Hintergrund - Ein neues Gesetz legt eine der größten touristischen Veranstaltungen der Pfalz in diesem Jahr lahm / E-Bikes neue Gefahr

Weinstraßentag: Wie ein Gesetz die Großveranstaltung lahmlegte

Von 
Stephan Alfter
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Ein Hotspot beim Erlebnistag Deutsche Weinstraße ist definitiv in Deidesheim. Dort treffen Radfahrer auf Fußgänger. © Klaus Venus

Rhein-Neckar. Eigentlich war das Konzept seit der ersten Austragung des Erlebnistags Deutsche Weinstraße immer dasselbe: Es sagte zwar niemand öffentlich, aber es ging ab dem Jahr 1985 (50 Jahre Deutsche Weinstraße) an jedem Sonntag Ende August letztlich darum, die bestmögliche Balance zwischen Fahrradfahren und Alkoholkonsum hinzubekommen. Das funktionierte bis circa 14 Uhr meist ganz gut. Danach kippte die Stimmung hie und da – im wahrsten Sinne des Wortes. Gefährlich wurde es oft, wenn ältere Herren mit 1,6 Promille nach sechs „Eimern“ Weinschorle auf mitunter klapprigen Drahteseln die alte B 271 zwischen Herxheim am Berg und Kallstadt hinunterschossen – mit rotem Schädel, aber ohne Helm.

Diese Zeiten sind jetzt endgültig vorüber, auch wenn man diesen autofreien Sonntag als Anziehungspunkt für Touristen aus der ganzen Metropolregion noch nicht preisgeben möchte. Für dieses Jahr, darüber hat diese Redaktion am Donnerstag kurz informiert, ist der Erlebnistag Deutsche Weinstraße, der oft weit über 200 000 Besucher anlockte, abgesagt. Der Hauptgrund ist das neue Polizei- und Ordnungsbehördengesetz, das ein angepasstes Veranstaltungskonzept erfordert sowie ein umfangreiches Sicherheitskonzept für die Region verlangt. Das gibt es bisher nicht.

Zwischen Bockenheim im Norden und Schweigen im Süden der Pfalz liegen 80 Kilometer Fahrradstrecke, die durch zwei Landkreise, zwei kreisfreie Städte und mehrere Verbandsgemeinden führt. Man könnte alternativ auch von der längsten Weinprobe der Welt sprechen. An gewissen Hotspots, wie beispielsweise vor dem Deidesheimer Hof, war an schönen Tagen Volksfeststimmung angesagt. Tausende tummelten sich dort bei Rieslingschorle. Doch was, wenn etwas Unerwartetes passiert? Ein Extremwetterereignis, ein terroristischer Akt, ein schwerer Unfall?

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Sicherheitslage verändert

Fakt ist, dass es bis heute keinen Veranstalter gibt, der für das Gesamtereignis zuständig ist, und bei dem die Konzepte und Planungen zusammenlaufen. Ein vitales Interesse hat als Impulsgeber und Motor die Pfalzweinwerbung. Dirk Gerling, Mitglied der Geschäftsführung dort, sagt eindeutig, dass es nicht zur Kernkompetenz des Unternehmens gehöre, Sicherheitskonzepte zu erstellen. Dieses Konzept müsste dem festgelegten Ablauf einer Veranstaltung folgen. Aber auch das ist bis dato nur diffus bekannt gewesen. Teilweise bestand das Konzept ja auch gerade darin, dass es eben keines gab. Ohnehin sei die größte ungelöste Frage bisher die, wer denn schlussendlich als Veranstalter auftritt.

Viele dieser Herausforderungen – und das ist der Hintergrund der diesjährigen Absage – lassen sich in den kommenden sieben Monaten nicht nachhaltig bewältigen. Überdies dürfe Pfalzwein e.V. aufgrund seines Status als Verein kein Geld für touristische Zwecke aus der Pfalzweinwerbung investieren, so Gerling. „Das soll am Ende eine hochkarätige Veranstaltung sein“, findet er. Das Innenministerium habe frühzeitig auf die neue Gesetzeslage mit den entsprechenden Erfordernissen hingewiesen. Pfalzwein-Chef Joseph Greilinger sagt: „Fakt ist jedoch, dass die Corona-Lage den Austausch mit den Organisationen nicht vereinfacht hat.“ Termine seien nicht immer möglich gewesen.

Weinstraßen-Erlebnistag

  • Die Idee zum Erlebnistag wurde 1985 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Deutschen Weinstraße geboren. Zunächst war es eine einmalige Veranstaltung.
  • Mit Ausnahme von 1986 wurde der Weinstraßentag dann aber doch jährlich am letzten Sonntag des Monats August gefeiert. Von stets von 10 bis 18 Uhr bleibt die Straße für den Autoverkehr gesperrt.
  • Eine Idee war, zeitgleich in allen beteiligten Weindörfern den Ausschank bestimmter Weinsorten zu koordinieren.
  • Neuer Erfordernisse gibt es durch die Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes.

Landrat optimistisch

Autofreie Sonntage – anderswo, etwa an der Mosel, haben sich solche Konzepte mit den Jahren totgelaufen. Das Fahrradfahren in der Pfalz erlebt aber nicht zuletzt aufgrund elektrisch unterstützter Antriebe einen Boom. Gestiegen ist damit aber auch die Unfallgefahr. Die Räder sind schneller geworden – und die Fahrer älter. Wenn dann noch Alkoholgenuss hinzukommt, sind schwere Verletzungen womöglich das Resultat. Hans-Ulrich Ihlenfeld, Landrat im Kreis Bad Dürkheim, sagt folgerichtig: „Weintrinken und Radfahren – das sieht man heute kritischer als früher.“

Trotzdem ist er optimistisch, dass der Erlebnistag Deutsche Weinstraße eine Veranstaltung ist, die noch in die Zeit passt. Die Erstellung eines Sicherheitskonzepts mache Investitionen von etwa 20 000 Euro notwendig. Wichtig sei dabei, einen Weg zu finden, dass die 200 000 Besucher sich besser verteilen. Und wer wird in Zukunft Veranstalter sein? Für wahrscheinlich hält es Ihlenfeld, dass die Landkreise Bad Dürkheim und Südliche Weinstraße mit den beiden kreisfreien Städten Landau und Neustadt an dieser Stelle einspringen.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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