Nahverkehr

Warum die RNV den Takt von Bussen und Bahnen reduziert hat

Aktuell gilt in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg ein "Stabilisierungsfahrplan". Weil zu viele Busse und Bahnen überraschend ausgefallen sind, hat die RNV den Takt reduziert. Geschäftsführer Christian Volz erklärt, warum

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Bernhard Zinke
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Christian Volz, kaufmännischer Geschäftsführer RNV Rhein-Neckar-Verkehr, im ganz neuen Simulator für die Schulung der Rhein-Neckar-Tram (RNT). © Bernhard Zinke

Aktuell gilt ein „Stabilisierungsfahrplan“ für den Bus- und Stadtbahnverkehr in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg. Weil zu viele Fahrten kurzfristig ausgefallen waren, hat die Rhein-Neckar-Verkehr (RNV) die Taktfrequenzen auf mehreren Linien reduziert. Ein Gespräch mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Christian Volz.

Herr Volz, am 14. Oktober 2022 hat der „Mannheimer Morgen“ zum ersten Mal über eine angespannte Betriebslage bei der RNV berichtet. Der Grund: ein hoher Krankenstand, dazu ein Wartungs- und Reparaturstau. Die Themen haben sich seit einem Jahr nicht verändert. Warum nicht?

Christian Volz: Die Themen haben sich sehr wohl verändert. Wir haben eine erfolgreiche Bundesgartenschau hinter uns mit vielen Sonderlinien und deutlich mehr Fahrten als im normalen Fahrplan. Dafür haben wir auch viel Lob erhalten. Wir haben in dieser Zeit viele Menschen eingestellt und auch den Bearbeitungsstau reduziert. Wir haben es aber leider nicht geschafft, das hohe Niveau zu halten. Insofern ist es schon ein Rückschlag, dass wir jetzt kurz vor Jahresende wieder reduzieren mussten. Erkrankungen und Atemwegsinfektionen in der kalten Jahreszeit sind aber nicht nur bei der RNV ein Thema.

Läuft der Verkehr denn jetzt mit dem Stabilisierungsfahrplan wenigstens verlässlich?

Volz: Er läuft nicht hundertprozentig perfekt. Aber er läuft deutlich besser und bietet deutlich mehr Verlässlichkeit für die Fahrgäste. Die Kritik war ja, dass wir unplanmäßig reduziert hatten. Das Angebot war für die Fahrgäste vorher wenig verlässlich. Deshalb auch das Wort „Stabilisierungsfahrplan“: etwas weniger Fahrplanangebot, aber das eben verlässlicher.

Christian Volz

  • Der gebürtige Oggersheimer studierte an der Uni Mannheim Betriebswirtschaftslehre.
  • Er saß während des Studiums selbst als Straßenbahnfahrer am Steuer.
  • Nach dem Studium arbeitete er in leitender Funktion für verschiedene Verkehrsunternehmen.
  • Seit 2014 ist er kaufmännischer Leiter der RNV. 

Der Fahrplan gilt bis mindestens zum Frühjahr. Wann genau ist Besserung in Sicht?

Volz: Wir sind kräftig dabei, auszubilden und Personal zu akquirieren. Wir ergreifen viele Maßnahmen, die für eine höhere Verfügbarkeit sorgen. Eine genauere Prognose, wann es wieder läuft, geben wir dann ab, wenn wir wissen, dass es funktioniert.

Warum sind so viele Ihrer Mitarbeiter so häufig krank, dass es sich auf den Fahrplan niederschlägt? Ist nicht genug Personal da?

Volz: In den vergangenen acht Jahren haben wir unseren Fahrpersonalbestand um 15 Prozent erhöht. Wir haben von 1000 Fahrerinnen und Fahrern auf jetzt 1150 aufgestockt. Und das ist etwa auch das, was wir mehr fahren. Das Fahrplanangebot hat sich ja auch gesteigert. Insofern stellen wir seit Jahren kräftig ein und bilden aus. Aber es stimmt: Das reicht nicht ganz.

Wieviele Stellen sind aktuell unbesetzt?

