Sonderausstellung

Sonderausstellung in Sinsheim: Flutkatastrophen hautnah erleben

„Die Flutwohnung“ von Greenpeace in Sinsheim macht Flutkatastrophen greifbar – mit echten Möbeln und berührenden Geschichten von Betroffenen.

Von 
Susanne Merz
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Die Besitzer der Couch hatten gerade das ganze Geschoss und erneuert, nach der Flut war alles unbrauchbar. © Susanne Merz

Sinsheim. Es riecht nach Moder und Schimmel. Menschen in Gummistiefeln und -anzügen waten durch kniehohen Schlamm, zwischen verdreckten und durchnässten Möbelstücken. In einer Hand halten sie eine Schippe. Mühsam schaufeln sie die Schlammmassen aus einem Zimmer. Gemeinsam schleppen sie die verschlammten Möbel aus den Häusern und Wohnungen, werfen sie auf die Straße. Die Straße – kaum noch als solche zu erkennen – ist gesäumt von riesigen Haufen zerstörter Einrichtungsgegenstände. Wie eine traurige Allee aus Erinnerungen. Nach der Flutkatastrophe beginnt das große Aufräumen. Menschen stehen vor dem Nichts – sie haben oft alles verloren.

Greenpeace-Ausstellung will Katastrophen näherbringen

„Die Bilder im Fernsehen kennt zwar jeder – doch dort scheint es oft weit weg. Wir wollen den Menschen die Flutkatastrophen näherbringen und klarmachen: Es kann jeden treffen“, sagt Nina Noelle, Projektleitung für internationale Kriseneinsätze bei Greenpeace. Deswegen hat Greenpeace die Ausstellung „Die Flutwohnung“ konzipiert, in der originale Möbelstücke aus den Katastrophengebieten Emilia-Romagna und dem Ahrtal gezeigt werden. Die 38 Quadratmeter große Wohnung besteht aus Wohn-, Schlaf- und Jugendzimmer sowie einer Küche. Aktuell ist die Ausstellung vom 22. Mai bis 22. Juni in der Klima Arena in Sinsheim zu sehen. Für die Sonderausstellung ist die Wohnung nicht als Ganzes zu sehen, sondern in die einzelnen Zimmer aufgeteilt.

Die Küchenmöbel sind von den Fluten zerstört und unbrauchbar. © Susanne Merz

„Die Ausstellungsstücke haben uns die Betroffenen gespendet, als wir in die betroffenen Gebiete gereist sind, um Wasserpumpen und Hilfsgüter hinzubringen und vor Ort zu unterstützen“, sagt Noelle. Dabei hätten sie vor allem die Schicksale der Menschen berührt. „Die Menschen sind oft traumatisiert, tief verstört. Sie werden von einem Moment auf den anderen aus ihrem Alltag herausgerissen und haben alles verloren – Erinnerungen, Einrichtungsgegenstände und im schlimmsten Fall Angehörige“, führt sie aus. Neben den Zimmern thematisiert die Ausstellung auch die Schicksale einzelner Menschen aus den betroffenen Gebieten. Die früheren Besitzer und Besitzerinnen dieser Möbel berichten auf Texttafeln und in einem Video von ihren Erfahrungen mit der Flutkatastrophe.

Persönliche Schicksale hinter den Exponaten

So wie Sergio aus Concelice. Die Fluten überraschten den 70-Jährigen und seine Schwester in seinem Haus: „Ich habe nicht mit dieser Wucht gerechnet. Wir haben ein paar Dinge auf die Möbel gestellt, aber das war's.“ Schließlich habe er tagelang im ersten Stock im Haus seiner Schwester ausgeharrt, ohne Strom und Wasser. „Besonders berührt hat mich, dass Sergio sich in dieser Zeit so um seinen alten Kater sorgte, den er nicht bei sich hatte“, erinnert sich Noelle. Es sei rührend gewesen, als er ihn schließlich wiederfand. „Er war ihm unglaublich wichtig“, sagt sie.

