontinuität: Ständig werde man eingearbeitet - oder arbeite jemanden ein.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen