Speyer. Keimzelle des kleinen Festivals „Jazz im Rathaushof“ ist der Oldtime-Jazz. Das soll unter der künstlerischen Leitung von Matthias Debus auch so bleiben. Er folgt auf Bernhard Sperrfechter, der die Reihe zehn Jahre lang geleitet hat. Debus legte in seiner Ansprache zum Auftakt des diesjährigen Festivals sogleich einen kreativen Schwung an den Tag. Für den Bassisten ist der Oldtime-Jazz nicht nur ein traditionelles Genre; stattdessen sollen zeitgenössische Interpretationen das Repertoire weiterentwickeln.
Kaum eine andere Band fügt sich da besser ins Konzept als die „South West Oldtime All Stars“. Das Ensemble befasst sich in wechselnder Besetzung mit dem Jazz der 1920er Jahre. Beim Konzert im Hof des Historischen Rathauses spielten die „Hot Six“ Titel aus den „Hot Five“- und „Hot Seven“-Studioaufnahmen, die Sänger und Trompeter Louis Armstrong in den Jahren von 1925 und 1928 eingespielt hat.
Zum Sextett gehörten an diesem Abend der als legendäre „New Orleans-Drummer“ titulierte Schlagzeuger Trevor Richards, Bandleader und Klarinettist Gary Fuhrmann, Sousaphonist Matthew Bookert, Trompeter Tobias Weidinger, Posaunist Richard Hellenthal und Banjospieler David Riano Molina.
Auch ohne Klavier und Bass überzeugten die „All Stars“ mit einem authentisch-originären Sound, der die Klangsprache aus der Hochzeit des Jazz in die digitale Moderne übertrug. Mit „The Mahogany Stomp“ legte die Band von Beginn einen swingenden Groove auf die Bühne, der zu späterer Zeit auch Tanzende im Publikum animierte. „Knee Drops“ von Lil Hardin Armstrong motivierte die bläserstarke Band zu effektvollen Breaks, pointierten Kadenzen und rhythmisch ausgefeilten Einlagen.
Spritzig-humorige „Battles“ auf der Bühne in Speyer
Neben dem runden und vollen Ensembleklang begeisterten bei diesem Konzert die fließenden Wechsel und die solistischen Improvisationen, die Trevor Richards und Co. mit professioneller Coolness offerierten, ohne ins allzu Routinierte abzurutschen. Zusätzlich lieferten sich die Solisten immer wieder spritzig-humorige „Battles“, die für Erheiterung sorgten, etwa wenn Richard Hellenthal den Ton seiner Posaune in knarzende Kellertiefen abstürzen ließ, als wollte er mit dem Sousaphon konkurrieren. Matthew Bookert schulterte seine Riesentuba in dem von zwei Pausen unterbrochenen zweieinhalbstündigen Programm mit tänzerischem Schwung, was sich auch in seiner verblüffend wendigen und überaus beweglich wirkenden Spielweise zeigte.
Der ältere Herr, der so distinguiert am Schlagzeug wirkte, erwies sich als präzise agierendes Energiebündel; tatsächlich verlieh Trevor Richards historischen Titeln wie „Keyhole Blues“ oder „King of the Zulus“ einen derart enormen Swing, als wollte er die alten Zeiten aus ihrem jahrhundertalten Dornröschenschlaf wecken. Klarinettist Gary Fuhrmann veredelte Nummern wie den „Melancholy Blues“ mit Improvisationen, die das gesamte Tonspektrum durchmaßen. Tobias Weidinger verlieh den Arrangements ein helles, schlankes Format. David Riano Molina konnte zwar kein Klavier ersetzen, trug mit seinem Banjo aber dazu bei, den Jazz der 1920er Jahre mit einer ordentlichen Prise Dixieland zu versorgen.
Ein Konzert, das dem Oldtime-Jazz huldigte, ohne ihn alt aussehen zu lassen. Keine unberechenbare Musik – aber wer braucht das schon in diesen unüberschaubaren Zeiten. Improvisationen, die durchaus nicht wie Verlegenheitslösungen wirkten, und ein zupackendes Ensemblespiel, das dieser Musik aus der legendären Armstrong-Ära alle Ehre machte – all das genügt, um den Oldtime-Jazz nicht in die Vergessenheit geraten zu lassen.
Das temporeiche und dynamische „Struttin’ With Some Barbecue“ war als Rausschmeißer gedacht, doch auch mit „Royal Garden Blues“ als Zugabe zeigten sich die Band und ihr Publikum noch kein bisschen müde. Kein Wunder, denn zuvor hatte es mit Glenn Millers „Basin Street Blues“ noch einen überraschenden Gastauftritt gegeben, bei dem Saxofonist Freddie Münster mit einem astreinen Gesangssolo brillierte. Dieser Jazz ist nicht tot – dank den „South West Oldtime All Stars“ bleibt er nach wie vor lebendig.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-speyer-jazz-im-rathaushof-in-speyer-entfuehrt-in-goldene-zeiten-_arid,2236651.html