Historisches Museum der Pfalz

Dr. Ludger Tekampe aus Speyer – Alltagskultur ist seine Leidenschaft

Das Wort Volkskunde ist, als stamme es aus einer anderen Zeit. Und doch beschreibt es sehr gut das Feld, das Dr. Ludger Tekampe im Historischen Museum der Pfalz beackert: Die Alltagskultur der Menschen in der Pfalz, wie lebten sie, welche Geräte haben sie

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Dr. Ludger Tekampe in seinem so ans Herz gewachsenen Depot des Historischen Museums der Pfalz. © Julia Paul

Speyer. Das Wort Volkskunde ist, als stamme es aus einer anderen Zeit. Und doch beschreibt es sehr gut das Feld, das Dr. Ludger Tekampe im Historischen Museum der Pfalz beackert: Die Alltagskultur der Menschen in der Pfalz, wie lebten sie, welche Geräte haben sie

Wie kommt denn ein Volkskundler aus Bocholt – also aus dem Münsterland – dazu, ein Weinmuseum in der Pfalz aufzubauen?

Dr. Ludger Tekampe: Durch Zufall und wegen der Liebe. Ich habe an der Gutenberg-Universität in Mainz Volkskunde, Ethnologie und Kunstgeschichte studiert. Dort habe ich meine Frau Petra kennengelernt, die als Lehrerin eine Stelle in Ludwigshafen bekommen hat. Vier Jahre lang ist sie gependelt, dann haben wir uns dazu entschlossen, in die Nähe ihrer Stelle zu ziehen, nach Waldsee. Mein Professor traf dann bei einer Tagung in Kaiserslautern Otto Roller, den damaligen Museumschef, der ihn fragte, ob er nicht einen guten Volkskundler empfehlen könne. Und der sagte ihm: „Ja klar, Ludger Tekampe – und der wohnt sogar schon in der Nähe von Speyer.“ Ich habe dann kostensparend fürs Museum als ABM-Kraft angefangen und wurde anschließend fest angestellt. Das war 1987. Im Jahr drauf hatte ich dann auch meine Promotion in Mainz fertig.

Das war ja die Zeit, in der das Historische Museum gerade zu dem wurde, was es heute ist?

Tekampe: Ja, 1985 war die Stiftung gegründet worden und der Neubau war auch bereits beschlossen. Alles war im Wandel – auch im Hinblick auf die 2000-Jahr-Feier der Stadt, die 1990 anstand. Da sollte dann auch die Salierausstellung ein wichtiger Höhepunkt werden – die wurde dann aber dreimal verschoben.

Was war dann die erste Aufgabe des jungen Volkskundlers?

Tekampe: Der Winzerverein St. Martin wollte das hundertjährige Bestehen mit einer schönen Ausstellung feiern, die sollte ich zusammenstellen.

Und das als wahrscheinlich eher biertrinkender Münsterländer?

Tekampe: Genau. Aber das Thema fand ich interessant und die Leute waren sehr nett zu mir. Ich habe dann dort auch die ersten Weinproben mitgemacht – damals noch streng von trocken nach süß. Und ich war bei einem Schlachtfest zu Gast, zu dem sogar Helmut Kohl kommen sollte. Seine Sekretärin hat dann angerufen, dass er es doch nicht schafft, schön war es trotzdem.

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Wie lernt man denn, wie man so eine Ausstellung aufbaut?

Tekampe: Natürlich hatte ich mir während der Studienzeit selbst viele Ausstellungen angeschaut und einiges angelesen. Und ich hatte mal ein Praktikum im Heimatmuseum Alzey gemacht. Und mit Wolfgang Leitmeyer, der gerade ein Jahr zuvor nach Speyer gekommen war, hatte ich eine gute Zusammenarbeit. Trotzdem war das Neuland für mich. Der Winzerverein war am Ende sehr zufrieden – mein Chef Otto Roller auch.

Das war ja eine Zeit des Aufbruchs in Speyer und im Museum?

Tekampe: Das war Rollers Verdienst. Er hat dafür gesorgt, dass wissenschaftliches Personal aufgebaut wird, weil er entsprechende Drähte in die Politik hatte – vor allem zu Paul Schädler und Werner Ludwig, die damals sehr entscheidend für die Mittelfreigabe waren. Das Vereinsmuseum bestand ja schon seit 1910 im Altbau, aber jetzt kamen die Stifter zusammen: Bezirksverband Pfalz, Historischer Verein der Pfalz, Stadt Speyer, evangelische Kirche der Pfalz und das Bistum. Erst später kam dann noch das Land Rheinland-Pfalz dazu. Anfang der 1990er Jahre war dann der Neubau fertig.

Welche Aufgabe hatten Sie?

Tekampe: Ich sollte das Weinmuseum aufbauen und andere Ausstellungen durch Aspekte aus der Alltagskultur bereichern. Übrigens war es aus heutiger Sicht sehr weitsichtig, damals schon einen Teil der Baumwollspinnerei zu kaufen, um dort ein Sammlungszentrum einzurichten und so einen guten Überblick zu bekommen, über das, was einigermaßen ungeordnet in den Jahren zuvor gesammelt worden war.

Im Weinmuseum gibt es ja nicht nur den ältesten Wein – ein Überbleibsel der Römer – zu bewundern, es ist selbst auch das älteste Weinmuseum überhaupt. Wo liegen die Schwerpunkte?

Tekampe: Das Weinmuseum zeigt Arbeitsgeräte und Arbeitsvorgänge rund um die Weinbereitung. Daneben sind natürlich auch besonders schöne und ungewöhnliche Fässer und andere Preziosen der Weinkultur zu sehen. Ein Schmuckstück ist das Prunkfass, das Kurfürst Carl Theodor und Elisabeth Auguste zum 25. Hochzeitstag geschenkt wurde – es fasst 5660 Liter. Es ist mit Gold- und Schnitzarbeiten versehen. Übrigens haben wir hier im Schulungszentrum in der Baumwollspinnerei noch allerlei Schätze liegen. So zum Beispiel die weltweit größte Sammlung von geschnitzten Fassriegeln. Für mich ist es immer wichtig, den Alltag der Winzer zu zeigen, und nicht jene verklärte Sicht mit weinseeligen Runden und kitschigen Darstellungen, wie sie manchmal zu sehen sind und auch hier ganz früher einmal gezeigt wurden. Dazu gehört übrigens auch, dass die Deutsche Weinstraße ja eine Erfindung der Nazis war. Das weiß nicht jeder, es gehört aber zur Historie dazu.

Aufbau der Ausstellung "St. Johann, Ein historisches Kabinett" Studienhaus der BASF in St. Johann bei Lindau 10.05.1990 © Historisches Museum

Das Weinmuseum ist bundesweit bekannt und bringt viele Besucher nach Speyer. Aber für den großen Hype ums Historische Museum sorgten doch vor allem die großen Publikumsschauen, die Grewenig eingeführt hat?

Tekampe: Die erste Großausstellung hatte Otto Roller initiiert und war vom römisch-germanischen Zentralmuseum Mainz zusammengestellt worden. Es war die erste Salierausstellung. Die sollte eigentlich zur 2000-Jahr-Feier 1990 stattfinden und war dann nach mehrmaliger Verschiebung des Eröffnungstermins 1991 fertig. Wir wurden regelrecht von den Besuchern überrannt. Wir hatten zwar mit viel mehr Besuchern als sonst gerechnet, aber nicht mit dieser Menge. Schnell mussten zusätzliche Garderoben und Schließfächer herbeigeschafft werden, die Öffnungszeiten wurden verlängert, es brauchte zusätzliches Personal und vieles mehr. Kamen sonst pro Jahr zwischen 50 000 und 100 000 Besucher zu uns, waren es bei der Salierausstellung 375 000 zahlende Besucher in drei Monaten. Ein Wert, der übrigens auch später nie wieder erreicht wurde. Da kam Bustourismus aus ganz Deutschland hierher, Hotelbetten im weiten Umkreis waren an manchen Wochenenden komplett ausgebucht. Es gab erstmals einen Caterer mit einer Art Café und Buchhändler Oelbermann richtete den Museumsshop ein.

