Kehrtwende bei Öffnung von Bordellen

Speyerer Bordellbetreiberin: „Es ging nur um erotische Massagen“

Von 
Stephan Alfter
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Seit Mitte März fehlen Kunden bei „Lauras Girls“ in Speyer. Der Betreiberin des Bordells hätte gerne eine Perspektive. Erkannt werden will sie nicht. © Klaus Venus

Speyer. Ja was denn nun?, haben sich Betreiber von Bordellen in Rheinland-Pfalz zuletzt gefragt. Still und leise war die Erlaubnis zur Öffnung in die neunte Corona-Bekämpfungeverordnung gelangt. Und genauso schnell war der Passus auch schon wieder verschwunden. Die Betreiberin von „Lauras Girls“ in Speyer möchte aus Angst vor Anfeindungen nicht mit ihrem offiziellen Namen in der Zeitung erscheinen, hat sich aber unter ihrem „Künstlernamen“ Laura den Fragen dieser Redaktion gestellt.

Laura, wie haben Sie die Diskussion um die Öffnung von Bordellen in Rheinland-Pfalz erlebt? Erst sollten Sie öffnen dürfen, dann gab es diesen Rückzieher Anfang dieser Woche.

Laura: Es war eine Achterbahn der Gefühle. In Mainz hieß es dann am vergangenen Freitag mit Verweis auf die Hygieneverordnung, dass wir damit zunächst einmal öffnen dürfen. Im Laufe des Montags war die Verordnung wieder gekippt.

Viele, die gelesen oder gehört haben, dass Bordelle öffnen dürfen, haben sich spontan gefragt: Sex mit Abstand - wie geht das?

Laura: Es ging in der zugehörigen Hygieneverordnung nicht um Sex, sondern um erotische Massagen. Diese sind relativ passiv und da ist wenig Action. Es gab dann aber wohl Verwirrung und Unmut um das Hygienekonzept. Ich denke, dass es deshalb nochmal zurückgezogen wurde. Wir selbst hätten ohnehin nur mit Terminvereinbarung gearbeitet. Hier haben sich auch vorher keine Massen unkontrolliert im Gebäude aufgehalten.

Im Internet sind die Emotionen hochgekocht, nachdem die Nachricht kam, Bordelle dürften öffnen. Eine Frau schrieb sinngemäß in einem sozialen Netzwerk: Aha, mein Mann dürfte ins Bordell, aber meine Kinder noch nicht richtig in die Kita. Können Sie das nachvollziehen?

Laura: Das kann ich absolut verstehen. Gleichzeitig ist es so, dass sich Erwachsene eher an Abstandsregeln halten als Kinder im Kita-Alter.

Sie waren im Handelsblatt zitiert Ende Mai. Dort haben sie gesagt, dass auch Bordelle ihre Rechte bekommen sollten, wenn sie ihre Pflichten einhalten. Was haben Sie damit gemeint?

Laura: Betreiber von Bordellen werden teilweise zu Unrecht kriminalisiert und verunglimpft. Wir gelten in der Öffentlichkeit als unkontrollierbar und unbelehrbar. Im Prostituiertenschutzgesetz von 2017 wurden aber verschärfte Regeln festgesetzt - sowohl für die Frauen selbst als auch für Bordellbetreiber. Wir sind hier komplett durchleuchtet. Wir haben umfangreiche Führungszeugnisse abgegeben und sind steuerlich völlig transparent. Dann ist es nicht fair, in so eine Ecke geschoben zu werden. Wir erfüllen also alle Pflichten und zeigen uns hier ordentlich, dann sollte man uns auch in dieser Phase vertrauen. Schwarze Schafe gibt es überall.

Sehen Sie sich unter den Bordellen als positive Ausnahme. So ganz von der Hand weisen lassen sich Zusammenhänge mit Rockergruppierungen und Rauschgiftkriminalität ja nicht.

