Serie "Abgefahren"

Ausflüge mit der Bahn: Auf den Kreuzberg bei Hemsbach

In loser Folge stellen wir Ausflugsziele vor, die bequem per Bahn zu erreichen sind. Wir beginnen mit der Weinstadt Hemsbach an der nördlichen badischen Bergstraße

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Die Bäume auf dem Kreuzberg ragen weit in den Himmel. © Hans-Jürgen Emmerich

Der Ausflug in Kürze

  • Bahnfahrt: nach Hemsbach,  RE 60, RB 67 oder S 6 ab Ladenburg in 10 bis 14 Minuten;    RE 60 oder S 6 ab Mannheim Hbf in 27 bis 30 Minuten)
  • Umstieg: ohne
  • Ticket: Tages-Ticket Familie, 11,80 Euro (VRN)
  • Einkehrmöglichkeit unterwegs: Watzenhof in Balzenbach (Mittwoch bis Freitag ab 17 Uhr, Samstag und Sonntag ab 12 Uhr)
  • Wanderung: ca. 11 km (drei Stunden), ähnliche Tour auf Komoot
  • Eintritt: frei

 

 

Neckar-Bergstraße. Wir beginnen unsere Reihe „Abgefahren“ mit einem Abstecher an die nördliche badische Bergstraße. Egal ob S-Bahn, Regionalbahn oder Regional-Express: Am Bahnhof der Weinstadt Hemsbach halten alle Nahverkehrszüge. Von hier aus startet unsere knapp dreistündige Wanderung, Pausen nicht eingerechnet. Beim Spaziergang durch die Bachgasse in der Altstadt ist manch malerischer Winkel zu entdecken. Etwas versteckt liegt rechterhand die ehemalige Synagoge mit der bis heute erhaltenen Mikwe.

Fertiggestellt wurde sie 1848, erbaut von der kleinen Gemeinde mit 146 Mitgliedern, im damals maßgebenden Sakralstil mit Rundbogenfenstern, umlaufendem Gesims und erhöhtem Portal. Am 10. November 1938 versuchten SA-Leute, die Synagoge zu zerstören, wurden aber von Nachbarn daran gehindert. Sie befürchteten, ihre dicht angrenzenden Gebäude würden in Mitleidenschaft gezogen. Die Inneneinrichtung wurde zerstört, aber das Gebäudeensemble mit Synagogen- und Unterrichtsraum, Lehrerwohnung und Judenbad, der Mikwe, blieb bestehen. 1980 gab es erste Versuche, das Ensemble als Gedenkstätte zu erhalten. 1983 folgte der Ankauf durch die Stadt, nach gründlicher Renovierung wurde das Gebäude 1987 als Stätte der Kultur und Erinnerung der Öffentlichkeit übergeben. Seitdem finden dort Veranstaltungen statt. Wer sich vorher beim Verein Ehemalige Synagoge anmeldet, kann die Synagoge im Rahmen einer Führung besichtigen. Die Decke des Synagogenraumes ist erhalten und erstrahlt wieder in Ihrer alten Pracht. 

Der Steinerne Gaul. © Hans-Jürgen Emmerich

Vorbei an der katholischen Kirche St. Laurentius und dem Alten Rathaus, bis heute Tagungsort des Gemeinderates, geht die Route über die Bergstraße und hinauf in den Mühlweg. Von der einstigen Mühle am Bach ist kaum noch etwas übrig, aber ein kleiner Wasserfall lässt die Kraft erahnen, die von diesem Fließgewässer einst ausging. Die schmale Straße Richtung Weiler Balzenbach verlassen wir nach ein paar hundert Metern, um den Pfad entlang des Mühlbachs zu nehmen. So erreichen wir schon bald den alten jüdischen Friedhof. Er wurde im Jahre 1674 angelegt  Auch die Toten aus den Dörfern der Umgebung wurden hier beigesetzt. Mehr als 1000 Grabsteine haben auch die Zeit der NS-Diktatur überstanden. Es sei „einer der schönstgelegenen des deutschen Westens, nicht einer der ältesten“, schrieb das Israelische Familienblatt im Sommer 1934.

