Kommunalpolitik

In Schriesheim explodieren die Schulden

Das Statistische Landesamt hat jetzt Zahlen zur Verschuldung der Kommunen vorgelegt. Warum Schriesheim so viele Schulden hat, und wie es in Edingen-Neckarhausen, Heddesheim, Hirschberg, Ilvesheim und Ladenburg aussieht

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Hans-Jürgen Emmerich
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Idyllischer Blick auf Schriesheim: Die Finanzlage der Weinstadt ist allerdings alles andere als rosig, wie Zahlen des Statistischen Landesamtes zeigen. © Hans-Jürgen Emmerich

Schriesheim. Das Statistische Landesamt hat jetzt Zahlen zur Verschuldung der Städte und Gemeinden für 2022 vorgelegt. Trauriger Spitzenreiter in den Städten und Gemeinden zwischen Neckar und Bergstraße ist die Weinstadt Schriesheim. Mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 2427 Euro steht sie auch landesweit ganz vorn. Hier liegt der Durchschnitt bei rund 1400 Euro.

Wenn es um die Schulden der Kommunen geht, werden häufig nur die so genannten Kernhaushalte beleuchtet. In die zitierte Statistik fließen aber auch ausgelagerte Bereiche ein, also etwa Versorgungswerke. Schriesheim hatte 2000 die WVE (Wasserversorgungs- und -entsorgungsgesellschaft) gegründet, zusammen mit der Mannheimer MVV und der AWS Gelsenkirchen. Die Anteile der MVV gingen 2016 an die hundertprozentige Tochter Netrion über. Die Stadt ist mit 51 Prozent Mehrheitseigner.

Seit 2017 ist die Verschuldung von Schriesheim fast kontinuierlich angestiegen, hat sich sogar nahezu verdoppelt. Landesweit bewegt sich die Stadt an der Spitze, und zwar im oberen Zehntel. Eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung haben etwa Mannheim (7706 Euro) und Heidelberg (5928 Euro), aber auch Walldorf (5583 Euro) und Leimen (3340 Euro).

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Bei den Nachbarn sieht es deutlich besser aus. So hat Edingen-Neckarhausen im vergangenen Jahr wieder den Stand von 2017 erreicht, diesen sogar geringfügig unterschritten. In Heddesheim ist es indes gelungen, die Pro-Kopf-Verschuldung trotz erheblicher Investitionen zu verringern, und zwar um rund 16 Prozent auf jetzt noch knapp 700 Euro. Umgekehrt sieht es in Hirschberg aus, wo der Schuldenstand fast durchgehend gewachsen ist. Kontinuierlich gesunken ist die Pro-Kopf-Verschuldung in der Stadt Ladenburg. Hier steht jeder Einwohner mit 624 Euro in der Kreide.

Edingen-Neckarhausen nimmt nach Schriesheim und Weinheim den dritten Platz in der Region ein, allerdings mit deutlichem Abstand. Hier lag der Schuldenstand zuletzt bei 817 Euro pro Nase, etwas weniger als noch im Jahr 2017. Die weitaus niedrigste Verschuldung je Einwohner hat Ilvesheim. Dort sind es zwar deutlich mehr als 2017, aber trotzdem nur 203 Euro. Damit rückt die Inselgemeinde aktuell nahe an die 93 Gemeinden Baden-Württembergs, die zum 31. Dezember 2022 schuldenfrei waren.

Ausreißer in der Statistik

Einen Ausreißer weist die Statistik des Landesamtes für das Jahr 2021 in Edingen-Neckarhausen aus. Da sollen es 21,9 Millionen Euro gewesen sein, rund zehn Millionen mehr als im Jahr davor und danach. „Ich kann mir da keinen Reim drauf machen“, erklärte Kämmerer Claus Göhrig dem „MM“ auf Nachfrage. Plausibel wäre ein schlichter Übertragungsfehler. Nimmt man statt der zwei eine eins vorne, dann passen absolute und relative Zahlen in die Reihe. Das haben wir auch in der Grafik berücksichtigt. Das Landesamt sagte auf Anfrage eine Prüfung der Zahl zu.

Und was sagt die Stadt Schriesheim zu ihrem Schuldenrekord? „Die Gemeinde hat ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Pro-Kopf-Verschuldung sei „lediglich ein einzelner Indikator, der die Verschuldung einer Stadt abbildet“. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren zahlreiche zwingend notwendige Investitionen zur Erfüllung von Pflichtaufgaben getätigt, welche zwangsläufig zu einer Steigerung des Schuldenstands geführt hätten. In den Haushaltsplänen der vergangenen Jahre seien stets Investitionen von zehn und mehr Millionen Euro enthalten gewesen. Maßgeblichen Anteil daran habe die Sanierung des Kurpfalz-Gymnasiums mit einem geplanten Kostenrahmen von 21 Millionen Euro sowie der Straßenbau und der Neubau von Kindergärten.

Die mittelfristige Finanzplanung sehe bis zum Jahr 2026 geplante Investitionen von insgesamt etwa 27 Millionen Euro für beispielsweise den Kindergartenneubau oder den Neubau eines Rückhaltebeckens vor. „Eine Reduzierung der Verschuldung wäre zweifelsohne wünschenswert, ist jedoch vor dem Hintergrund der in den kommenden Jahren zu bewältigenden Pflichtaufgaben nicht realistisch“, schreibt die Stadt.

Aus Unterlagen der Stadt geht hervor, dass sie in den kommenden Jahren mit einem weiteren drastischen Anstieg der Verschuldung rechnet. So soll der Schuldenstand von 2022 bis 2023 um rund zehn Millionen Euro und bis 2029 um weitere zehn Millionen Euro steigen. Erst ab 20230 wäre demnach ein langsamer Rückgang der Kreditsumme zu erwarten. Gerne hätten wir auch Bürgermeister Christoph Oeldorf zu dem Thema gehört, doch er befindet sich noch bis Ende August in Urlaub.

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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