Heidelberg

Prozessauftakt in Heidelberg: Enkeltrick-Betrüger erzählt

Ein Lockvogel half bei der Festnahme des heute Angeklagten. Am Landgericht Heidelberg hat ein Prozess gegen einen mutmaßlichen Betrüger begonnen. Er war Teil einer Schockanrufer-Bande

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Mit sogenannten Schockanrufen erbeuten Banden immer wieder hohe Geldsummen. In Heidelberg wurde nun ein solcher Fall verhandelt (Symbolbild). © dpa

Heidelberg. „Mama, ich habe eine Frau totgefahren!“ Mit solch einem ins Telefon gebrüllten Satz beginnen viele Schockanrufe. Deren Absicht: eine vermeintliche Kaution zu erschwindeln, die angeblich Angehörige vor Haft bewahren soll. Dies trifft auch für einen jener fünf Fälle zu, um die es in einem Prozess vor dem Heidelberger Landgericht rund um Vorwürfe des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs geht.

Üblicherweise werden bei Delikten mit alten Menschen als Opfer-Zielgruppe selten wichtige Hintermänner geschnappt, sondern angeworbene „Läufer“: Auf der Anklagebank sitzt ein in Polen lebender, in Ludwigshafen geborener 31-Jähriger, dem zur Last gelegt wird, bei trickreich in die Irre geführten Hochbetagten jeweils Bargeld und Wertsachen abgeholt zu haben.

Der Angeklagte Templer P. ist kein Unbekannter

Templer P. ist für die Justiz kein Unbekannter. Mit 16 Jahren ist er in Berlin das erste Mal dafür verurteilt worden, dass er sich von einer „Enkeltrick-Bande“ anwerben ließ, um bei einer 79-jährigen Geld entgegenzunehmen. Zwei weitere einschlägige Verurteilungen sollten folgen.

Die vom Ersten Staatsanwalt Thomas Bischoff verlesene Anklage schildert vier vollendete Betrugsfälle und einen versuchten Schwindel, an dessen Ende der 31-Jährige festgenommen wurde. Im Falle einer 84-Jährigen, der vorgegaukelt wurde, die Tochter habe eine rote Ampel missachtet und eine Radfahrerin tödlich verletzt, erklärte beispielsweise ein „falscher“ Staatsanwalt, mit einer Kaution von 70 000 Euro könne von einer Haft abgesehen werden. Da die alte Dame angab, auf ihrem Sparkonto lägen nur 25 000 Euro, war die Summe entsprechend reduziert worden. Templer P. hat das Geld abgeholt. Bei vier solcher Schockanrufe, alle nach dem gleichen Prinzip, sollen insgesamt 128 000 Euro ergaunert worden sein.

Verteidigung räumt Vorwürfe "voll umfänglich" ein

Wie Verteidiger Michael Euler vorträgt, räumt sein Mandant die ihm zur Last gelegten Vorwürfe „voll umfänglich“ ein. Der Vorsitzende der Großen Strafkammer, Jochen Herkle, nimmt sich viel Zeit, mit dem Deutsch sprechenden Angeklagten - „das habe ich im Knast gelernt“ - biografische Stationen nachzuzeichnen: Dieser berichtet, von der Mutter nach vier Jahren in seiner Geburtsstadt Ludwigshafen nach Polen zu den Großeltern gebracht worden zu sein. Er habe weder eine Schule besucht noch einen Beruf erlernt. Der ledige Angeklagte führt aus, mit zwei verschiedenen Frauen drei Töchter zu haben, für die er aber keinen Unterhalt zahle. Die erste Beziehung habe er nach Roma-Ritus legalisiert.

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Templer P. gibt an, in Polen von einem Bekannten - dessen Namen er aber nicht preisgeben möchte - für eine auf Schockanrufe spezialisierte Gruppierung angeworben worden und jeweils mit dem Zug nach Deutschland gereist zu sein, wo er zu den kurzfristig genannten Einsätzen in verschiedenen Städten per Taxi fuhr. Das Honorar: stets 1000 Euro vorab auf die Hand und weitere 2000 Euro, wenn die erschwindelte Summe erfolgreich über die polnische Grenze gebracht worden ist. Auf Nachfrage des Kammervorsitzenden erklärt der Angeklagte, sehr wohl gewusst zu haben, was es mit den abgeholten Umschlägen samt Geld, häufig auch Gold und Schmuck auf sich hatte - „es war nicht richtig, aber ich brauchte Geld“.

Lockvogel half bei Festnahme von Templer P.

Wie die vom Ausland aus agierenden Bandenmitglieder den betagten Opfern Lügengespinste auftischen, um sie emotional unter Druck zu setzen, schildert jener Zeuge, der den angeblichen Unfall seines Sohnes schnell durchschaut hatte und für die Polizei den Lockvogel spielte. Wie der 61-Jährige aus Dossenheim ausführt, wäre er einige Monate zuvor solcherart Betrügern fast auf den Leim gegangen - weil damals ein Schockanruf aus Frankfurt kam, wo seine Tochter, die eine Mutter mit zwei Kindern umgefahren haben sollte , tatsächlich wohnte. „Ich habe zunächst alles geglaubt!“

Der Prozess wird am 18. Januar 13.30 Uhr fortgesetzt.

Freie Autorin

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