Volz: Wir rechnen im Fahrpersonal gar nicht mit Stellen, sondern mit Stunden. Und tatsächlich ist das jeden Tag ein bisschen anders. Wenn in der SAP Arena Veranstaltungen sind oder Waldhof-Spiele stattfinden, haben wir Sonderverkehre. Deshalb gibt es keine exakten Zahlen. Aber wir haben schon noch einen kleinen Nachholbedarf. Denn der Krankenstand wird - wie in der Gesamtbevölkerung - jetzt nicht von einem auf den anderen Tag verschwinden. Wir haben gerade erst zum 1. Januar 25 neue Leute eingestellt. Und es laufen aktuell auch viele Ausbildungskurse.

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Wieviel Mehrverkehre haben Sie denn im Lauf der vergangenen Jahre auf die Schiene und Straße gebracht?

Volz: Wie gesagt, etwa 15 Prozent mehr Leistung und auch 15 Prozent mehr Fahrpersonal. Aber wir haben nicht nur ein Krankheitsthema. Da kommen viele verschiedene Faktoren zusammen. Es gibt Trends zu mehr Teilzeitarbeit und eine geringere Bereitschaft zu Überstunden. Wir haben auch einen Demographie-Tarifvertrag, der älteren Kollegen ab 55 Jahren ein paar freie Tage mehr gewährt. Auch das muss kompensiert werden.

Was haben Sie denn unternommen, um neue Leute zu finden?

Volz: Es ist nicht nur damit getan, neues Personal zu finden. Wir müssen die Beschäftigten auch längerfristiger an uns binden. Auch wir spüren den Trend am Arbeitsmarkt zu größerer Wechselbereitschaft. Wir haben zuletzt auch deutlich mehr als zuvor ausgebildet, jeweils rund 100 Menschen pro Jahr.

Wieviel Neueinstellungen gab es im vergangenen Jahr?

Volz: Im Fahrdienst haben wir 120 Menschen eingestellt, die meisten in Vollzeit. Wir haben rund 100 Menschen zu Stadtbahnfahrerinnen und -fahrern ausgebildet und 40 zu Busfahrerinnen und -fahrern.

Wie lange dauert es, bis das Fahrpersonal ausgebildet ist und zur Verfügung steht?

Volz: Eine Standardausbildung ohne Vorkenntnisse dauert in etwa vier Monate. Das wird allerdings immer unterschiedlicher, weil wir da nicht nur ein Standardprogramm durchziehen. Wer mit einer Busberechtigung zu uns kommt, bekommt nur eine Linieneinweisung. Das dauert ungefähr einen Monat. Wir haben gerade erst auch eine neue Gruppe mit Busberechtigung, aber fast ohne deutsche Sprachkenntnisse eingestellt. Um ihnen die notwendigen Sprachkenntnisse zu vermitteln, haben wir ein Mentorenprogramm aufgelegt.

Die Ausbildung findet auf bestimmten Fahrzeugtypen statt? Oder sind Ihre Fahrerinnen und Fahrer Allrounder?

Volz: Wir haben viele die Fahrerinnen und Fahrer bisher zu Beginn ganz breit auf vielen Fahrzeugtypen geschult. Aber wir sind dazu übergegangen, die Ausbildung nun stufenweise zu organisieren, um die Menschen nicht zu überfordern.

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Was sind die größten Hürden bei der Personalgewinnung? Woran hapert’s am meisten?

Volz: Wir haben das gleiche Problem wie ganz Deutschland und ganz Europa: Es mangelt an qualifizierten Leuten. Wir haben aber auch gute Chancen, weil wir unsere Stadtbahnfahrer selbst ausbilden und die notwendigen Kenntnisse vermitteln. Wir haben technisch beste Bedingungen mit modernsten Fahrsimulatoren. Wir haben auch immer noch viele Bewerber für den Stadtbahnbereich. Insgesamt hatten wir 5000 Bewerber, davon rund 1900 für den Fahrdienst im Jahr 2023.

Wo ist es schwerer, Leute zu bekommen: bei den Bahnen, bei den Bussen, bei den Werkstätten?

