Justiz

Säugling in Speyer fast totgeschlagen - so geht es dem Kind heute

Vor drei Jahren soll ein Baby in Speyer durch seine Eltern schwer misshandelt worden sein. Am Dienstag hat im Prozess der Amtsvormund des Kindes ausgesagt - und eine Hypothese bezüglich der Mutter geäußert

Von 
Julian Eistetter
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Der Amtsvormund des misshandelten Jungen, Jochen Götzmann (r.), mit Opfer-Anwalt Thomas Franz. © Agnes Polewka

Speyer/Frankenthal. Im Prozess um die Misshandlung eines Säuglings gegen ein Speyerer Elternpaar hat am Dienstag vor dem Frankenthaler Landgericht der Amtsvormund des kleinen Milan (Name geändert) ausgesagt. Jochen Götzmann vom Speyerer Jugendamt ist in diesem Verfahren jedoch nicht nur Zeuge, sondern tritt auch als Nebenkläger auf, um die Interessen des Kindes zu vertreten, das am 12. Juli 2020 mit schwersten inneren Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert wurde und dessen Leben nur durch eine Notoperation gerettet werden konnte. Davon habe sich der heute Dreijährige inzwischen ganz gut erholt, schildert Götzmann am Dienstag, als er zum Gesundheitszustand des Jungen befragt wird.

Milan lebt inzwischen bei Pflegeeltern. Auch das Sorgerecht für die ältere Schwester wurde den Angeklagten Demetrius und Tanja H. wenige Tage nach der Einlieferung des Jungen in das Krankenhaus entzogen. Seit der Dreijährige sich in der Pflegefamilie befinde, habe es keine Auffälligkeiten mehr gegeben, sagt Götzmann. „Er ist ein sehr agiles Kind und tobt gerne herum.“ Anfangs sei das noch nicht möglich gewesen, denn bis etwa Mitte 2021 musste Milan mit einer Sonde ernährt werden, da Teile seines Darms infolge der schweren inneren Verletzungen entfernt worden waren. Verantwortlich soll dafür laut Anklage der Vater sein, Demetrius H. Die Mutter dagegen soll zu spät auf die Notlage des Kindes reagiert haben.

Über einen Schlauch ernährt

„Zu Beginn wurde er in jeder Minute des Tages über einen Schlauch ernährt, erst mit der Zeit konnte die Kalorienzahl gesteigert werden und er musste nicht mehr permanent versorgt werden“, berichtet der Amtsvormund. Mit der Zeit sei die Sonde nur noch zeitweise angeschlossen worden, bis sie schließlich gar nicht mehr notwendig war. „Das Gerät hat ihn natürlich gestört, das war schwierig. Das bedeutete viel Arbeit für die Pflegemutter.“

Im Gegensatz zur Zeit bei seinen Eltern neige der Junge nun nicht mehr dazu, leicht blaue Flecken zu bekommen oder sich Knochen zu brechen. Wenn er sich mal einen blauen Fleck beim Spielen hole, so heile dieser auch schnell wieder ab, erläutert der Zeuge. Auch von häufigem Erbrechen ist am Dienstag keine Rede mehr. Unter diesem soll Milan nach Angaben seiner Mutter von Geburt an gelitten haben. Zahlreiche Besuche in Praxen und Kliniken stehen zu Buche.

Krankheitssymptome durch Mutter provoziert?

In diesem Zusammenhang berichtet Götzmann auf Nachfrage des Opfer-Anwalts Thomas Franz, dass er mit Blick auf Tanja H. das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, auch Münchhausen-by-proxy-Syndrom genannt, in Betracht gezogen habe. Dabei handelt es sich um eine artifizielle Erkrankung, bei der betreuende Personen, zu 98 Prozent Frauen, Krankheitssymptome bei einem Kind provozieren, die einen Kontakt zum Arzt rechtfertigen. Der Internetseite des National Center for Biotechnology Information zufolge ist das Münchhausen-by-proxy-Syndrom auch eine Form der Kindesmisshandlung.

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„Wir haben uns Gedanken gemacht und das als eine Hypothese aufgestellt“, sagt Götzmann. Ein Anhaltspunkt sei die große Diskrepanz zwischen den Beschreibungen Tanja H.s als fürsorgliche und liebevolle Mutter und den vielen unerklärlichen Verletzungen gewesen. Nach der Trennung von der Mutter sei es zudem bei dem Kind zu einer schnellen Besserung gekommen. Auch bestehe bei der Mutter eine hohe Affinität zu medizinischen Themen, wie es bei Betroffenen oft der Fall sei. Nachzuweisen sei die Hypothese jedoch nicht. „Es handelt sich um ein schwer zu diagnostizierendes Krankheitsbild, insbesondere, wenn die Interaktion zwischen Kind und Mutter getrennt ist.“

Wie berichtet, hatte Tanja H. die Vorwürfe gegen sich zurückgewiesen. Auch ihrem mittlerweile von ihr getrennt lebenden Ehemann traut sie die Taten nicht zu. Wie es zu den schweren Verletzungen kommen konnte, sei für sie nicht erklärbar.

Der Prozess wird am Donnerstag um 14.30 Uhr fortgesetzt. Dann soll eine behandelnde Kinderärztin aussagen.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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