Verkehr

Warum die S-Bahn Rhein-Neckar am Limit ist

Zugfahren war in den vergangenen Wochen eine Belastungsprobe - vor allem für die Nutzer. Ausfälle, Verspätungen, Gleiswechsel - überall fluchten Menschen an den Bahnsteigen der Region. Ein Erlebnisbericht

Von 
Stephan Alfter
Lesedauer: 
Wer drin war, hatte es bei mehr als 30 Grad schön stickig: Eines von vielen Problemen der S-Bahn ist die Luftzufuhr bei Hitze. Fenster waren meist zu. © Michael Ruffler

Rhein-Neckar. Ist das schon die Mobilitätswende? Die Frage ist rhetorisch. Wer in den vergangenen Wochen zwischen Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen, Schifferstadt, Neustadt oder Speyer mit der S-Bahn Rhein-Neckar Bahn unterwegs war, der konnte das Chaos an den Gleisen nur schwer übersehen. Auf den Bahnsteigen entwichen aus Mündern manierlich aussehender Menschen entsetzliche Wutbegriffe und gutturale Laute. Zitierbar? Nein! Ohnehin wollen Menschen gerne anonym bleiben, wenn sie über die Deutsche Bahn sprechen. Manchem stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben - angesichts dieser Vielzahl entfallender und unpünktlicher Fahrten in der Zeit des 9-Euro-Tickets und auch schon weit davor.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

„Die Bahn kommt“, hieß einst ein Werbeslogan des Staatskonzerns. Die neuesten Erlebnisse vieler Kunden deuten hingegen eher auf das Gegenteil hin: „Die Bahn kommt nicht.“ Die Gründe für die schlechte Performance der S-Bahn Rhein-Neckar, die ihre eigene Pünktlichkeit im Jahr 2022 auf 85 Prozent prognostiziert, erschließen sich den meisten Kunden auf Anhieb nicht. Das Einzige, was sich manifestiert, wenn man sich mit Nutzern unterhält, ist der Eindruck: Die S-Bahn Rhein-Neckar ist sowohl in Sachen Infrastruktur als auch beim Personal am Limit. Unter der Hand sagt ein Beschäftigter, der sich auskennt: „Wir sind für eine Mobilitätswende noch lange nicht bereit.“ Ein Zugbegleiter sagt spontan nur drei Worte auf die Frage, was da gerade schief läuft: Urlaub, Corona, Baustellen. Als eines von vielen Beispielen für die S-Bahn-Krise dient der Donnerstag, 1. September. Gegen 18.15 Uhr erreicht der Verfasser dieses Textes den Mannheimer Hauptbahnhof mit dem Rad. Dem Fahrplan folgend, führe der nächste Zug Richtung Speyer an diesem Tag um 18.31 Uhr, wo er um 18.56 Uhr eintreffen soll. Was allerdings in den kommenden zweieinhalb Stunden passiert, das hat mit Zuverlässigkeit nichts mehr gemein. Mehrfach verschiebt sich die Abfahrt, während das Abfahrtgleis (ursprünglich Gleis 1) munter wechselt. Nur die Smartphone-App, auf der man sich eine Lösung erhofft, zeigt den Zug weiterhin als pünktlich an, während die Anzeige am Gleisbett bereits zeigt, dass diese Fahrt nun gänzlich entfällt. Als Alternative bietet sich an diesem Tag etwa eine Stunde später die S-Bahn Richtung Kaiserslautern an, die in Schifferstadt hält, wo Reisende Richtung Speyer schon in hoher Anzahl warten, nachdem sich der Verkehr hier gabelt.

Verspätungen und Zugausfälle

Wie sich herausstellt, sind an diesem Tag schon einige Züge entfallen. Die Hoffnung ruht auf einer Bahn, die für 19.41 Uhr angekündigt ist. Auch sie wird sich schließlich um 45 Minuten verspäten und somit erst gegen 20.26 Uhr eine Weiterfahrt in die Domstadt garantieren - etwa zwei Stunden nach der ursprünglichen Abfahrt aus Mannheim.

Als auch diese Option sich wegen eines (Lautsprecherdurchsage) Notarzteinsatzes verschiebt, entschließt sich der Autor für eine Weiterfahrt mit dem Fahrrad auf einem inzwischen stockdunklen Fahrradweg zwischen Schifferstadt und Speyer. Gegen 21.15 Uhr ist Ankunft daheim - ein Szenario, das viele Kunden von DB Regio im Verkehrsverbund Rhein-Neckar zuletzt öfter durchlebt haben.

Schlechte Information

Warum funktioniert die Information über ausfallende und sich verschiebende Züge so schlecht? Oft Erfahren Fahrgäste erst wenige Minuten vor der vermeintlichen Ankunft des Zuges, dass er ausfällt, obwohl die Baustelle, die dafür verantwortlich ist, doch schon länger bekannt sein müsste. Auf eine am 4. September verfasste Mail mit Fragen an DB Regio Südwest und an den Verkehrsverbund kommt eine Antwort am Abend des 15. September - also elf Tage später.

Mehr zum Thema

Sanierung

Gleisarbeiten im Bereich der Mannheimer Kurpfalzbrücke verzögern sich

Veröffentlicht
Von
Michael Krumpe
Mehr erfahren
Verkehr

175 Jahre Eisenbahn in der Pfalz: Wohin geht die Reise nun?

Veröffentlicht
Von
Kai Plösser
Mehr erfahren
Umgestaltung

Haltestelle Mannheim Hauptbahnhof ab Samstag wieder erreichbar

Veröffentlicht
Von
afs
Mehr erfahren

Eine Sprecherin der Deutschen Bahn schreibt aus Frankfurt, dass generell in Deutschland noch nie so viele Züge unterwegs gewesen seien. Und es werde gerade so viel wie nie in die Erneuerung und Verbesserung der Infrastruktur investiert. „Die damit einhergehenden Baustellen wirken auf das hoch ausgelastete Netz in der Rhein-Neckar-Region - insbesondere auf den Zu- und Ablaufstrecken nach Mannheim und Heidelberg sowie auf dem Streckenabschnitt in Richtung Speyer/Germersheim“, so die Sprecherin. Alle Beteiligten engagierten sich in intensiven Gesprächen, um Lösungen zu finden. Kompromisse seien unvermeidbar. Die Strecke Wörth-Germersheim-Speyer werde seit Frühjahr mit moderner Stellwerks- und Bahnübergangs-Sichrheitstechnik ausgerüstet. Zwischen Heidelberg und Mannheim galt zuletzt ein deutlich veränderter Fahrplan, der über Neu-Edingen/Friedrichsfeld führte. Auch das hatte Auswirkungen für den Gesamtverkehr in der Region. Nur: Diese Auswirkungen waren augenscheinlich an vielen Stellen nicht gut kommuniziert.

„Im Bereich der Fahrgastinformation können und müssen wir besser werden. Im Falle von kurzfristigen Einschränkungen gelingt uns das derzeit leider noch nicht immer, was wir sehr bedauern“, so die Bahn-Sprecherin. Wichtige Ansatzpunkte seien während der 9-Euro-Ticket-Monate dokumentiert worden. Von Gewerkschaftsseite hieß es unterdessen am Sonntag gegenüber der Deutschen Presseagentur, dass die Deutsche Bahn längst unter Personalmangel leide. Wer sich mit Zugbegleiterinnen unterhält, wird auch das bestätigt bekommen.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen