Frankenthal. Wenn Pia Shah von ihrem Zuhause in Michigan erzählt, blitzen intensive Farben auf. Das rote Herbstlaub, das dunkle Grün der Nadelbäume. Das Blau des Wassers der vielen Seen. Weißer, meterhoher Schnee, lange, kalte Winter. Seit neun Jahren lebt sie in den USA – 6688 Kilometer von ihrem „alten“ Zuhause in Lambsheim entfernt.
Ein Montag im Juli, ein Café in der Frankenthaler Innenstadt. Pia Shah ist seit sechs Jahren zum ersten Mal wieder in der Vorderpfalz. Vor ihr liegen zwei intensive Wochen. Begegnungen und Erinnerungen. Viel Freude, Nähe. Treffen mit Menschen, die sie viel zu lange nicht gesehen hat. „Natürlich war es schwer, alles hinter mir zu lassen: meine Familie, meine Freunde“, erinnert sich die 37-Jährige. Gezweifelt hat sie aber nie. Sie lächelt. Neben ihr sitzt Ashal Shah und nippt an seinem Kaffee. Ihr Mann. Der Mann, für den sie ausgewandert ist.
Ein neues Zuhause in Michigan
- Pia Shah (37), die aus Lambsheim in der Vorderpfalz stammt, lebt in South Lyon im US-Bundesstaat Michigan, der Heimat ihres Ehemanns.
- South Lyon zählt rund 12 000 Einwohner und liegt etwa 40 Meilen westlich von Detroit, der größten Stadt in Michigan, die als Wiege der US-Automobilindustrie gilt.
- Die Automobilindustrie zählt bis heute zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in Michigan. Der Tourismus, die Landwirtschaft, der Bergbau und die Holzwirtschaft gelten als weitere wesentliche Wirtschaftssektoren im Bundesstaat.
- Der Bundesstaat Michigan im Norden ist für seine Seenlandschaft bekannt, er beheimatet 11 000 Seen – und für seinen Indian Summer zwischen Mitte September und Mitte Oktober.
Ihre gemeinsame Geschichte beginnt im Januar 2011. Pia Shah studiert damals an der FH Worms Internationale Betriebs- und Aussenwirtschaft, sie besucht ihren Freund Scott in Houghton in Michigan. Während eines Auslandssemesters in Alicante haben beide in der gleichen WG gewohnt, sind Freunde geworden, gute Freunde. Pia Shah, die damals noch Pia Schulze heißt, kommt zum Winter Carnival nach Ohio. Besucht Paraden und besichtigt Eis-Skulpturen. Und begegnet Scotts Jugendfreund aus Michigan: Ashal Shah.
Hochzeit in den USA
„Wir sind dann zwei Jahre hin- und hergeflogen, haben eine Fernbeziehung geführt, sind viel gereist“, erinnert sich Pia Shah. Im November 2012 treffen beide eine Entscheidung: Wenn Pia ihr Studium beendet hat – sie studiert inzwischen Internationales Management in Erfurt – werden sie heiraten und in den USA leben. Beide reichen Papiere für ein Touristenvisum mit Heiratserlaubnis ein: Fotos, Chatverläufe, Briefe von Menschen, die bestätigen, dass Pia und Ashal eine echtes Paar sind. Und niemand, der bloß zum Schein heiratet, um sich eine Greencard zu erschleichen. Pia und Ashal gehen akribisch vor, reichen mehr ein, als sie müssen. „Allein mit unseren Chatverläufen haben wir die Behörde wahrscheinlich förmlich erschlagen“, sagt die 37-Jährige und lacht. Ihr Antrag wird bewilligt.
Am 27. August 2013 fliegt Pia Shah offiziell als Ashals Verlobte in die USA. Zwei Tage später wird vor einem Gericht ihre Ehe geschlossen. Im März dann die große Hochzeit mit all ihren Lieben. Eine Strandhochzeit in North Carolina. Eine Woche in Ocean Isle Beach. Pia Shah lächelt, wenn sie von der Woche im Strandhaus erzählt, in der sich ihre beiden Leben berührten. Das alte und das neue.
