Natur

Schriesheim: Junge Jägerin räumt mit Vorurteilen auf

Die 16-jährige Schriesheimerin Hannah Bielig ist Jungjägerin. Wieso sie Durchsetzungsvermögen braucht und trotz ihrer Passion lieber Winzerin werden möchte.

Von 
Melissa Richter
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Hannah Bielig ist mit den Familienhunden – den Dackeln Quitte und Brax sowie dem Pudelpointer Aslan in der Mitte – oft im Wald unterwegs. Die Vierbeiner unterstützen sie bei der Jagd. © Philipp Reimer

Schriesheim. Die ersten Sonnenstrahlen tanzen über den Baumkronen, der Tau fällt von den Blättern und die Vögel fangen an zu zwitschern. Während Mutter Erde gerade erwacht, sitzt Hannah Bielig putzmunter in „ihrem“ Hochsitz. Die Natur ist das zweite Zuhause der 16-Jährigen: Wenn sie nicht in der Schule ist, findet man sie im Wald. Hannah ist Jägerin in vierter Generation. „Für mich war es selbstverständlich, den Jugendjagdschein zu machen“, sagt die Schülerin und erklärt: „Seit ich fünf Jahre alt bin, gehe ich mit meinem Vater in den Wald.“

Damit ist die Schülerin eine der Ausnahmen. Allein schon, weil sie weiblich ist. Statistiken des Deutschen Jagdverbands (DJV) zeigen: Ihr Anteil liegt bei elf Prozent. Doch gerade beim weidmännischen Nachwuchs ändert sich das mit dem Frauenanteil. Denn beim „Grünen Abitur“, also dem Jugendjagdschein, machen sie mittlerweile schon mehr als ein Viertel aus. Die jüngste Zahl stammt hierbei aus einer DJV-Befragung aus dem Jahr 2021.

Jungjägerin mit Leidenschaft und Wissensdurst

In jungen Jahren, das ist auch bei den Weidmännern so, braucht man etwas mehr Durchsetzungsvermögen: „Man muss Biss haben. Viele Ältere denken, sie wissen es besser als ein junges Mädchen, das frisch den Jagdschein gemacht hat.“ Doch die Jungjägerin kann sich mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung beweisen – schließlich wurde ihr die Liebe zu Mutter Erde in die Wiege gelegt.

Schon mit elf Jahren hat Hannah die Unterlagen zum Lernen für den Jugendjagdschein geschenkt bekommen – und zwar auf eigenen Wunsch. Auch wenn sie mit dem Grünen Abitur erst mit 15 Jahren anfangen konnte. Doch sie wollte schon vorher alles über die Flora und Fauna der Wälder wissen. Immer, wenn Hannah mit ihrem Vater und dessen Freunden im Wald unterwegs war, haben ihre Augen alles genau beobachtet. „Ich habe ihn andauernd genervt und jeden Tag gefragt, ob wir raus können“, erinnert sie sich.

„Natur und Tiere hängen zusammen. Ich finde, das eine geht nicht ohne das andere“, sagt Hannah. Was viele Jugendliche gar nicht mehr kennen, ist für die Realschülerin eine ganz normale Situation. Zum Beispiel, wenn sie zwischen den Weinreben steht und ein Reh wiederentdeckt, das sie schon Tage zuvor im Wald herumhüpfen sehen hat. Sie kennt das Revier gut, denn ihr Vater ist der Jagdpächter – allein deswegen ist sie oft mit dabei. „Wir sind sozusagen die Manager des Gebiets“, erklärt die Schülerin.

Solche Motive macht Hannah Bielig vom Hochsitz aus. © Hannah Bielig

Damit sind auch die Hunde der Familie, die zwei Dackel Quitte und Brax sowie der Pudelpointer Aslan, gemeint. Sie folgen der 16-Jährigen auf das Wort und unterstützen sie – beispielsweise beim Aufspüren von Wildtieren. „Schon wenn wir in Richtung Tür laufen, gibt es für die Hunde nur ein Ziel: mit rauszugehen“, erklärt sie mit einem Schmunzeln im Gesicht. Mit 16 Jahren durfte Bielig dann zur Jägerprüfung antreten. Diese ähnelt dem Führerschein in vielen Aspekten, ob in puncto Eignungstests oder Lernmethoden.

