Nachhaltigkeit

Warum man in der Pfalz jetzt Wein in Bierflaschen füllt

Die Debatte wird öfter und intensiver geführt: Sollte es ein neues Pfandsystem für Weinflaschen geben. Die Glasherstellung ist teuer. Jetzt testen Forscher in Globusmärkten, ob das geht? Und was ist mit Bierflaschen?

Von 
Stephan Alfter
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Eine Revolution: Wein in Bierflaschen gibt es seit Kurzem in der Pfalz, weil es dafür ein Mehrweg-System gibt. © Weingut Galler

Pfalz. Wie fast alle Bereiche der Gesellschaft, so befindet sich auch die Weinbranche in einem intensiven Transformationsprozess, der für gute Beobachter immer sichtbarer wird. Im nordpfälzischen Kirchheim bei Grünstadt ist das Weingut Galler schon im vergangenen Jahr dazu übergegangen, Wein in Bierflaschen abzufüllen - und zwar aus Gründen des Klimaschutzes.

„Ein Signal an die Branche“ wollten Katja und Ansgar Galler senden, als sie ihren Wein aus pilzresistenten (Piwi) Rebsorten auf der weltgrößten Weinmesse Prowein in Düsseldorf nicht in einer NRW-typischen Bauarbeiterpulle kredenzten, sondern in einer Ale-typischen eleganteren Langhals-Flasche. 2/4 Wein steht drauf. Was zunächst skurril und überraschend klingt, ist ein veritabler Beitrag zur Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes. Aber dazu später mehr.

Wo im Weinberg einerseits eine ruhige Hand, Erfahrung und mitunter Geduld gefragt sind, geht der Wandel auf dem Markt einigermaßen schnell voran. Der Umgang mit dem Klimawandel, explodierende Produktionskosten bei weltweit sinkendem Konsum lässt die von Haus aus zu einer gewissen Lethargie neigenden Weinbauern inzwischen jeden Stein umdrehen. Auch die Wissenschaft soll ihren Teil beitragen.

Nicht zuletzt deshalb geht ein Forschungsteam des Weincampus im pfälzischen Neustadt gerade gemeinsam mit baden-württembergischen Winzern der Frage nach, ob es ein sinnvoller Schritt für die Weinbranche wäre, auf standardisierte Mehrwegflaschen zu setzen. Bislang präferieren Weingüter und Genossenschaften individuelle Flaschen, die zur jeweiligen Markenbildung beitragen. Vor allem Spitzenweingüter verwenden gerne schwere Flaschen, um ihr Gewicht und ihre Wertigkeit im Weinbusiness zu unterstreichen. So kommt es, dass es im Handel Dutzende verschiedene Flaschen-Typen gibt.

Lautes Geschrei unter Winzern bei Einführung von Pfand-Flaschen?

Boris Kranz, mit seinem Weingut selbst im Verband der Prädikatsweingüter (VdP) aktiv, ist Vorstandsvorsitzender von Pfalzwein, einer Werbegemeinschaft für den pfälzischen Weinbau. Er ahnt zumindest, dass das Geschrei groß sein könnte, sollten den Betrieben demnächst vom Gesetzgeber Mehrwegflaschen aufgezwungen werden. Das müsse auch im europäischen Kontext gedacht werden, sagt er. Denn rund 50 Prozent der in Deutschland konsumierten Weine stammten aus dem Ausland, wo kein Mehrweg-System gelte. „Man muss schauen, wo die größten Hebel sind“, sagt er und spricht sich grundsätzlich schon für mehr Nachhaltigkeit aus. Er verweist allerdings zunächst auf die Genossenschaften und die relevanteren Mengen der dort vertriebenen Weine.

Eine Frage, die sich stellt lautet: Helfen leichtere Flaschen signifikant bei der CO2-Reduktion im Transportverkehr? Und vor allem: Reduziert ein Mehrwegsystem mit mehr zwischengeschalteten Spülunternehmen die Kosten für die Winzer? Dass der Energieverbrauch in der Produktion von Glasflaschen nicht gering ist, weiß inzwischen fast jedes Kind. So ist die Frage nach ressourcenschonenden Alternativen immer präsenter. Katharina Kleiner gehört zum Forscherteam am Neustadter Weincampus und evaluiert den in diesen Tagen laufenden und von Land und EU geförderten Modellversuch in der Metropolregion.

Jubelrufe gibt es von großen Lebensmittel-Discountern nicht

In fünf Globusmärkten in Waghäusel, Hockenheim, Mannheim-Vogelstang, Kaiserslautern und Neustadt werden drei baden-württembergische Weine aus Winzergenossenschaften sowohl im Einweg als auch in unterschiedlichen Mehrwegflaschen angeboten - 12 000 Flaschen insgesamt. Dafür mussten Pfandautomaten umprogrammiert werden et cetera.

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15, 25 und 50 Cent Pfand werden auf die unterschiedlichen Gefäße erhoben. Wie das angenommen wird, darüber soll es Anfang Dezember erste Analysen geben. Man weiß aber bereits, dass die großen Supermarktketten bisher nicht mit Jubelschreien auf ein weiteres Mehrweg-System reagieren würden. Edeka testet gerade in Heilbronn. Der Rest beobachte den Markt, hieß es in einem Beitrag des ZDF kürzlich.

Die Flucht nach vorne hat das bereits erwähnte Weingut Galler in Kirchheim, Luftlinie etwa 27 Kilometer vor den Mannheimer Stadttoren gelegen, angetreten. Dort wird von Anfang bis Ende nachhaltig gedacht. Weil es bei den Bierflaschen ein Mehrweg-System bereits gibt und man außerhalb der Pfalz auch gerne Flaschen trinke, die nur einen halben Liter Wein enthielten, sei man von Flensburg bis Garmisch damit auch wirtschaftlich erfolgreich. Mit seinen Bierflaschen-Weinen, die ohne den Einsatz von Reinzuchthefen entstehen, hat das 13 Hektar bewirtschaftende Weingut derzeit ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland, während die konventionellen Winzer noch immer rätseln, ob ein Mehrwegs-System für Weinflaschen überhaupt nachhaltiger sein kann, als ihre Scherben quer durch deutsche Landkreise zu karren, um sie irgendwo einzuschmelzen.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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