Hat das Museum da schwarze Zahlen geschrieben?

Tekampe: Weder damals noch in den Nachfolgejahren mit den sehr populären Ausstellungen. Aber es gab schon Ausstellungen, die sich durch Sponsoring und Eintritte getragen haben. Aber der gesamte Museumsbetrieb ist eben kein Profitunternehmen. Dennoch sind es unsere Stifter gewohnt, dass die Besucherzahlen für hohe Refinanzierungsanteile zwischen 20 und 35 Prozent sorgen. Das bewirkt natürlich auch, dass immer der Fokus auf den großen Ausstellungen lag und manchmal die Sammlungen etwas in den Hintergrund gedrängt wurden. Es galt demnach immer wieder, populäre Themen zu finden. Wolfgang Leitmeyer hat diese Jahre ganz wesentliche als maßgeblicher Ausstellungsgestalter geprägt. Schön war, dass ich immer mal wieder bestimmte Aspekte aus der Volkskunde beitragen konnte. So etwa zur zweiten Salierausstellung das Thema, wie die Bauern damals lebten und von ihren Herrschern regelrecht ausgepresst wurden, um deren Vorhaben zu finanzieren.

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Aber es gab ja auch eine Menge eigene Tekampe-Projekte, die wir in den letzten Jahren sehen konnten?

Tekampe: Ich denke da an die „Historischen Schlaglichter“, die ich mit erfunden habe. Beim ersten ging es damals um den Separatismus in der Pfalz, der sich an Heinz Orbis festmacht. Damals war gerade das Buch „Revolverrepublik am Rhein“ erschienen, das viele Ansatzpunkte ergeben hatte. Dann gab es immer wieder interessante Kabinettausstellungen zur regionalen Themen, wie den Pfälzer Künstler Heinrich Strieffler oder über den Fotografen Wolfgang Reisewitz, der mit seiner Gruppe „Fotoform“ die Fotokunst der 1950er Jahre mitgeprägt hat. „Die Pfalz im 20. Jahrhundert“ oder die Ausstellung „Verliebt, verlobt, verheiratet“ zum 60-jährigen Bestehen des Bundeslandes Rheinland-Pfalz waren Ausstellungen, auf die ich bis heute angesprochen werde. Da stand zum Beispiel ein echter Messerschmidt Kabinenroller, der in Speyer produziert worden war, in der Ausstellung. Viel Spaß hat mir auch „Speyerer Stadtansichten – einst und jetzt“ gemacht, weil wir da Ansichten aus verschiedenen Epochen der Stadt gegenübergestellt haben. Oder zuletzt „Rendezvous“ zum französischen Militär in der Pfalz nach 1945. Die Anregung zu dieser Ausstellung kam übrigens von der badischen Rheinseite. Professor Christian Führer aus Altlußheim, der auch das Begleitbuch zur Ausstellung geschrieben hat, ist mit der Idee auf uns zugekommen.

Der Krieg spielte ja immer wieder eine Rolle in den Ausstellungen, aber auch in den Veröffentlichungen von Ludger Tekampe?

Tekampe: Ja, das stimmt. Beispielsweise haben wir eine spannende Ausstellung „1914-18 – die Pfalz im Ersten Weltkrieg“ zusammengestellt. Die gibt es übrigens auch komplett digital, sodass wir zu Coronazeiten schnell eine virtuelle Ausstellung ins Netz stellen konnten. Da habe ich eng mit dem Dreiländermuseum in Lörrach zusammengearbeitet. Daraus ist eine sehr schöne Kooperation entstanden, das „Netzwerk Museen“, an dem wir Speyerer uns zuletzt mit der digitalen Oberrheinsammlung beteiligt haben – da sind 500 Objekte beschrieben. Überhaupt hat sich da einiges geändert. Legte man früher oft Wert darauf, exklusive Rechte zu besitzen, so steht heute bei den Museumsmachern der Gedanke im Vordergrund, dass die Objekte Allgemeingut sind und im Grunde genommen dem Steuerzahler gehören. Wir haben inzwischen 40 000 Datensätze für unser Intranet erstellt und zirka 9000 Datensätze auf der Internetplattform „museum-digital“ öffentlich zugänglich gemacht. Da lag in den vergangenen Jahren ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit.

