Speyer. Trotz der kaum gekannten Austrittswelle, die das Bistum Speyer und die gesamte christliche Kirche in Deutschland aktuell erlebt: Bischof Karl-Heinz Wiesemann sagte am Montag in der Domstadt, dass er überzeugt sei, dass die Kirche nicht der Vergangenheit angehöre, sondern eine Zukunft habe. Der 62-Jährige bezog sich auf Bundeskanzler Olaf Scholz und sprach von einer Zeitenwende, die man im Bistum seit längerer Zeit als „Kulturwandel“ bezeichne. Deutlicher als früher macht sich Wiesemann für einen Prozess des Miteinanders auf allen Ebenen kirchlichen Handelns stark. Sichtbar würden diese Veränderungen sogar bereits, sagte Gaby Kemper, Vorsitzende der Diözesanversammlung, neben der Wiesemann Platz genommen hatte.
Weniger Machtgefälle, mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen - das seien Aspekte, an denen eine Entwicklung ablesbar sei. „Wir brauchen strukturelle Reformen und neue Wege - mehr Teilhabe, eine gerechte Kirche und ein klares Ja zur Vielfalt - auch im Bistum Speyer“, kommentierte sie den gegenwärtigen Prozess. Die Kirche müsse sich nach den Missbrauchsskandalen neu aufstellen.
Welche Sexualmoral hat die katholische Kirche?
Der Umgang mit der Segnung schwuler, lesbischer und queerer Menschen ist dabei weiterhin diffus. Die Glaubenskongregation in Rom hatte im März 2021 zuletzt deutlich gemacht, dass es seitens der katholischen Kirche keine Vollmacht gebe, homosexuelle Paare zu segnen.
Die Skandale sind nicht die einzige Krise, der sich die Institution seit Jahren stellen muss. Insgesamt wird die Kirche in der Bevölkerung zunehmend kritisch gesehen, wie man den Austrittszahlen sehen kann. Dabei geht es um die Rolle der Frau, um Machtmissbrauch, um die Frage, wie Priester leben sollen und welche Sexualmoral die Kirche predigt. Aber es geht auch darum, dass Menschen aus finanziellen Gründen inmitten einer Inflation keine Kirchensteuer mehr bezahlen wollen.
Eigentlich sollte der „Synodale Weg“ Antworten auf viele Frage finden, doch so „gemeinsam“ wie es das Wort Synode ausdrückt, sind die Wege nicht. Nicht nur der umstrittene Kölner Kardinal Rainer Maria Wölki, sondern auch die Bischöfe von Eichstätt, Augsburg, Passau und Regensburg begleiten den Reformprozess skeptisch bis ablehnend - und haben das auch beim Papst deutlich gemacht.
Wiesemann wehrte sich am Montag gegen Kritik aus dem Vatikan, dass der Reformprozess womöglich elitär sei. Der sogenannte Synodale Weg sei „keine Geschichte von ein paar wenigen“, so Wiesemann.
Große Aufgaben für den Speyerer Generalvikar
Die Folgen vieler Austritte muss unter anderem der „neue“ Speyerer Generalvikar Markus Magin moderieren. Magin ist als zweiter Mann hinter dem Bischof Nachfolger von Andreas Sturm. Dessen Rücktritt und sein Austritt aus der römisch-katholischen Kirche hatten bundesweit im Frühjahr 2022 für riesiges Aufsehen gesorgt. Sturm gingen die Prozesse zu langsam, und er zweifelte an der Fähigkeit zum Wandel.
Magin muss zudem sparen: „Die Vorgabe des Diözesan-Steuerrats war, den Diözesanhaushalt bis 2030 um 30 Millionen Euro abzusenken. Das ist eine riesige Herausforderung“, sagte er.
Er erwarte „Einschnitte und schmerzliche Prozesse“. Eine frühere Prognose hatte ergeben, dass im Bistum die Zahl der Kirchenmitglieder bis 2060 auf die Hälfte sinken könnte. Dies sei „noch optimistisch“, hieß es am Montag. Die Dynamik sei schneller.
Zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs sagte Magin, er rechne mit einer baldigen Vergabe des geplanten Forschungsprojekts. „Wir arbeiten konsequent auf, was passiert ist“, sagte Magin. Zuständig ist die Unabhängige Aufarbeitungskommission zur Untersuchung sexuellen Missbrauchs im Bistum Speyer. In Anerkennung ihres Leids hat das Bistum bisher 2,3 Millionen Euro an Missbrauchsopfer überwiesen.
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