Speyer. Die Evangelische Kirche der Pfalz öffnet sich ihrer unrühmlichen Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus und stellt sich einem weiteren Aufarbeitungsprozess. Sichtbar wurde das während der rein digitalen Tagung der Landessynode in Speyer.
Einstimmig verabschiedeten die gewählten Kirchenvertreter dort einen Gesetzentwurf zum kirchlichen Umgang mit Darstellungen von antisemitischem, rassistischem und nationalsozialistischem Gedankengut. Der liturgische Gebrauch betreffender Objekte ist nun ausgeschlossen, weil er mit den Glaubensgrundlagen der Kirche unvereinbar sei.
Das Gesetz sieht jedoch nicht vor, dass solche Darstellungen grundsätzlich entfernt werden müssen. Nicht zuletzt die sogenannte Hitlerglocke aus Herxheim am Berg hat seit 2017 den Anlass für den Gesetzentwurf gegeben. Es handle sich bei dem Antrag aber nicht um eine „Lex“ Herxheim, sondern um eine Aufgabe, die die gesamte Landeskirche betreffe, sagte ein Ausschussmitglied.
Kontrollfunktion der Kirche gestärkt
Protestanten ohne Protest – unter diesem Titel problematisiert die Kirche selbst seit einiger Zeit ihre Rolle zwischen 1933 und 1945. Protestantismus und Nationalsozialismus gingen in der Pfalz weitgehend Hand in Hand. Erkennbaren Widerstand gab es nicht. Das drückt sich auch in der Herxheimer Glocke aus. Auf ihr steht: „Alles fürs Vaterland – Adolf Hitler“. Darüber prangt ein Hakenkreuz. Vor vier Jahren wurde sie zum Thema – auch weil der Zentralrat der Juden ausdrückte, wie sehr ihm daran gelegen sei, dass diese Glocke abgehängt wird. Ob das am Freitag nun wahrscheinlicher geworden ist?
Die Landeskirche kann sich die Einordnung der Glocke in einen künstlerischen Zusammenhang in Herxheim selbst vorstellen. Die neue Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst berichtete von guten Gesprächen mit vielen an der Debatte beteiligten Interessengruppen. Der nunmehr verabschiedete Gesetzentwurf setzt nach Meinung des für Herxheim zuständigen Dekans Stefan Kuntz die richtigen Schwerpunkte. Insgesamt ist durch das Gesetz die Kontrollfunktion der Landeskirche gestärkt worden. Sie kann nun Fristen setzen.
Immer mehr Kirchenaustritte
Geld und Ökumene hießen am Freitag die weiteren bestimmenden Themen, derer sich die Kirchenparlamentarier annahmen. Deutlich wurde: Die Evangelische Kirche der Pfalz und das Bistum Speyer wollen intensiver zusammenarbeiten. Immer mehr Kirchenaustritte und geringe personelle wie finanzielle Ressourcen führen zu Kürzungen auf vielen Ebenen. „Die Kirche der Zukunft und die Zukunft der Kirche kann nur ökumenisch sein“, sagte der eingeladene Vertreter von katholischer Seite. Indes: Es fehle noch viel innerkirchliche „Bewusstseinsbildung“, sagten die Synodalen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Herxheimer Hitlerglocke - ein Fall fürs Museum