Pandemie - Über den Versuch eines nicht spaltenden Gesprächs zum Thema Impfpflicht / Gefrusteter Mann legte den Hörer auf

Wie ein Interview mit einem Corona-Protestler scheiterte

Von 
Stephan Alfter
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Das Corona-Thema entzweit die Gesellschaft immer weiter und sorgt für wütende Reaktionen – jeden Montag. © dpa

Plötzlich ist nur noch ein Besetzt-Signal zu hören. Unser Gesprächspartner, der hier anonym bleibt, hat den Hörer einfach aufgelegt - mit den Worten: „Suchen Sie sich jemand anderen für Ihr Interview.“ So oft kommt das nicht vor. Und entsprechend verdutzt schaut der Verfasser dieses Textes auf das nun schweigende Smartphone. Das leidige Corona-Thema hat die Gesprächspartner entzweit, noch ehe die Fragen gestellt sind, um die es eigentlich gehen soll.

Geplant war seitens dieser Redaktion ursprünglich, einen Mann aus der Metropolregion Rhein-Neckar zu Wort kommen zu lassen, der sich in den vergangenen Wochen um Protestveranstaltungen gegen die Corona-Politik bemüht hatte. Alle seine Versammlungen waren angemeldet und zu jeder waren Dutzende Menschen gekommen, die sich - wie er selbst - nicht einverstanden erklären wollen mit einer eventuell bevorstehenden Impfpflicht. Dazu sei erwähnt, dass der Mann selbst an Corona erkrankt war und zwischenzeitlich auf der Intensivstation behandelt werden musste, sich aber konsequent gegen eine Impfung ausspricht. Mit Namen und Bild wollte diese Redaktion über seine Sicht auf die Corona-Welt berichten. Dem hatte der Mann zunächst zugestimmt.

Antrieb des Protestes

Nun soll es darum gehen, Argumente zu hören, die für ihn Antrieb seines Protests sind. Ausgeschlossen werden soll aber von vorneherein, dass in dem geplanten Wortlaut-Interview irreführende Behauptungen aufgrund falscher oder unvollständiger Informationen transportiert werden. Zum Beispiel: „Das Coronavirus wird benutzt, um in Deutschland eine Diktatur zu errichten.“ Auf Corona-Demos ein nicht selten zu hörender Satz. Es gilt deshalb, einen gemeinsamen Diskussionskorridor für ein kontroverses, aber eben nicht spaltendes Gespräch zu finden. Das jedoch - ist der Anfang vom Ende.

Noch bevor die erste Frage gestellt ist, holt der Mann weit aus und kritisiert zunächst Medien und die Politik dahingehend, dass immer dieselben „Experten“ wie der Virologe Christian Drosten zu Wort kämen und nicht Leute wie Sucharit Bhakdi, die den Thesen kontrovers gegenüber stehen. Bhakdi hatte zuletzt unter anderem behauptet, dass eine Impfung gegen Corona das Immunsystem zerstöre. Der Hinweis des Verfassers, dass Bhakdi im Gegensatz zu Drosten noch nie an Coronaviren geforscht habe, verpufft.

Der Corona-Skeptiker schimpft weiter und redet sich jetzt in Rage. Sein nächster Hinweis unterstellt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) völlige Ahnungslosigkeit als Arzt. Minister, die seit 20 Jahren in den Regierungsparteien unterwegs seien, würden nichts arbeiten für ihr Geld, das sie jeden Monat bekämen, schimpft der Mann. „Da brauchen wir gar nicht drüber reden“, sagt er nach jeder seiner Behauptungen. Die Antwort aus der Redaktion, dass solche Aussagen und Thesen nachprüfbar sein müssten, interessiert unseren Interviewpartner nicht.

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Dass Minister mitunter weit mehr als zwölf Stunden pro Tag unterwegs sind, will er nicht gelten lassen. Stattdessen verweist er auf „Masken-Deals“ von Jens Spahn in der Vorgängerregierung. Tatsächlich hat Spahn im Auftrag in seiner Funktion als Gesundheitsminister Millionen von Masken gekauft. Aber Belege, dass er oder sein Lebensgefährte sich daran persönlich bereichert haben oder daraus Vorteile zogen, gibt es bisher nicht.

Je länger das Gespräch dauert, desto klarer wird, dass der Mann tief gefrustet ist. Duch Corona-Einschränkungen kann er seinem Gewerbe kaum nachgehen, während Politiker und Lobbyisten weiterhin ihren Job machen können, ohne Einbußen in Kauf nehmen zu müssen. Um das deutlich zu machen, wirft er alles in einen Topf. Was herauskommt, ist sehr undifferenziert, emotional zwar nachvollziehbar, aber als sachliches Gespräch nicht zu gebrauchen. Es herrscht Wut. Gerhard Schröder und Gazprom sind Thema. Olaf Scholz und Cum-Ex-Geschäfte.

Politiker müssten allesamt nichts lernen, um Politiker zu werden, sagt er verallgemeinernd. Der erneute Hinweis, dass es in dem Interview weder um pauschale Angriffe gehen könne, sondern um belegbare Tatsachen, macht das Gespräch nicht besser. Ein Argument, warum eine Impfpflicht tatsächlich ein falscher Weg sein könnte, nennt er nicht. Doch das ist der eigentliche Grund für das von dieser Redaktion angefragte Interview gewesen. Dann ist die Leitung besetzt.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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