Justiz

Misshandeltes Baby aus Speyer: Mutter weist Vorwürfe zurück, Vater schweigt

Der Vater soll den sechs Monate alten Sohn fast totgeschlagen, die Mutter viel zu spät reagiert haben: Am zweiten Verhandlungstag im Prozess um einen misshandelten Säugling äußert sich die Angeklagte erstmals

Von 
Julian Eistetter
Lesedauer: 
Demetrius H. und Tanja H. mit ihren Verteidigern Alexander Kiefer (l.), Inga Berg und Matthias Klein. Das Ex-Paar soll den gemeinsamen Sohn misshandelt haben. © j. Eistetter

Frankenthal. Es sei nichts gewesen. Mehrfach wiederholt Tanja H. das am zweiten Verhandlungstag im Prozess um die Misshandlung eines Babys, ihres Sohnes, am Frankenthaler Landgericht. „Wir werden für etwas beschuldigt, was nicht war“, sagt die 32-Jährige aus Speyer an einem Punkt ihrer Einlassung und meint damit auch ihren 39 Jahre alten Ex-Mann Demetrius H., der mit ihr auf der Anklagebank sitzt. Mehrfach beginnt sie am Dienstag zu weinen, immer wieder muss die Verhandlung unterbrochen werden. Beim betrachten der Lichtbilder ihres verletzten Kindes bricht sie regelrecht zusammen. Die Vorwürfe weist sie entschlossen zurück, der Vater äußert sich nicht dazu.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Wie berichtet, wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann vor, im Juli 2020 den damals sechs Monate alten gemeinsamen Sohn in der Wohnung des Paars in den Bauch geboxt und dessen Kopf gegen einen festen Gegenstand geschlagen zu haben. Das Baby habe ein Schädel-Hirn-Trauma und Brüche erlitten, Teile des Darms mussten entfernt werden. Die Mutter sei zu diesem Zeitpunkt zwar nicht zuhause gewesen, habe aber bei ihrer Ankunft nicht auf die offensichtliche Notlage reagiert, so die Vorwürfe. Den Notarzt habe sie erst viel zu spät kontaktiert, so dass eine Notoperation das Leben des Säuglings retten musste.

In ihrer von Verteidiger Matthias Klein verlesenen Einlassung widerspricht sie dieser Darstellung. Sie habe an besagtem Tag mit der älteren Tochter, die heute in einem Heim lebt, die Großeltern besucht. Als sie zurückgekommen sei, habe Milan (Name geändert) noch in seiner Wippe gelegen. Kurz darauf sei er aufgewacht, seine rechte Hand sei in die rechten Wange gekrallt gewesen, am Auge sei ihr ein Kratzer aufgefallen. In der Wippe habe sie zudem Erbrochenes festgestellt. Das sei jedoch nichts Ungewöhnliches gewesen, denn ihr Sohn habe sich seit der Geburt häufig übergeben, weswegen sie häufig mit ihm in Praxen und Kliniken gewesen sei.

Keine Verletzungen aufgefallen

Weitere Verletzungen seien ihr zu diesem Zeitpunkt nicht aufgefallen. „Ich wollte ihn stillen, doch das hat nicht geklappt. Da dachte ich, er zahnt“, berichtet die Mutter. Beunruhigt sei sie erst gewesen, als ihr Sohn sich abermals erbrochen habe und das Erbrochene bräunlich war. „Das war vorher noch nie so.“ Jetzt habe sie eine befreundete Kinderkrankenschwester angerufen, die vermutet habe, dass Darminhalt in den Magen gelangt sein könnte.

In diesem Moment habe ihr Mann gerufen, dass etwas mit dem Kind nicht stimme. „Er hat einen brettharten Bauch gehabt und wurde apathisch.“ Die Mutter habe den Notruf gewählt, insgesamt drei Mal, da es ihr „nicht schnell genug“ gegangen sei. Zwischendurch sei sie zu einem Nachbar gerannt, der Arzt sei, doch der war nicht zuhause. Als sie wieder in die Wohnung gekommen sei, seien die Beine des Kleinen bereits blau gemustert gewesen. „Der Zustand hat sich so schnell verschlechtert.“ Dann seien die Sanitäter und der Notarzt gekommen.

Mehr zum Thema

Justiz

Baby in Speyer lebensgefährlich verletzt?

Veröffentlicht
Von
Agnes Polewka
Mehr erfahren
Justiz

Haben Eltern aus Speyer ihr eigenes Baby fast totgeschlagen?

Veröffentlicht
Von
Agnes Polewka
Mehr erfahren
Frankenthal

Säugling misshandelt? Verfahren gegen Ehepaar aus Speyer beginnt

Veröffentlicht
Von
lrs
Mehr erfahren

Wie es zu den schweren Verletzungen und der bedrohlichen Situation kommen konnte, könne sie sich nicht erklären, sagt Tanja H. auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Uwe Gau. „Es gibt kein Erlebnis, das ich damit in Verbindung bringen kann“, sagt sie. Anders sei das bei einem Oberschenkelhalsbruch, den das Baby bereits im Alter von nur sechs Wochen erlitten hatte. Dessen damals etwa dreijährige Schwester habe auf der Couch getollt und sei auf ihren Bruder gefallen, berichtet sie. Dass sie bei einem früheren, den Akten beigefügten Gespräch gesagt habe, dass für sie dieser Vorfall aber keine Erklärung für den Bruch sein könne, verneint sie am Dienstag vehement. „Das habe ich so niemals gesagt“, betont sie.

Probleme bei der Arbeit?

Auch an mögliche Probleme ihres Mannes bei der Arbeit, die zu einer psychischen Instabilität geführt haben könnten, kann sie sich nicht erinnern. Auch nicht, als Gau ihr eine E-Mail vorhält, in der von einem „kleinen, kompletten Nervenzusammenbruch“ die Rede ist, und die Demetrius H. offenbar an einen Kollegen geschickt hat. „Wenn, dann hat er nicht mit mir darüber gesprochen“, sagt Tanja H. Ihren Ex-Mann beschreibt sie als freundlich, zuvorkommend, hilfsbereit und ausgeglichen. Zu Gewalt sei es in der Ehe niemals gekommen.

Nach kritischen Hinweisen in einer Facebook-Gruppe für Mütter habe sie sich durchaus einmal mit dem Gedanken auseinandergesetzt, dass ihr damaliger Mann für den schlechten Gesundheitszustand des Kindes verantwortlich sein könnte. „Ich habe davor die Augen nicht verschlossen. Aber das Ganze war nach meinem Empfinden nicht durch Gewalt durch ihn zu erklären.“

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen