NS-Geschichte - Evangelische Akademie organisierte Online-Video-Diskussion mit Historikerin und Pädagogen mit jüdischen Wurzeln

„Hitlerglocke“ nicht verschwinden lassen

Von 
Klaus Koch
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Die Jakobskirche in Herxheim am Berg bleibt wegen der umstrittenen Glocke in ihrem Turm weiter in der Diskussion. © Bernhard Zinke

Landau/Herxheim. Die heftig umstrittene „Hitlerglocke“ im Turm der protestantischen Kirche im pfälzischen Herxheim am Berg sollte abgenommen und vor Ort künstlerisch verfremdet präsentiert werden. Darin waren sich der Publizist Micha Brumlik und die Historikerin Claudia Lepp bei einer digitalen Diskussion der Evangelischen Akademie der Pfalz und des Zentralarchivs der pfälzischen Landeskirche einig. Es sei falsch, die Glocke abzuhängen und irgendwo verschwinden zu lassen, sagte Lepp. „Damit würde man sich nur eines Mahnmals der Schande entledigen.“

Die Glocke sei ein Schandmal des deutschen Nationalprotestantismus, sagte Brumlik, der als Kind jüdischer Eltern in der Schweiz geboren wurde. Sie müsse so präsentiert werden, dass alle sie sehen und sich näher informieren könnten. Es solle eine Denkstätte geschaffen werden, an der man nicht allzu leicht vorbeigehen könne. Die Glocke hängen zu lassen, sei keine Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern kleinliches Beharrungsvermögen.

Einig waren sich Lepp und Brumlik in dem von Akademiedirektor Christoph Picker moderierten Gespräch, dass die Entscheidung über die Glocke vor Ort fallen müsse. Weder Landeskirche noch Landesregierung sollten entscheiden, sagte Lepp, die die Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte in München leitet.

Der lokale Bezug sei für eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wichtig. Es zeichne die demokratische Gesellschaft aus, dass ihre Erinnerungskultur nicht von oben bestimmt werde. Wenn vor Ort eine Entscheidung gefällt werde, mit der man nicht einverstanden sei, müsse man das in einer Demokratie aushalten, sagte der Erziehungswissenschaftler Brumlik.

Lepp plädierte dafür, sich in solchen kontroversen Debatten Zeit zu lassen. Erinnerungskultur sei ein Prozess, der nie abgeschlossen sei. Eine Debatte sei moralisch weniger aufgeladen, wenn klar werde, dass eine getroffene Entscheidung nicht endgültig sei.

Die 1934 gegossene, mit Hakenkreuzen und der Aufschrift „Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“ verzierte Polizeiglocke in der protestantischen Kirche brachte das rund 800 Einwohner zählende Herxheim am Berg bundesweit in die Schlagzeilen. Im Laufe der Debatte musste der Herxheimer Ortsbürgermeister wegen relativierender Aussagen über die NS-Zeit zurücktreten. Die Glocke ist inzwischen stillgelegt, hängt aber weiterhin im Turm der Kirche. Die Evangelische Kirche der Pfalz befürwortet den Austausch von Glocken mit anstößigen Inschriften aus der Zeit des Nationalsozialismus. 

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