Auch diese Kindersachen machten die Wassermassen unbrauchbar. © Susanne Merz

„Wir wollen zeigen, was die Klimakrise im Alltag bedeutet“, sagt die 31-Jährige. „Die Flutwohnung“ tourt seit zwei Jahren durch Deutschland. Sie war unter anderem in München, Dresden und Berlin zu sehen. Die Reaktionen zeigten, dass sie wirkt: „Manche Menschen haben Tränen in den Augen, wenn sie die Stücke anschauen“, sagt Noelle. Leider sei das Thema Klimaschutz angesichts der vielen Krisen in den Hintergrund gerückt. „Auch der Koalitionsvertrag behandelt das Thema stiefmütterlich“, beklagt sie.

Klimapolitik im aktuellen Koalitionsvertrag

Ihre Kritik ist nicht unberechtigt. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD, vorgestellt am 9. April 2025, bekennt sich die Bundesregierung weiterhin zum Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Allerdings kritisieren Umweltverbände und Oppositionsparteien, dass konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels fehlten oder abgeschwächt wurden. Zwar hält die Bundesregierung am Kohleausstieg bis „spätestens 2038“ fest – aber das frühere Ziel eines Ausstiegs bis 2030 ist damit vom Tisch. Zudem plant die Koalition den Ausbau der Gasinfrastruktur und langfristige Gaslieferverträge, was von Umweltverbänden als klimapolitischer Rückschritt gewertet wird. Ein im Wahlkampf versprochenes Klimageld zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bleibt im Vertrag unerwähnt.

Die Zeit drängt: Klimakrise verschärft sich

Und das in einer Zeit, in der die Auswirkungen der Klimakrise immer deutlich spürbar werden. Greenpeace warnt, dass die Menschen rund um den Globus die dramatischen Folgen der Klimakrise zunehmend spüren. Wetter-Extreme wie Stürme, Dürren oder Starkregen seien wahrscheinlicher und häufiger.

Sonderausstellung „Die Flutwohnung“

  • Was? Sonderausstellung mit originalen Möbelstücken aus von Flutkatastrophen betroffenen Regionen (Emilia-Romagna, Ahrtal).
  • Wann & Wo? Vom 22. Mai bis 22. Juni 2025 in der Klimaarena in Sinsheim.
  • Warum? Um die dramatischen Folgen von Flutkatastrophen erlebbar zu machen und das Bewusstsein für die Klimakrise zu schärfen.
  • Wer? Konzipiert und organisiert von Greenpeace, mit Möbelspenden von Betroffenen.
  • Wie? Die Ausstellung zeigt eine „Wohnung“ bestehend aus Wohn-, Schlaf- und Jugendzimmer sowie Küche – aufgeteilt in einzelne Räume.

Erst im Oktober 2024 begann eine verheerende Flutkatastrophe in Valencia, ausgelöst von mehreren Starkregen-Ereignissen, bei der mehr als 230 Menschen starben und zahlreiche Häuser zerstört und unbewohnbar wurden. Greenpeace mahnt, dass solche Ereignisse früher „Jahrhundert-Ereignisse“ hießen, aber mittlerweile nur kurze Zeitabstände zwischen den Katastrophen liegen.

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Die Ausstellung will nicht nur informieren, sondern auch wachrütteln. Wer einmal durch die „Flutwohnung“ gegangen sei, sehe Hochwasser nicht mehr nur als Schlagzeile – sondern als reale Bedrohung mitten im Leben. „Wenn die Leute die Möbelstücke sehen, verstehen sie plötzlich: Das hier kann morgen auch mein Zuhause sein“, sagt Noelle. Die Ausstellung soll deshalb weiterhin durch Deutschland touren – als mahnende Erinnerung an die Folgen der Klimakrise.

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