Herausforderungen und Kosten der Jägerprüfung im Überblick

Ein Teil des Leistungsnachweises ist die mündliche Prüfung. Bei dieser werden aus fünf Fächern, wie zum Beispiel Waffenkunde und deren Handhabung, je 15 Minuten Fachwissen abgefragt. Die Theorie beinhaltet 1.250 Fragen, von denen die angehenden Jäger 125 schriftlich beantworten müssen. Diese können wie bei der Fahrschule mit einer App auswendig gelernt werden. Letzter Teil ist die Schießprüfung. Der Preis für die gesamte Jägerprüfung lag laut dem DJV im Jahr 2021 durchschnittlich bei 2.160 Euro. „Mein Schein hat circa 2.500 Euro gekostet“, so das Naturtalent. Obwohl Hannah den Schein in der Tasche hat, darf sie mit ihren 16 Jahren natürlich noch nicht alles, was ein erwachsener Jäger darf: „Wenn ich als Jägerin im Wald unterwegs bin, muss ein Erwachsener mit Jagdschein dabei sein“, weiß sie und fügt hinzu: „Ich darf keine eigene Waffe oder einen Code zum Waffenschrank besitzen.“

Jagd als nachhaltige Pflege des Wildbestands

Natürlich kennt Hannah auch die Stereotype, die es heutzutage in Teilen der Gesellschaft gegen Jäger gibt. Aber entgegen der Vorurteile gehe es bei der Jagd nicht ums Töten. Stattdessen geht es um die Hege und Pflege des Wildbestands. Dazu gehört unter anderem auch das Füttern: „Wir achten zum Beispiel darauf, dass die Wildtiere genug Mineralien haben.“ Geschossen wird in solchen Fällen, in denen die Tiere zu krank sind oder es zu viele von einer Sorte und damit Stress im Revier gibt. Oder wie die 16-Jährige es besser formuliert: „Damit der Zuwachs der Tiere im Revier nicht das friedliche Miteinander stört.“

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Demnach geht es bei redlichen Jägern auch nicht ums Fleisch. Dass wirklich ein Wild erlegt wird, das kommt bei Hannah und ihrem Vater nur bei jedem zehnten bis fünfzehnten Waldbesuch vor. Und auch dann ist es der Schülerin wichtig, dass beim Zerlegen nichts verschwendet wird: „Deswegen ist unsere Gefriertruhe immer voll.“

Zwischen Fernglas und Weinreben: Hannahs Doppelleben

Der Alltag im Wald sieht anders aus: Die meiste Zeit verbringt Hannah mit dem Warten und dem Beobachten – und das kann ganz schön lange dauern. „Manchmal schmuggle ich heimlich ein Buch mit auf den Hochsitz und lese“, verrät sie und erzählt weiter: „Aber meistens sitze ich mit dem Fernglas in der Hand da und warte, bis mir die Tiere vor die Linse laufen.“ Häufig filmt oder fotografiert Bielig die Natur und die Tiere – sie hat auf ihrem Handy extra einen Ordner nur für diese Schnappschüsse angelegt.

Trotz ihrer Leidenschaft möchte Bielig keine Berufsjägerin werden. „Es ist mir zu einseitig“, sagt sie und erklärt: „Ich möchte das Jagen nicht als Verpflichtung sehen, sondern als etwas Freiwilliges.“ Viel lieber will die Zehntklässlerin nach ihrem Realschulabschluss eine Ausbildung zur Winzerin machen. Das Ziel: den Hof ihrer Eltern übernehmen und weiterführen. Schon jetzt hilft sie auf deren Weingut in Schriesheim mit und lernt so ihre späteren Aufgaben kennen. Für sie ist klar: Das Winzersein geht nicht ohne das Jagen – und andersherum. „Schließlich sind die Weinreben auch Natur und ein Lebensraum für die Wildtiere.“

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