Frankenthal. Am späten Donnerstagnachmittag neigt sich vor dem Frankenthaler Landgericht ein Prozess seinem Ende zu, der allen Beteiligten viel abverlangt hat. Es geht um den Tod zweier junger Frauen und eines 15 Monate alten Jungen. Um Hinterbliebene, die mit ihrem tiefen Schmerz im Gerichtssaal sitzen. Es geht um Schuld. Und um die Frage nach einem gerechten Strafmaß für Daniel M., den Angeklagten.
Seit zwei Wochen muss sich M. wegen fahrlässiger Tötung und eines illegalen Autorennens vor Gericht verantworten. Bei einem Unfall vor knapp zwei Jahren soll er zwischen Weisenheim am Berg und Kirchheim (Kreis Bad Dürkheim) mit seinem Jaguar XF in einer schlecht einsehbaren Kurve auf die Gegenfahrbahn gedriftet und frontal mit einem Kleinwagen zusammen gestoßen sein. Mit rund 120 Stundenkilometern, zuvor soll er seinen Wagen auf etwa 150 km/h beschleunigt haben.
Er hat das Schicksal geradezu herausgefordert
Akribisch haben zwei Gutachter, der Frankenthaler Ingenieur Hubert Mrugalla und sein Münchner Kollege Peter Stolle, technische Daten ausgelesen und ausgewertet und so die Fahrgeschwindigkeit ermittelt. In Computersimulationen nachgestellt, wie die beiden Fahrzeuge zusammenprallten.
Gleich zu Beginn des Prozesses hat der Angeklagte eine Straßenverkehrsgefährdung und die fahrlässige Tötung der drei Unfallopfer eingeräumt - nicht aber den Vorwurf des illegalen Autorennens, der am vorletzten Prozesstag eine zentrale Rolle spielt. In der Befragung der beiden Gutachter - und in den Plädoyers.
Es ist der erste Fall am Frankenthaler Landgericht, in dem es auch um den sogenannten Raser-Paragrafen geht. 2017 wurde dieser im Strafgesetzbuch verankert, seitdem können Autofahrer wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens bestraft werden, auch wenn sie das Rennen nur gegen sich selbst fahren. Der Strafrahmen liegt bei einer Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren.
Die Frage danach, ob Daniel M. gerast ist, entscheidet somit auch darüber, ob er ins Gefängnis muss. „Er hat das Schicksal geradezu herausgefordert“, sagt Oberstaatsanwalt Wolfgang Seifert in seinem Plädoyer. „Er muss in der Absicht gehandelt haben, die schnellstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen.“ Der Angeklagte habe keine Eile gehabt, sondern den „Kick“ gesucht. Mit fatalen Folgen. „Das Unfassbare liegt darin, dass sie weg sind.“ Drei Menschenleben. Seiferts Stimme versagt. Er setzt neu an: „Sie hatten keine Chance, sich zu verabschieden, Bilanz zu ziehen, irgendetwas zu regeln.“ Im Gerichtssaal wird es still. Der Oberstaatsanwalt fordert vier Jahre und sechs Monate Haft und eine fünf Jahre währende Führerschein-Sperre. Aufgrund der Zeugenaussagen und der Auswertung der technischen Daten, die sich schwierig gestaltete. „Jaguar hat nach Kräften versucht, die Auswertung zu verhindern“, sagt Seifert. Er spricht von unmoralischen Winkelzügen, die die Aufarbeitung des Unfalls um Monate verzögert hätten.
Angehöriger beschreibt tiefe Trauer
Und dann brechen sich all die Emotionen Bahn, die die Angehörigen seit Prozessbeginn zurückgehalten haben.
Mit brüchiger Stimme setzt Volker Hoffmann, der die Eltern der getöteten Beifahrerin vertritt, zu seinem Plädoyer an. Er beschreibt die tiefe Trauer der beiden. Ihren Wunsch nach umfassender Aufklärung. Ihre Enttäuschung darüber, dass der Angeklagte nicht mehr dazu gesagt hätte, warum er so schnell fuhr. Und darüber, dass er nur ein Teilgeständnis abgelegt hat. Wie belastend die Aussage seines Beifahrers gewesen sei.
Rechtsanwalt Hans-Norbert Rempel erhebt sich. Er vertritt Steffen Kirchner, der bei dem Unfall seine Frau und seinen 15 Monate alten Sohn verloren hat. Die Frage danach, ob die Fahrerin den Unfall hätte verhindern können, habe ihn und Kirchner geärgert. „Ich empfand das als sehr unangemessen“, sagt Rempel. Sein Blick streift Bastian Bubel, den Verteidiger des Angeklagten. Dann spricht Steffen Kirchner. Er richtet das Wort an Daniel M.: „Sie haben einen 15 Monate alten Jungen und zwei junge Frauen getötet.“ Daniel M. habe sich mit seinem Auto zeigen, etwas darstellen wollen. „War es das wert, unsere Familie zu zerstören?“
Die Vertreter der Nebenkläger schließen sich den Forderungen der Staatsanwaltschaft an. Verteidiger Bastian Bubel spricht fast eine Stunde lang. Er seziert Zeugenaussage um Zeugenaussage. Stempelt sie als untauglich ab. Spricht von einer beispiellosen medialen Vorverurteilung seines Mandanten, tendenziösen Befragungen bei der Polizei. Und fordert eine Bewährungsstrafe für Daniel M., der sich vor dem Urteil am Freitag noch einmal entschuldigt. Für die Antworten, die er nicht geben konnte und für die Zeit, die er nicht zurückdrehen kann.
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