Laura: Ich sehe die kleineren Häuser so wie uns. Mit Rockerbanden haben wir hier nichts zu tun. Logisch, dass man dagegen vorgehen muss. Ich lese auch die Presse, aber das Problem wächst vielleicht mit der Größe der jeweiligen Häuser, obwohl wir jetzt auch nicht mehr ganz klein sind, wenn man das Geschäft in Karlsruhe dazu nimmt. Ich habe selbst früher als Prostituierte gearbeitet. Man kann nicht sagen, dass alle Betriebe in Strukturen mit organisiertem Verbrechen arbeiten. Ich hatte nie einen Zuhälter und wurde auch nie bedrängt.

Befürchten Sie, dass Prostitution durch das Corona-Virus nun wieder im Untergrund verschwindet?

Laura: Das geschieht doch schon. Aber es gibt auch Frauen, die in ihren alten Beruf zurückgekehrt sind. Ich weiß von einer, die wieder in der Altenpflege arbeitet. Andere Frauen wiederum sind von Stammkunden während der Hochphase von Corona sogar „mitversorgt“ worden. Eine Frau hat versucht, mit der Webcam etwas Geld zu verdienen. Da hat ihr ein Kunde dann das Laptop bezahlt. Das gibt es auch. Seit Hotels wieder geöffnet haben, verlagert sich vieles aus kontrollierten Häusern in einen Graubereich, wo Frauen das auf eigene Kappe ausüben, was beispielsweise in Teilen Baden-Württembergs komplett verboten ist. Ich habe am Dienstag im Umkreis von Speyer - inklusive Mannheim - aber 90 Anzeigen gefunden, wo Frauen einen kompletten Service anbieten. Da fehlt mir das Verständnis.

Es gibt eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten, die sich für ein faktisches Komplettverbot der Prostitution einsetzt. Könnte das durch die Hintertür jetzt kommen?

Laura: Ja, für diesen Fall erleben wir ja gerade so etwas wie die Generalprobe. Man kann sehen, wie sich das in die Unkontrollierbarkeit verlagert. In solchen Häusern wie hier können wir den Frauen Sicherheit und Sauberkeit bieten. Kolleginnen können sich hier gegenseitig unterstützen. In dem Moment, wo das verloren geht, kommen auch die Hilfsorganisationen wie Mariposa in Karlsruhe, mit denen wir zusammenarbeiten, nicht mehr mit den Frauen in Berührung. Die Prostitution bekommt man durch Verbote nicht weg.

Diese Politiker fordern das „nordische Modell“, also nicht die Frauen werden kriminalisiert, sondern die Männer, die gegen ein „Sexkaufverbot“ verstoßen.

Laura: Das kommt aus Schweden. Was die Frauen mir von dort erzählen, das ist nicht erstrebenswert.

Warum?

Laura: Weil sie zwar straffrei bleiben, aber etwa leichter abgeschoben werden können. Trotzdem wollen wegen der hohen Preise viele Mädchen dort arbeiten und bieten bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes für Personen an, die ihnen Infrastruktur und Räume zur Verfügung stellen, wo Treffen stattfinden können. Sie können sich vorstellen, was das auslöst.

Am Dienstag gab es eine Meldung, dass 1000 Frauen - teilweise aus Osteuropa - auf dem Weg nach Rheinland-Pfalz sein sollen. Nehmen Sie das wahr?

Laura: Nein, es gibt auch immer noch die Reisebeschränkungen bis 15. Juni. Denen, die aus Deutschland kommen wollten, habe ich gleich wieder abgesagt.

  • Die am vergangenen Freitag getroffene Entscheidung, Bordellen eine Öffnung unter Hygieneauflagen und mit eingeschränktem Leistungsspektrum zu ermöglichen, hat der Ministerrat in Rheinland-Pfalz am Montag zurückgenommen.
  • Viele Ordnungsämter hätten darauf hingewiesen, dass sie Vorgaben der Verordnung in Bordellen „nicht gleichermaßen effektiv kontrollieren“ können. Die Nachverfolgung von Infektionsfällen sei bei realistischer Betrachtung nur schwer zu gewährleisten, so die Begründung.
  • Zudem wollte man eine Art Sextourismus in Richtung Rheinland-Pfalz verhindern.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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