„Es ist eigentlich nichts anderes als ein Verlängerungskabel direkt von der Nordsee bis nach Südhessen“, verdeutlicht Dominik Stauder. Der Mann ist Gesamtprojektleiter für das Projekt „Rhein-Main-Link“ - sozusagen eine vierspurige und 500 Kilometer lange Stromautobahn von der Nordsee in den Süden. „Ein Schlüsselprojekt der Energiewende“, nennt Projektsprecher Jonas Knoop das Vorhaben. Die Metropolregion nimmt dabei eine zentrale Stellung ein. Sie ist nämlich Endpunkt von zwei der insgesamt vier geplanten Stromtrassen, die den Windstrom vom Norden bis nach Süddeutschland transportieren soll. Verantwortlich ist der Übertragungsnetzbetreiber Amprion.
Zentrale Verteilstelle wird dabei das Umspannwerk im südhessischen Bürstadt sein. Von hier aus werden dann beispielsweise auch die BASF und der Großraum Mannheim mit dem umweltfreundlichen Strom versorgt. Die zwei mächtigen Kabel, jeweils 20 Zentimeter dick - transportieren jeweils eine Leistung von zwei Gigawatt aus den Windrädern in der Nordsee in die Metropolregion. Allerdings wird es noch voraussichtlich bis zum Jahr 2033 dauern, bis der erste Strom aus diesen Leitungen hier ankommt.
Gewaltiger Energiehunger
Amprion, einer von insgesamt vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern, will auch keine Zeit verlieren. Schließlich hat sich Deutschland eine klimaneutrale Energieversorgung bis 2045 zum Ziel gesetzt. Aktuell verbraucht das Land 530 Terrawattstunden (TWh). Die Experten gehen davon aus, dass 2045 der Stromverbrauch bei 1300 TWh liegen wird. Dann soll es allerdings auch eine installierte Leistung aus erneuerbaren Energien von bis zu 700 Gigawatt geben. Zum Vergleich: Aktuell produzieren die Erneuerbaren rund 155 Gigawatt.Der Energiehunger ist gerade in der näheren und weiteren Region riesig. BASF verbraucht alleine etwa zwei Drittel des Bedarfs von ganz Rheinland-Pfalz. Und die Rechenzentren, die im Wirtschaftsraum Frankfurt eingerichtet sind, verbrauchen jeweils genauso viel Strom wie die Stadt Ludwigshafen (ohne die BASF).
„Über der Nordsee weht immer ein kräftiger Wind“
Der große Vorteil der Nordsee-Windkraft: Sie ist grundlastfähig, steht also im Unterschied hier hiesigen Windenergie und Photovoltaik rund um die Uhr zur Verfügung, beschreibt Projektleiter Stauder einen wesentlichen Vorteil: „Über der Nordsee weht immer ein kräftiger Wind.“
Um Planungszeit und Kosten beim Ausbau des Energietransports zu sparen, bündelt Amprion gleich vier solcher Leitungen in Planung und Bau. Neben den beiden Leitungen nach Bürstadt werden weitere zwei Kabel im Bereich um Wiesbaden und Frankfurt enden.
Kabel verlaufen unterirdisch
Die Kabel werden unterirdisch in etwa zwei Metern Tiefe verlegt. Aktuell beginnt die Suche nach dem genauen Verlauf der Trasse. Gerade erst am vergangenen Donnerstag hat die Bundesnetzagentur einen Ausbaukorridor von der Nordsee bis nach Bürstadt von etwa zehn bis 15 Kilometern Breite festgelegt. Innerhalb dieses Korridors muss Amprion nun den genauen Verlauf finden, wo möglichst wenig Eingriffe in die Natur stattfinden müssen.
Das Erdkabel verschwindet zwar im Boden. Die Baustelle wird sich jedoch in einer Breite von 70 Metern durch die Republik fräsen. Und danach bleibt ein Schutzstreifen von 40 Metern dauerhaft erhalten. Dann darf zwar über den Leitungen auch wieder Landwirtschaft betrieben werden. Es dürfen aber keine sogenannten Tiefwurzler mehr angepflanzt werden. Im Klartext: Durch den Wald in Südhessen und im Taunus wird sich eine 40 Meter breite Schneise schlagen. Auch in der dicht besiedelten Metropolregion, in der schon jetzt der Platz knapp wird, dürfte es Diskussionen geben. Denn am Ende der Stromautobahn muss zwingend ein Konverter stehen, der den Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt. Ein solcher Konverter - eine bis zu 15 Meter hohe riesige Halle - hat einen Platzbedarf von sechs bis zehn Hektar Fläche, also von bis zu 14 Fußballfeldern. Da hier zwei „Fahrbahnen“ der Stromautobahn münden, ließen sich auch hier die Konverter durchaus bündeln, mit einem etwas geringeren Gesamtplatzbedarf. Die Konverter müssen auch nicht direkt in Bürstadt gebaut werden, sondern können auch in einer Entfernung von bis zu zehn Kilometern entstehen. Damit kämen also durchaus auch Bereich im Norden von Mannheim oder bei Frankenthal in Frage.
Rhein-Main-Link
- Vier Leitungen werden vermutlich ab 2033 regenerativen Strom aus Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee mit einer Gesamtleistung von bis zu acht Gigawatt nach Südhessen leiten.
- Zwei Leitungen enden in Bürstadt. Der Strom aus diesen Verbindungen reicht für den Bedarf von vier Millionen Menschen.
- Windstrom von der Nordsee gilt als grundlastfähig, weil er immer mit einer gewissen Stärke weht.
- Bis Juni 2024 will Betreiber Amprion den exakten Verlauf der Trasse ermitteln.
- Die Leitungen sind mehr als 500 Kilometer lang.
Um möglichst früh mit den betroffenen Behörden, Umweltschützern und betroffenen Bürgern Probleme auszuräumen, setzt Amprion auf intensive Bürgerbeteiligung und breite Information. Schon jetzt gibt es ausführliche Infos im Internet unter rhein-main-link.de.
Vor dem Hintergrund der Energiewende bis 2045 ist der Zeitplan straff geknüpft. Schon im kommenden Juni will Amprion den konkreten Trassenverlauf auf den Tisch legen. Es folgen vier Jahre, in denen Einwender ihre Bedenken formulieren und vortragen können. Diese werden vermutlich im Jahr 2027 erörtert, also in die Planung eingearbeitet oder verworfen. Mit dem Planfeststellungsbeschluss rechnet Amprion im Idealfall im ersten Halbjahr 2028. Dann soll auch zügig mit dem Bau der Stromautobahn begonnen werden.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Region Der Preis der Energiewende