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Wie eine Mannheimerin auf Youtube Menschen für Südkorea begeistert

Die Mannheimerin Seda Aygün bloggt auf Youtube über das Leben in Südkorea. In Seoul hat sie sich ein vollkommen neues Leben aufgebaut - und sich selbst gefunden

Von 
Agnes Polewka
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Mannheim/Seoul. 2016 bahnen sich große Veränderungen in Seda Aygüns Leben an. Wie groß diese tatsächlich sein werden, ahnt sie damals noch nicht. Sie plant eine Reise nach Japan, will dann nach England ziehen, um Psychologie zu studieren. Acht Jahre später lebt sie in Südkoreas Hauptstadt Seoul - und bloggt aus der Ferne auf Youtube. Inzwischen zählt sie mehr als 53 000 Abonnenten.

Aber der Reihe nach: In Käfertal besucht Aygün die Tulla-Realschule, dann macht sie ihr Fach-Abi und eine Ausbildung zur Grafikfdesignerin. Doch sie will mehr. Sie möchte raus aus Mannheim, aus Deutschland. Sie will studieren und die Welt sehen.

Aygün verlässt ihr Elternhaus und reist nach Japan. Im Netz knüpft sie Kontakte zu anderen Menschen in Asien, findet eine Freundin in Südkorea, reist nach Seoul. Und verliebt sich. In die Stadt. Ihren Charakter, die Mentalität der Menschen, die Lebensweise. Das kultivierte Leben dort. Sie beschließt zu bleiben, ihren Urlaub zu verlängern. „Das war ein spontaner Entschluss. Nichts von dem, was passiert ist, war geplant“, sagt Aygün sechs Jahre später.

Sie sucht sich einen Job, um die Reise zu finanzieren. „Ich habe damals gedacht, dass ich nach fünf Monaten wahrscheinlich sowieso keine Lust mehr auf Korea habe“, erinnert sich die 29-Jährige und lächelt in die Kamera ihres Notebooks. Die Mannheimerin besucht gerade ihre Familie in der Türkei. Und erzählt, wie es dann weiterging: Aus fünf Monaten wurde ein Jahr. Und ein Jahr ging ins andere über.

Ein Rückschlag und neue Pläne

Aygün arbeitet zunächst in der Küche eines Restaurants. Sie arbeitet hart, manchmal hat ihre Arbeitswoche 70 Stunden, erzählt sie in der Video-Schalte. Monatelang hält sie das Pensum durch, bis sie nicht mehr kann. Dann beginnt sie, Deutsch zu unterrichten. Zunächst im echten Leben, dann online. Und sie arbeitet aushilfsweise im Marketing südkoreanischer Unternehmen, die deutsche Märkte erschließen wollen. Vor allem in der Kosmetikindustrie. Ein Jahr nach ihrer Ankunft in Seoul betritt sie zum ersten Mal die Universität in der Stadt, um mit ihrem Psychologie-Studium zu beginnen. Sie studiert ein Semester lang und hört dann auf. Aus finanziellen Gründen, sie kann sich ihr Studium nicht mehr leisten. Ein Stipendienprogramm, auf das sie hofft, wird eingestellt.

Über Südkorea

  • Südkorea liegt auf dem südlichen Teil der Koreanischen Halbinsel.
  • Im Westen Südkoreas liegt das Gelbe Meer, im Süden das Ostchinesische und im Osten das Japanische Meer. Das einzige direkte Nachbarland ist Nordkorea im Norden.
  • Südkorea ist eine Republik mit Präsidialverfassung. Das Volk wählt den Präsidenten für fünf Jahre in einer direkten Wahl. Eine Wiederwahl ist nicht möglich. An der Spitze der Regierung steht der Premierminister. Er wird vom Präsidenten ernannt.
  • Die Hauptstadt Seoul ist mit rund zehn Millionen Einwohnern die größte Stadt des Landes. Zusammen mit dem umliegenden Gebiet bildet die Stadt den zweitgrößten Ballungsraum der Welt. Rund 23 Millionen Menschen leben und arbeiten in dieser Region.