Volz: Im Busbereich herrscht eindeutig die größte Mangellage. Das ist ein echter Engpassberuf. Der Busverkehr wird ja gerade überall in Deutschland ausgebaut. Wir werden demnächst auch offensiver um neue Fahrerinnen und Fahrer werben und Werbeprämien ausloben.

Welche Vorteile bietet die RNV ihren Busfahrern im Vergleich zu anderen Arbeitgebern?

Volz: Wir bieten eine hohe Verlässlichkeit bei der Dienstplanung. Es ist zwar immer noch ein Schichtdienst-Beruf mit Arbeitszeiten zwischen 4 Uhr morgens und 1 Uhr nachts. Aber die Einsatzzeiten sind viel besser planbar als etwa im Reisebus-Bereich.

Sie haben vor dem Jahreswechsel auch kurzfristige technische Ausfälle beklagt. Worum ging’s da?

Volz: Zum einen müssen neuere Fahrzeuge manchmal unerwartet zum Software-Update in die Werkstatt. Dann kommen Unfälle hinzu wie kürzlich auf der Rheinau, als ein Porsche zwischen zwei Bahnen hindurch wollte und zwei ganz wichtige Achtachser auf der Linie 1 aus dem Verkehr genommen hat. Diese Fahrzeuge stehen dann halt erst einmal einige Wochen, bis sie wieder einsatzbereit sind. Wir haben aber auch ein Vandalismus-Problem, das uns sehr schmerzt.

Wie zufrieden sind Sie denn als kaufmännischer Vorstand mit der Gesamtsituation bei der RNV?

Volz: Kein Mensch hier im Unternehmen ist zufrieden, dass wir den Fahrplan reduzieren mussten. Das tut allen weh, von den Kaufleuten über die Fahrer bis zu den Technikern. Deswegen versuchen wir, mit ganz vielen Personalgewinnungsmaßnahmen wieder so häufig zu fahren, wie es unser eigener Anspruch ist.

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Die Unzufriedenheit der Kunden bekommt das Fahrpersonal ja wohl auch zu spüren?

Volz: Es ist auf jeden Fall eine Belastung für diejenigen, die den Ärger abbekommen, wenn eine Bahn zuvor ausgefallen ist. Nach so einem Tag hat man keine gute Laune.

Die RNV ist ein wesentlicher Faktor der Verkehrswende in der Metropolregion. Wie sehen Sie sich aufgestellt, trotz Krise die Verkehrswende zu schaffen?

Volz: Wir investieren ja kräftig in die Ausbildung und in neue Fahrzeuge wie eben die RNT. Wir werden zurück zu 100 Prozent Leistung kommen und werden auch das Angebot ausweiten. Wir werden beim Ausbau in den kommenden Jahren genau hinschauen, wo es die höchste Nachfrage gibt. Wir werden aber die Leistung nicht wahllos verdoppeln können.

Wo sehen Sie Potenzial?

Volz: In Ludwigshafen geht’s um neue Umlandverkehre. In Mannheim sehen wir sehr viel Potenzial mit einer neuen Linie auf Franklin. In Heidelberg werden wir ab April das Busnetz ausweiten.

Was muss ein Kandidat idealerweise mitbringen?

Volz: Man braucht eine gewisse Servicementalität und Kundenfreundlichkeit. Ein guter Gesundheitszustand, schnelles Reaktionsvermögen und gute Sehfähigkeit sind wichtig. Und man braucht die Bereitschaft, sich auf die schönen und manchmal auch weniger schönen Seiten des Berufs einzustellen.

Was bietet die RNV?

Volz: Wir sind eine sehr wichtige Branche, die den Städten hilft, ihre Verkehrsprobleme zu lösen, die der Welt hilft, das Klima zu retten. Diese Branche hat Zukunft und ist krisensicher mit hoher Arbeitsplatzsicherheit. Wir haben verlässliche Arbeitszeiten und viele Sozialleistungen wie beispielsweise betriebliche Altersvorsorge oder auch Job-Rad und ein Deutschland-Jobticket für 19 Euro. Und der Job bietet viele schöne Erlebnisse mit Fahrgästen - und wenn wir wieder 100 Prozent fahren, mit noch mehr zufriedenen Fahrgästen.

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