Brühl

Schutz vor Lichtverschmutzung - Insekten vor dem Tod an der Laterne retten

Viele Insekten könnten durch eine einfache Umrüstung der Straßenbeleuchtung vor dem Tod an der Laterne bewahrt werden. Dies ist das Ergebnis eines Modellversuchs, dessen Ergebnisse jetzt in Brühl vorgestellt wurden

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Konstantin Groß
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Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder (v. l.), ihr Mitarbeiter Daniel Raddatz und Brühls Bürgermeister Ralf Göck stellten das Projekt vor Ort vor. © Konstantin Groß

Brühl. Hinter den Akteuren hängt eine Grafik. Sieht aus wie ein farbiges Röntgenbild. Ist es irgendwie auch. Denn es zeigt Deutschland bei Nacht. Ergebnis: Neben dem Ruhrgebiet ist die Metropolregion Rhein-Neckar nachthellste Ecke im Bundesgebiet.

„Hab’ ja schon immer gewusst, dass hier die hellsten Köpfe leben“, flüstert ein Teilnehmer. Doch so lustig ist obiger Befund gar nicht, wie Daniel Raddatz darlegt. Denn viel Licht in der Nacht, so weiß der Leiter des Referates Naturschutz und Landschaftspflege beim Regierungspräsidium Karlsruhe, das zerstört den Lebensraum von Insekten. „Es verschiebt das ökologische Gleichgewicht“, bringt er es auf den Punkt.

Lichtverschmutzung - zu viel Licht schadet

Seine Behörde hat daher mit 400 000 Euro Landesmitteln ein professionell-wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt für insektenfreundliche Beleuchtung aufgelegt; einer der drei Versuchsstandorte im Regierungsbezirk ist - neben Karlsruhe und Freudenstadt - das Naturschutzgebiet Backofen-Riedwiesen in Brühl. Welche Bedeutung das Projekt hat, zeigt die Tatsache, dass Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder persönlich zur Präsentation nach Brühl-Rohrhof gekommen ist.

„Licht ist ein Umweltfaktor, dem wir uns erst seit Kurzem zugewandt haben“, bekennt der Fachmann. Denn jährlich nimmt die nächtliche Lichtintensität um sechs Prozent zu. Doch zu viel Licht schadet: „Wir sprechen daher auch von Lichtverschmutzung.“ Und die bringt die Natur durcheinander: Für Fledermäuse, nachtaktiv, wird das Leben zur Qual, weil zu hell. Andererseits wiederum: „Tagaktive Vögel beginnen plötzlich, in der Nacht zu singen“. Ganz schlimm erwischt es die Insekten: „Die kreuzen um das Licht und sterben vor Erschöpfung oder verbrennen an der Wärme.“

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Leuchten wirken wie ein "Staubsauger

Damit wird ein wichtiger Teil des Ökosystems gestört: „Insekten erbringen wertvolle Leistungen“, erläutert der Experte. Die reichen vom Bestäuben der Pflanzen bis zum Abbau organischer Substanzen. „Auch für die Sauberkeit von Gewässern haben sie eine wichtige Funktion.“ Es herrscht also Handlungsbedarf. Ansatzpunkt sind die Leuchten: „Sie wirken bisher wie ein Staubsauger.“ Denn sie sind falsch konstruiert. Zum einen durch die Art ihres Lichtes - kaltweißes Licht zieht Insekten besonders an -, zum anderen durch ihre Konstruktion. „Die alten Lampen leuchten waagerecht und manchmal kilometerweit bis in die Bäume hinein“, berichtet Raddatz.

Lichtstärke, Lichtfarbe - und konzentriert nach unten Richtung Gehweg

So überlegten sich die Experten, nicht nur Lichtstärke und Lichtfarbe zu ändern, sondern die Lampen mit Blenden zu versehen. Das Licht geht nun nicht mehr weit zur Seite, sondern konzentriert nach unten auf den Gehweg, wo es ja hin soll. Doch bringt das etwas für die Insekten?

Das wurde nun in dem Modellversuch von Experten des Leibniz-Institutes in Berlin eruiert. Dazu installierten sie 2021 an bisherigen Lampen „Körbe“, in denen die dort zu Tode gekommenen Insekten aufgefangen wurden. Im Jahr darauf machte man das Gleiche an umgerüsteten Lampen. Ergebnis: „An den umgerüsteten Lampen starben weniger als halb so viele Insekten wie an den alten.“ Und dies bei geringem Aufwand: ab 150 Euro pro Lampe.

Insofern war klar, dass dies eine gute Lösung ist. Entlang der Riedwiesen im Promenadenweg wurden neue Lampen installiert. Bis 2030 müssen, so sieht es ein Gesetz vor, ohnehin sämtliche Straßenlaternen derart umgerüstet werden.

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Widerstreitende Interessen in Sachen Licht

Ralf Göck steht da zwar natürlich dahinter: „Aber es gibt dabei durchaus widerstreitende Interessen“, bekennt der Bürgermeister. „Wie oft fordern Eltern, Wege, die als Schulweg genutzt werden, zu beleuchten“, berichtet er: „Dieser Druck ist massiv. Dann heißt es: Muss erst was passieren?“ Auch die Polizei rate dazu, Plätze zu beleuchten, damit „sich Missstände nicht verfestigen“.

Auf weitere Probleme weist Wiesenhüter Fritz Fichtner hin, nämlich die intensive Beleuchtung in Sportparks nahe Landschaftsschutzgebieten. „Und was ist eigentlich mit Privatgrundstücken, deren Halogenscheinwerfer die Straßen taghell erleuchten?“ Hier gebe es keine rechtliche Handhabe, sagen die RP-Vertreter, die daher auf Information und Überzeugung setzen. „Aber“, so bittet Felder um etwas Geduld, „wir fangen ja jetzt erst an“.

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