Ashal Shah zieht sein Handy aus der Hosentasche und reicht es seiner Frau. Pia Shah lächelt. „Das sind Lyla und meine Mutter – die beiden sind gerade auf dem Wasserspielplatz in Bad Dürkheim.“ Ihre Tochter Lyla ist drei Jahre alt, es ist ihr erster Besuch in der Heimat ihrer Mutter. Und einer, auf den die ganze Familie lange gewartet hat. Kurz vor Ausbruch der Pandemie sind Pia Shahs Eltern zum letzten Mal in South Lyon in Michigan. Lyla ist damals neun Monate alt. „Gestern hatten wir ein großes Familienfrühstück – da hat Lyla mit drei Jahren zum ersten Mal meine Schwester gesehen, ihre Tante.“
Nach der Hochzeit beantragt die heute 37-Jährige eine Greencard, beginnt zu arbeiten. Sie fängt bei einer Berliner Consulting Firma für die Automobilindustrie an, die auch in Michigan sitzt. Zunächst als Assistentin der Geschäftsführung, dann im Marketing. Sie ist Ansprechpartnerin für andere Auswanderer, die bei der Firma anfangen.
Sechs Jahre lang arbeitet sie dort, wird schwanger und Mama. „Ich bin bis zum letzten Tag arbeiten gegangen und habe nach drei Monaten wieder angefangen“, sagt Shah. Das amerikanische Modell sieht keinen deutschen Mutterschutz vor. In den USA gibt es keine gesetzlich vorgegebene Elternzeit, nur 20 bis 30 Prozent der Firmen zahlen ihren Mitarbeitern einen sogenannten „Elternurlaub“. „Das war hart, aber man bekommt es irgendwie hin“, sagt Shah. Die Betreuungsmöglichkeiten in den USA seien „teuer, aber gut und schnell verfügbar“.
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Als Donald Trump seine Wahlkampagne startet, schießen rund um ihr neues Zuhause Schilder aus dem Boden: „Move to Canada“. „Ich bin kein besonders politischer Mensch, aber seine Wahlkampagne hat mich perplex gemacht“, sagt sie. Und die Präsidentschaft. Die Sinnlosigkeit seiner Politik.
Beruflich erfolgreich
Dann die Pandemie, Pia Shah verliert ihren Job und bleibt ein halbes Jahr zu Hause, genießt die Zeit mit ihrer kleinen Tochter. Danach fängt sie wieder in einer Marketingabteilung an, diesmal ein Entsorgungsunternehmen. Sie schreibt Artikel für die Homepage, den Newsletter, bespielt die Social Media Kanäle der Firma. Als Nicht-Muttersprachlerin. In Vollzeit – Teilzeitstellen sind in den USA rar gesät.
Pia Shahs Blick wandert die Fußgängerzone entlang. „Schau mal einer an, den Kochlöffel gibt es auch noch.“ Sie lacht, wechselt ins Englische, erzählt ihrem Mann von langen Nächten, die lange her sind und mit einer Portion Pommes im kleinen Fast Food-Restaurant in der Fußgängerzone endeten. „Ich habe mich selbst nie in Lambsheim gesehen, sondern eigentlich immer in einer größeren Stadt, irgendwo in Europa. Aber wer weiß, wenn ich ihn nicht getroffen hätte, vielleicht würde ich dann in Frankenthal wohnen.“
Freundlicher Umgang
Die USA seien nie ihr Sehnsuchtsort gewesen, sagt die 37-Jährige. „Aber man kann überall glücklich sein – oder eben nicht “, sagt Pia Shah. Und so lebt sie heute sehr gern in Michigan. Wegen ihrer Familie und den Freunden, die sie dort gefunden hat. Wegen der Fremden, die viel freundlicher als in Deutschland seien. „Viele tun das als Oberflächlichkeit ab, aber es ist doch grundsätzlich etwas Gutes, wenn Menschen freundlich miteinander umgehen“, sagt sie. Und wegen der Farben: dem roten Herbstlaub, dem dunklen Grün der Nadelwälder, dem tiefen Blau der Seen.
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