Landwirtschaft

Trotz Krise: Der neue Weinjahrgang aus der Pfalz bietet Superlative

Die Branche schwächelt. Die Weintrinker werden weniger und viele Erzeuger sind auch in der Pfalz veränderungsmüde. Derweil bringt die Natur die gesündesten Trauben seit Jahrzehnten hervor.

Von 
Stephan Alfter
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Weinlese in der Pfalz Mitte August. Einige Winzer mussten ihren Urlaub abbrechen, weil die Trauben schneller reif wurden, als angenommen. © Uwe Anspach/dpa

Rhein-Neckar. Je weniger Wein getrunken wird, desto mehr wird augenscheinlich über ihn gesprochen. Allerspätestens seit Februar 2023 weiß man in der Pfalz, in Baden und an der Bergstraße, dass auf Winzer harte Zeiten zukommen. Denn zu diesem Zeitpunkt lagen plötzlich Zahlen auf dem Tisch, die das andeuteten, was viele Weinbauern im Herbst 2025 in der Konsequenz spüren: Ihr Erzeugnis ist aufgrund einer weltweiten Überproduktion im wahrsten Sinne des Wortes oft überflüssig. Und das, obwohl in diesem Sommer ein Jahrgang herangereift ist, der die Experten zur Verwendung von Superlativen verleitet. Dazu aber später.

Mit dem dramatischen Anstieg der Inflation in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine zwischen Oktober 2022 und dem Frühjahr 2023 war ein Elefant im Raum, den niemand mehr wegdiskutieren konnte. Seither wird vor allem von den vielen kleinen Weinbauern, die ihre Erzeugnisse nicht in der Flasche, sondern fassweise verkaufen, etwas gefordert, das sie bis dato kaum gelernt hatten: Geschäftssinn und Mut zur Veränderung. Die Corona-Zeit hat nach Ansicht von Branchenkennern über vieles hinweggetäuscht, was sich heute umso intensiver zeigt. Schon 2017 sei die beginnende Krise erkennbar gewesen. Das Virus hatte jedoch den Sondereffekt, dass sich die Leute mit regionalem Wein in den eigenen vier Wänden eine gute Zeit machten. Im Lebensmitteleinzelhandel wurden ganze Regale ausgetrunken. Das führte dazu, dass viele Hersteller in der kleinteiligen Branche dachten, sie stünden vor goldenen Zeiten, berichten Beobachter. Das Gegenteil war richtig.

Deutscher Markt wird von günstigen Importweinen dominiert

„Der Weinmarkt steht vor tiefgreifenden strukturellen Veränderungen.“ Das stellt nicht nur Boris Kranz fest. Der Südpfälzer ist selbst Winzer und steht als Vorsitzender an der Spitze von Pfalzwein – einem Verein, der sich selbst finanziert und sich im Auftrag der Weinbauern um die Vermarktung der Erzeugnisse von der Haardt kümmert.

Billiger Importwein in Supermarktregalen macht den Winzern in der Pfalz, in Baden und an der Bergstraße zu schaffen. © Bernd Thissen/dpa/dpa-tmn

Wie an dieser Stelle schon mehrfach beschrieben, trifft der demografische Wandel auf ein verändertes Gesundheitsbewusstsein und auf die bereits genannten Teuerungsraten. So richtig offensiv spricht es niemand aus, aber nüchtern gesprochen findet gerade eine sich rasant vollziehende Marktbereinigung statt. Die Weinanbauflächen sind zu groß und die produzierten Mengen zu hoch. Nach Corona wurde der deutsche Weinmarkt überdies in wachsendem Maße von billigeren Importweinen dominiert. Der Anteil des deutschen Weins am inländischen Gesamtkonsum befindet sich laut Pfalzwein auf einem historischen Tiefstand von 44 Prozent. „Die Konsumenten sind preissensibler geworden“, lautet eine weitere wenig überraschende Einsicht.