Im Schreiben liegt Kraft und im einfachen Formulieren die Zugänglichkeit für möglichst viele Menschen. Liegt Ihnen das?

Tekampe: Mir macht es Spaß zu erklären und ich habe auch immer gerne durch Ausstellungen oder durch das Sammlungszentrum geführt. Ich finde, dass Wissenschaftler ihre Expertise möglichst vielen Menschen zugänglich machen sollten. Mir war es auch sehr wichtig, dass unser Sammlungszentrum hier im Depot nun gut geordnet ist und sich alles nach Themengebieten finden lässt. Da sind übrigens natürlich auch einige Sachen drin von der anderen Rheinseite.

Also ist es eigentlich das Historische Museum der Kurpfalz?

Tekampe: Wir wollen natürlich niemandem in Heidelberg, Mannheim oder Schwetzingen Konkurrenz machen. Aber bei uns gibt es auch Büsten von Kurfürst Carl Theodor, Werke von Peter Anton von Verschaffelt oder anderer kurpfälzischer Hofkünstler. Und dadurch, dass ja das Bistum rheinübergreifend war, gibt es auch viele Ausstellungsstücke von der badischen Rheinseite bei uns.

Welche Ausstellung hätten Sie gerne mal gemacht?

Tekampe: Eine Großausstellung zum Thema Engel. Und ich bin sicher, dass das ein Publikumsmagnet geworden wäre, gerade bei unserer Hauptzielgruppe, den weiblichen Besuchern. Es gab schon Pläne dazu, auch zusammen mit den Kirchen. Aber ich konnte letztlich keinen meiner Direktoren davon überzeugen. Aber wer weiß?

Gibt’s im Depot Lieblingsstücke?

Tekampe: Ja klar – es sind übrigens auch Alltagsgegenstände. Hier zum Beispiel der kleine Kerzenleuchter aus Silber mit dem Wachsstummel und der Glashaube: Die soll im Quartier von Napoleon gestanden haben, als er in Kaiserslautern übernachtet hat, so steht es jedenfalls auf dem Holzkästchen, das dazugehört, geschrieben. Oder dieses runde Kissen aus dem Weinbau. Das haben sich Winzerfrauen auf den Kopf gelegt und dann große Körbe und Krüge draufgestellt und auf dem Kopf balanciert. Das sieht man heute manchmal noch in Afrika. In der Pfalz war das noch bis in die 1920er Jahre durchaus üblich.

Und was macht Ludger Tekampe nach dem 1. Juli den ganzen Tag?

Tekampe: Ich freue mich auf die Freiheit, selbst über den Tag bestimmen zu können. Und weil ich weiß, wie wichtig für mich die Ehrenamtlichen waren, die hier mitgeholfen haben, werde ich auch im ganz eng umgrenzten Bereich noch bei ein paar Sachen mitwirken, die mir Freude bereiten. Etwa beim Archiv des berühmten Speyerer Fotografen Fritz Herrmann, dessen Nachlass wir erwerben konnten. Und im Fahnendepot, das mir immer ganz besonders am Herzen lag. Im Historischen Verein wirke ich als Mitglied der wissenschaftlichen Kommission auch weiterhin mit. Ich habe jedenfalls nie bereut, Volkskunde studiert zu haben, und schon gar nicht, nach Speyer gekommen zu sein, wo wir uns bis heute sehr wohl fühlen. Selbst den Wein weiß ich seit vielen Jahren sehr zu schätzen und traue mir inzwischen auch eine gewisse Expertise zu.

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