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Am Gelände des Friedhofs vorbei geht es weiter Richtung Wald. Wer will, kann an dieser Stelle noch einen Abstecher zur „Himmelsleiter“ machen, einer Treppe mit vielen Stufen, die durch das Naturschutzgebiet Schafhof/Teufelsloch führt. Nächstes Ziel der Wanderung ist der Kreuzberg, eine alte Kultstätte mitten im Wald. 1347 errichteten Mönche des Klosters Lorsch eine Kapelle, die in der Folge mehrfach zerstört und wieder aufgebaut wurde. Während der Reformation zerfiel die Kapelle, aber die Wallfahrten gingen zunächst weiter, besonders nach dem Pestjahr 1635 in der Zeit der Gegenreformation. Ab 1721 gab es eine Einsiedelei. Wegen Alkoholexzessen und Krawallen wurden die Wallfahrten im 19. Jahrhundert verboten, später aber wieder aufgenommen. Nach 1860 wurden wieder die Stationsbilder des Kreuzwegs aufgestellt. Am Pfingstmontag ziehen noch heute Gläubige aus den umliegenden Gemeinden zur Messe auf den Kreuzberg. Es ist vor allem die Stille unter den mächtigen Bäumen, die eine Art natürliche Kathedrale bilden. Der ideale Platz für eine Rast.

Geschmückter Altar auf dem Kreuzberg. © Hans-Jürgen Emmerich

Frisch gestärkt geht es danach wieder bergab. Rechterhand am Wegesrand liegt schon bald ein mächtiger Stein, der an ein Pferd erinnert. Der „Steinerne Gaul“, wie er deshalb auch genannt wird, ist ein historisches Grenzzeichen aus der Karolingerzeit und markierte seit 805 das Hoheitsgebiet des Klosters Lorsch.  Für die Kelten, die Pferde verehrten, war der Ort eine Kultstätte. 

Infotafel auf dem Kreuzberg. © Hans-Jürgen Emmerich

Am Ende des Waldes angekommen, sieht man in einiger Entfernung bereits das letzte Etappenziel, den Waldner-Turm, wegen seiner steinernen Skulpturen im Volksmund auch Vierritterturm genannt. Bereits auf der Wiese hat man einen wundervollen Blick, nach Westen  in die Rheinebene bis hin zum Pfälzerwald, im Osten in den Odenwald bis zur Tromm.

Der Vierritterturm. © Hans-Jürgen Emmerich

Wer die Stufen nach oben nimmt, wird mit einem noch schöneren Blick belohnt. 1837 kaufte Graf Waldner-Freundstein den unterhalb gelegenen Schafhof und ließ den Turm  im Stil eines mittelalterlichen Wachturms errichten. Ursprünglich er mit einer heute nicht mehr erhaltenen  Küche als Rastplatz für Jagdgesellschaften, Heute ist die Wiese ein beliebter Picknickplatz.

Blick bei Sonnenuntergang vom Vierritterturm in die Rheinebene. © Hans-Jürgen Emmerich

Zur Einkehr bietet sich ein Abstecher in das ländliche Hotel-Restaurant „Watzenhof“ in Balzenbach an, das allerdings nur samstags und sonntags einen Mittagstisch anbietet. Über den Teufelslochweg geht es schließlich durch den Wald zurück und hinunter nach Hemsbach.

Das Rothschild-Schloss (Rathaus) in Hemsbach. © Hans-Jürgen Emmerich

Vor der Rückfahrt mit der Bahn empfiehlt sich noch ein Blick auf das Schloss, das heute die Stadtverwaltung beherbergt. Die vom kurfürstlichen Jagdrat Blesen 1764 erbaute Villa (mittlerer Trakt) wurde 1839 von Baron Rothschild erworben und zum heutigen Erscheinungsbild samt Park ausgebaut.

Auf der anderen Seite der Schlossgasse lädt der Biergarten der markanten Zehntscheuer zum gemütlichen Ausklang ein, allerdings meist erst ab 17.30 Uhr. Nur freitags bis sonntags  gibt es schon ab 11.30 Uhr Burger und mehr. Zurück zum Bahnhof geht es von hier in nur wenigen Minuten.

 

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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