Influencer-Marketing gewinnt weiter an Bedeutung

Was tun? Damit sich der Weinbau in den insgesamt 13 Anbaugebieten hierzulande behaupten kann, setzt Pfalzwein auf eine konsequente Herkunftsstrategie. Hohe Qualität und ein klares Profil, um ein Wirrwarr von Sorten zu vermeiden. Der Riesling bleibt dabei das Signatur-Getränk. Kranz sagt: „Wir können die Entwicklung nicht aufhalten, aber wir können und müssen sie aktiv gestalten – mit Qualität, Herkunft und einer modernen Ansprache, die neue Zielgruppen und neue Märkte erreicht.“

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Seine Worte beschreiben den Ton, der bei einem Pressegespräch am Mittwochabend in der Südpfalz gesetzt werden sollte. Ein neuer Optimismus ist gewünscht – ohne zu verschweigen, dass ein nicht geringer Prozentsatz an Betrieben auf der Strecke bleiben wird. Wer sich im Fassweinsegment in den vergangenen Jahren hoch verschuldet und viel in teure Landmaschinen investiert hat, dem drohen jetzt Liquiditätsengpässe. Das ist eine traurige Einsicht. Gegenmaßnahmen sind eingeleitet. Kranz beschwört lieber das hohe Niveau, auf dem sich die pfälzischen Weinbauern befänden. Thomas Weihl, Geschäftsführer im Neustadter Weinbauamt, stellt sogar fest, dass sich die Pfalz besser behaupte als prominente internationale Weinbauregionen wie Rioja in Spanien oder Piemont in Italien. Im Jahr 2023 pumpte die EU 105 Millionen Euro in die Krisendestillation, also in die Umwandlung von überschüssigem Wein in Industriealkohol.

Um solche Szenarien nicht zum Standard werden zu lassen, soll bei Pfalzwein nun zusätzliches Geld in Marketingmaßnahmen fließen. Man will noch mehr Multiplikatoren ansprechen. Eine neue Offensive wird es in den Supermärkten geben. Für 2026 ist gemeinsam mit weiteren Gebietsweinwerbungen sowie dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau eine große LEH-Kampagne mit einem Gesamtbudget von rund einer Million Euro geplant.Die Pfalz, die unter den 13 Anbaugebieten zu den Top drei gehört, will noch energischer Marktanteile gewinnen. Dabei kommt es zu ungewöhnlichen Allianzen. Mit der „Konkurrenz“ von der Mosel und aus Rheinhessen wird gemeinsam an Strategien getüftelt, wie Joseph Greilinger, Geschäftsführer von Pfalzwein, am Mittwoch erzählte.

Uli Fischer, Önologe am Weincampus, traut dem 2025er-Weinjahrgang einiges zu. © Stephan Alfter

Abschluss der Traubenernte so früh wie selten

Inhaltlich kommt das wohl zum richtigen Zeitpunkt, denn die Önologen, also Menschen, die sich wissenschaftlich mit Wein beschäftigen, benutzen nach der just abgeschlossenen Ernte Superlative. Die Trauben - ein Gedicht. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei kaum notwendig gewesen, sagte Professor Uli Fischer vom Weincampus in Neustadt. „In 50 Jahren habe ich so etwas nicht erlebt“, sagte Jürgen Oberhofer, Lehrbeauftragter am Weincampus. Der sehr heiße und trockene Sommer habe für ideale Bedingungen gesorgt. Vom flächendeckenden Regen ab Mitte Juli hätten die Beeren sichtbar profitiert. Bereits Mitte August seien hohe Öchslegrade erreicht gewesen. Die Lese sei so kurz gewesen und habe um den 23. September abgeschlossen werden können – so früh wie selten zuvor. Wieder ein Superlativ.

„2025 wird ein Jahrgang mit Struktur, Finesse und Lagerpotenzial.“ Aufgrund der witterungsbedingt eher kleinen Beeren lägen Erträge aber vielfach 25 bis 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau, so Fischer. Hat die Natur etwa schon selbst erkannt, dass die Deutschen weniger Wein trinken? Grauburgunder könnte im kommenden Jahr sogar knapp werden, glaubt der Önologe.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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