Weinheim. Sie war mit dem Traum angetreten, in die Fußstapfen ihres Großvaters zu treten, der Weinheimer Konditoren-Legende Hermann Krautinger. Sein „Café Krautinger“ inmitten der Fußgängerzone hatte Kultstatus als ein Hort der traditionellen Zuckerbäckerei. Die Konditorei ist längst Geschichte – und auch das „Fräulein Männl“ von Enkelin Denise Detmers wird es bald sein.
Nach nur sieben Jahren steht das Lokal der 38-Jährigen jetzt vor dem Aus. Und das nicht wegen fehlender Kundschaft – die Plätze der gemütlichen Gasträume in der Hauptstraße 155 sind an den Wochenenden immer ausgebucht. Doch Ende des Jahres ist damit Schluss. „Wir schließen wohl Mitte Dezember“, verrät die Wirtin und muss tief durchatmen. „Ich bin unendlich traurig.“
Traurige Nachricht auf Instgram geteilt
Erst Anfang der Woche veröffentlichte sie die traurige Nachricht auf ihrem Instagram-Account. „Damit habe ich eine Welle losgetreten von Zuschriften, in denen die Gäste bedauern, dass das Café schließen muss“, sagt die sonst so fröhliche Frau. Im Gespräch mit unserer Redaktion geht sie näher auf die Hintergründe ein. Denise Detmers: „Der Mietvertrag wird leider nicht verlängert.“ Trotz aller Bemühungen habe keine Lösung gefunden werden können, die Gastronomie vor Ort zu halten. Alle Gesprächsversuche mit der Vermieterin seien über Monate hinweg ins Leere gelaufen. „Jetzt gebe ich auf. Mir fehlt einfach die Puste, weiterzukämpfen“, sagt die Weinheimerin und zuckt resigniert mit den Schultern. „Wenn ich nicht erwünscht bin, dann muss ich eben gehen.“
In die Trauer mischt sich Dankbarkeit für die zurückliegenden sieben Jahre, in denen das „Fräulein Männl“ zum Ort der Begegnung wurde. „Es ist mein zweites Zuhause, und die Gäste sind ein Teil davon“, so die Gastronomin. Ein Zuhause für viele, mit liebevoll gestalteten Gasträumen, alten Holztischen und gepolsterten Stühlen, einem Kronleuchter, wie er einst im „Café Krautinger“ hing, und mit zusammengewürfeltem Geschirr, so kunterbunt wie das bei Oma. Der gelernten Dekorateurin ist es als „Fräulein Männl“ gelungen, der Familientradition frischen Charme einzuhauchen.
Der Name ist eine Hommage an ihren Großvater, der von seinen Freunden liebevoll „Männl“ (Koseform von Hermann) genannt wurde. Der Opa war übrigens Ehrengast bei der Eröffnungsfeier im Jahr 2019. Doch sein Stammplatz bleibt seit seinem Tod vor zwei Jahren leer. Noch erinnern ein riesiges Emaille-Schild am Tresen, das früher über dem „Café Krautinger“ hing, und ein Foto auf der Fensterbank an ihn. Es stecken viele schöne Erinnerungen in den Gasträumen – der Großvater, von dem die Enkelin ihr Talent fürs Backen geerbt hat, ist eine davon.
Denise Detmers fällt es nicht schwer, Beispiele zu nennen. Sie erzählt von der Familie, die immer Tisch 4 reserviert, weil es sich dabei um den Esstisch der verstorbenen Mutter handelt. „Sie hatten mir das Erbstück geschenkt – ich halte es in Ehren.“ Sie erzählt von der älteren Dame, die sich nach einem Stück Käsekuchen bedankte, weil er sie so sehr an ihre Mutter erinnerte, dass sie den Tränen nah war. Und sie erzählt von all den Geburtstagen, die im „Fräulein Männl“ gefeiert wurden, von fröhlichen Familienfesten, von ausgelassenen Partys mit Musik von DJs zur Kerwe oder beim Nightgroove. Und nicht zuletzt schwärmt sie von ihrem Team, das mit zur Wohlfühlatmosphäre beiträgt: „Wir sind wie eine große Familie.“
Es funkte im „Fräulein Männl“
Neben dem beruflichen fand Denise Detmers auch ihr persönliches Glück im Café. Hier lernte sie gleich am Eröffnungsabend ihren späteren Mann kennen, der mit Freunden zu Gast war. Vor zwei Jahren tauschte sie mit der Hochzeit ihren Geburtsnamen Pitzer gegen seinen ein. Ihr Mann ist ihr in der aktuell schweren Phase eine Stütze. „Vor einem halben Jahr habe ich viel geweint, aber mittlerweile habe ich mich mit der Situation arrangiert“, sagt die Wirtin und lässt damit keinen Zweifel daran, dass sie in das „Fräulein Männl“ ihr ganzes Herzblut gelegt hat. Dennoch: Jetzt blickt sie nach vorne in eine hoffentlich verheißungsvolle Zukunft.
Bleibt sie Weinheim vielleicht an einem anderen Standort erhalten? „Vielleicht …“, hält sich Denise Detmers noch bedeckt und fügt hinzu: „Ich bin gern Gastgeberin.“ Sie verrät nur so viel: „Ich werde sicher nicht ganz aus Weinheim verschwinden.“ Vorstellen könnte sie sich Kooperationen mit anderen Gastronominnen oder die Organisation von Events an besonderen Orten. Klar ist für sie: „Weinheim braucht mehr Partys!“ Ihren Mut hat die 38-Jährige trotz des Rückschlags also noch lange nicht verloren.
Ausräumen und Renovieren nach dem 14. Dezember
Aktuell reifen die Ideen in ihrem kreativen Kopf, „auch wenn ich jetzt erst mal eine Pause brauche. Das wird mir guttun“, sagt sie. Bis dahin geht es im „Fräulein Männl“ im Normalbetrieb weiter. Zusätzlich sind Veranstaltungen geplant. Das Café ist beim Nightgroove Anlaufstelle für Nachtschwärmer, es gibt After-Work-Partys und natürlich eine große Abschiedsfeier.
Als letzter Tag ist der 14. Dezember avisiert, damit danach noch Zeit ist – zum Ausräumen und Renovieren, wie es der Mietvertrag vorsieht. Was die Vermieterin mit dem historischen Gebäude vorhat, ob eventuell eine andere gastronomische Nutzung ins Auge gefasst ist, darüber ist Denise Detmers nichts bekannt. Nachdem alle Hoffnungen auf eine Lösung gestorben sind, will sie mit dem Kapitel abschließen. Den Traum, die Familientradition fortzuführen, konnte sie jedenfalls verwirklichen – zumindest sieben Jahre lang.
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