„In dem Moment dachte ich: Es ist alles gescheitert“, sagt Aygün. Ihr Traum vom Leben in Seoul - ausgeträumt. Am 1. Januar 2017 landet sie wieder in Deutschland. Zurück in Mannheim geht es ihr nicht gut. Seda Aygün leidet unter ihrem Verlust. Sie hat ihre neue Heimat verloren, ihre Freiheit, ihr selbstbestimmtes Leben.

„Ich hatte eine Depression und später auch Panikattacken“, erinnert sie sich. Doch aus ihrer Krise erwächst eine große Stärke - und eine Idee, die alles verändern wird. Seda Aygün, die viel in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, macht sich über Youtuber schlau. Sie schreibt ein Konzept, plant ihre nächsten Schritte. Im Netz will sie anderen Menschen mehr über ihr Sehnsuchtsland erzählen, über die Essgewohnheiten, die Traditionen, Trends und zwischenmenschliche Beziehungen. „Zu diesem Zeitpunkt haben mich viele belächelt“, sagt die 29-Jährige. Die Zweifler bekommen von ihr wieder und wieder den gleichen Satz zu hören: „Korea wird groß“. Seda Aygün lacht, wenn sie davon erzählt. Denn sie sollte Recht behalten. Die damals 24-Jährige findet eine Agentur, die sie unter Vertrag nimmt.

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Ein Jahr, nachdem sie dachte, ihr Leben in Südkorea sei gescheitert, kehrt sie nach Seoul zurück. In die Stadt, der sie sich so verbunden fühlt. Und die sie ab jetzt im Bild festhält, mit Kommentaren versieht - bis heute. Sie nimmt ihre Abonnenten mit auf eine südkoreanische Hochzeit und in ihre Wohnung. Manchmal ist Crispin zu sehen, ihr Pudel, mit dem sie inzwischen in einer 38 Quadratmeter großen Zweizimmer-Wohnung lebt - ein echtes Privileg im beengten Seoul.

Sie lernt an der Sprachschule der Universität Koreanisch, übt sich in Gesprächen mit Freunden und Nachbarn in der Sprache. Und taucht vollkommen ein, in dieses südkoreanische Leben mit seinen vielen Lichtern. In diese Mischung aus Tradition, Moderne und Natur. Seda Aygün beginnt in einem der vielen Vereine in Seoul zu singen.

Sie verlässt das Haus, wann immer ihr danach ist. „In Seoul fühlst du dich zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher, das ist ein wunderbares Gefühl.“ Auch, dass die Menschen aufeinander Rücksicht nehmen, schätzt sie an der südkoreanischen Mentalität. „Hier steht die Gemeinschaft im Mittelpunkt, ich mag das“, sagt Aygün, die gleichzeitig keine Probleme darin sieht, sich in Südkorea auch selbst zu verwirklichen.

Ein Lebensmodell, das zu ihr passt

„Ich bin fest davon überzeugt, dass es für jeden Menschen eine Kultur auf der Welt gibt, die besonders gut zu ihm passt“, sagt Aygün. Ihre habe sie in Südkorea gefunden. Mehr noch: Ein Stück weit hat sie sich hier auch selbst gefunden. Die 29-Jährige hat einen Arbeitsalltag in ihr Leben geholt, der zu ihr passt. Sie kann sich ihre Zeit frei einteilen, sich mit verschiedenen Facetten ihres Sehnsuchtslandes beschäftigen. Und mit ihrem Inneren. Sie teilt ihre Wünsche und Träume mit ihren Followern. Aber auch ihre Erschöpfung und ihre Einsamkeit.

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Die meisten ihrer Abonnenten sind zwischen 18 und 30 Jahre alt, 80 Prozent von ihnen sind weiblich, sagt die Youtuberin.

Einer ihrer Lieblingsplätze in Seoul sind die Ufer des Hangangs. Für sie riecht der Fluss ein bisschen nach Meer. „Oft weht ein leichter Wind, Hunde spielen dort, und leise erklingt diese wunderschöne koreanische Musik“, sagt Aygün. Ihre Stimme wird leise. In diesen Momenten wird sie auch innerlich ganz ruhig. Erfüllt von einer tiefen Dankbarkeit für ihr Leben. Für ihre Sehnsucht nach Seoul.

Youtube-Channel: www.youtube.com/c/sedameansstrong

Redaktion

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