Speyer. Die Landesarchäologen haben von Amts wegen relativ häufig mit Überresten menschlicher Existenzen zu tun. Und zuweilen machen sie auch überraschende Funde – in den überwiegenden Fällen bei Ausgrabungen. Aber einen solchen Fund wie Anfang des Monats hatten die Fachleute noch nie. Da legten bislang Unbekannte eine Glasvitrine vor dem archäologischen Schaufenster der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz in der Speyerer Gilgenstraße ab. Darin lagen unter anderem mumifizierte Körperteile mit Kleidungsresten. Die Herkunft ist völlig unklar. Jetzt sucht die Polizei nach Hinweisen zur Herkunft der Vitrine. Gesucht werden Zeugen, die die Glasvitrine vielleicht schon einmal irgendwo gesehen haben.
Wer auch immer die Glasvitrine in der Gilgenstraße abstellte, hat dies möglicherweise mit der Absicht getan, dass sich archäologische Fachleute der Fundsache mit professionellem Interesse annehmen würden. Damit lag der frühere Besitzer der Vitrine indessen falsch. Denn die GDKE kümmert sich nicht um die Aufbewahrung von Körperteilen unbekannter Herkunft. Vielmehr organisiert sie vor allem Ausgrabungen unter anderem bei Baustellen und sorgt dafür, dass das Wissen um die historischen Schätze im Erdreich dokumentiert und erhalten bleibt.
Kein Fund von Ausgrabungen aus Rheinland-Pfalz
Ungeachtet dessen sei es „geschmacklos“, mumifizierte menschliche Körperteile in dieser Weise zur Schau zu stellen, sagt der rheinland-pfälzische Landesarchäologe Ulrich Himmelmann. Über die Herkunft kann auch er nur spekulieren. Es könnte natürlich aus einem Museum gestohlen oder aber illegal aus dem Ausland eingeführt worden sein, mutmaßt Himmelmann. Klar gebe es auch einen florierenden Antikmarkt. Und auch wenn diese Zurschaustellung besonders geschmacklos sei, sei der Besitz nicht unbedingt illegal. Eines kann Himmelmann indessen ganz sicher sagen: Das sei kein Fund von Ausgrabungen aus Rheinland-Pfalz.
Auch beim Polizeipräsidium in Ludwigshafen fragen sich die Ermittler, wo diese merkwürdige Vitrine herkommt. Die Kriminalpolizei werde zwar manchmal durchaus zu Knochenfunden gerufen, sagt eine Sprecherin des Präsidiums. Meistens geschehe dies im Rahmen von Bauarbeiten, bei denen alte Knochen etwa von frühzeitlichen Grabstätten freigelegt werden. An den Fund von menschlichen Überresten in einem Schaukasten kann sich allerdings niemand im Präsidium erinnern.
Menschliche Überreste mindestens 1000 Jahre alt
Die Ermittler hätten die Funde von der Rechtsmedizin der Universität in Mainz untersuchen lassen. Das Ergebnis einer ersten Analyse: Es handelt sich um menschliche Überreste. Das Alter schätzen die Rechtsmediziner auf mindestens 1000 Jahre. Aktuell geht die Polizei noch nicht von einer Straftat im Zusammenhang mit der Herkunft der Vitrine aus. Deswegen werde auch formal kein Ermittlungsverfahren eröffnet. Zumal der Besitz solcher antiken Überreste nicht strafbar sei. Der Verkauf sei es allerdings schon. Aber das sei ja in diesem Fall nicht geschehen. Derzeit arbeite die Kripo lediglich an der Aufklärung des Sachverhalts.
Allerdings will die Polizei einen Diebstahl aus einem Museum oder aus Privatbesitz auch nicht explizit ausschließen. Rundrufe bei verschiedenen Museen hätten bislang aber noch keine Hinweise ergeben. Keine Einrichtung vermisse derartige Gegenstände.
Und was wird am Ende aus der Glasvitrine und ihrem Inhalt, wenn sich die Herkunft nicht ermitteln lässt? „Dann wird sie vermutlich in unserer Asservatenkammer landen“, mutmaßt die Polizeisprecherin. Die Kollegen hätten schon das Interesse von Museen oder anderen archäologischen Einrichtungen daran ausgelotet. Solange die Herkunft nicht zweifelsfrei geklärt ist, winken die Museen ab.
Hinweise über die Herkunft oder einen früheren möglichen Aufbewahrungsort erbittet die Polizei unter 0621/96 22 33 12.
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