Heidelberg. „Als wir zwei Tage durch Russland fahren mussten, hatten wir schon ein mulmiges Gefühl“, sagt Sebastian Schmitt. Probleme habe es schon vor dem Grenzübertritt gegeben. Da ihre Dokumente nicht auf Russisch vorlagen, habe sie der Grenzbeamte an der georgisch-russischen Grenze nicht akzeptiert. Eine Woche dauerte es, bis sie in Tiflis eine Übersetzung organisieren konnten.
„Wir waren dann aber sehr positiv überrascht von den Menschen, die wir getroffen haben“, fügt er hinzu. Alle seien sehr freundlich gewesen. Dennoch seien er und seine Frau Anna-Lena zügig durchgefahren. Insgesamt waren die beiden Pfadfinder ein Jahr auf Weltreise – mit einem alten, umgebauten Feuerwehrauto namens „Scouti“. Im Mai sind sie nach Heidelberg zurückgekehrt – um zahlreiche Erfahrungen reicher.
Ein Jahr auf Tour für Toleranz und Begegnung
Im Rahmen ihres Projekts „World Tour of Scout Movement“ besuchten Sebastian und Anna-Lena Schmitt Pfadfinderverbände in aller Welt. Ihr Ziel: den Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft fördern und so Toleranz und Weltoffenheit stärken. Entlang einer festgelegten Route reisten sie durch zahlreiche Länder und dokumentierten ihre Begegnungen in digitalen Medien. Sie verbrachten Zeit mit den jeweiligen Gastgebern, tauschten Rezepte, Ideen und Projekte aus, boten Workshops an und gingen gemeinsam auf Exkursion.
Ihre Begegnungen teilen sie über soziale Medien wie Instagram und entwickeln außerdem Bildungsmaterialien, die sie auf ihrer Webseite frei zugänglich machen (https://world-tour-of-scout-movement.org/). „Wir wollen zeigen, wie vielfältig und bereichernd interkulturelle Begegnungen sein können“, erklärt Schmitt. Das entstehende Gesamtbild soll als positives Beispiel dienen – für mehr Verständnis, gegenseitigen Respekt und ein friedliches Miteinander.
Im April 2024 begann ihre abenteuerliche Reise in Heidelberg, wo das Ehepaar wohnt. Ihre Heimat liegt aber in Landau, in der Pfalz. Ihre Route führte sie zunächst durch Europa, beginnend in Österreich, über Kroatien, Albanien und Griechenland bis in die Türkei. „In Griechenland war der Empfang sehr herzlich, auch weil die Griechen Herzlichkeit über Essen ausdrücken. Beim gemeinsamen Kochen entstand schnell eine Verbindung“, schwärmt Schmitt. Dort nahmen sie an einem Pfadfindercamp am Fuße des Olymp teil, erlebten die griechische Pfadfindertradition und hielten einen Workshop zu Themen wie Identität und Vorurteilen.
Die Route in Zahlen
- Start : April 2024
- Dauer: 1 Jahr
- Gefahrene Kilometer: ca. 25.000
- Bereiste Länder : über 20
- Kontinente : Europa, Asien, Süd- & Mittelamerika
- Fahrzeug: umgebautes Feuerwehrauto „Scouti“
- Mitreisende: Sebastian & Anna-Lena Schmitt , unterstützt von einem Projektteam in Deutschland
- Erreichte Menschen: über 650.000 (online)
Von der Türkei aus ging es weiter nach Georgien, Aserbaidschan, Turkmenistan, Kirgisistan, China und Laos. Das Feuerwehrauto Scouti ließ sie nie im Stich: „Wir hatten viel Glück, in Laos schafften wir es sogar überschwemmte Straßen zu überqueren und in Kambodscha war es schon mal recht wackelig auf den Straßen, aber größere Pannen gab es keine. Einmal ließen wir einen Dichtungsring in China tauschen und Öl wechseln. Kleine Reparaturen konnten wir selbst übernehmen“, erinnert sich Schmitt.
Abenteuer zwischen Anden, Regenwald und Highways
Nach den Stationen in Asien wurde „Scouti“ in Malaysia zurückgelassen und per Schiff nach Belgien verschifft – aus Zeit- und Kostengründen. Für die nächste Etappe stiegen die beiden Pfadfinder auf Rucksack und Flugzeug um, mit dem Ziel Südamerika. Die Tour führte sie durch Chile, Argentinien, Bolivien und weiter nach Panama und Costa Rica. Besonders eindrucksvoll sei für Schmitt die Zeit in Argentinien gewesen: „In Mendoza und Cordoba haben wir Pfadfindergruppen besucht, die sich sehr intensiv mit Umwelt- und Klimafragen beschäftigen. Dort haben wir auch zum ersten Mal erlebt, wie sehr Pfadfinden politische Verantwortung übernehmen kann – ganz konkret im Stadtviertel“, erzählt er. Zum Abschluss ihrer einjährigen Tour flog das Paar dann nach Kanada.
Die Reise der beiden war nicht nur eine physische, sondern auch eine digitale Expedition. Mithilfe ihrer Webseite und Social-Media-Kanäle erreichten sie über 650.000 Menschen – mit Videos, Interviews, Rezepten und Geschichten, die Einblicke in die kulturelle Vielfalt der Pfadfinderbewegung geben.
Nach ihrer Rückkehr ist die Arbeit längst nicht getan: „Wir arbeiten mit unserem Projektteam daran, das Material aufzubereiten. Das ist noch sehr viel Arbeit“, sagt Schmitt. Deswegen seien auch noch nicht alle Materialien zu jeder Station auf der Webseite verfügbar. Was er unterwegs gelernt hat, will er weitergeben. Denn Schmitt ist überzeugt: „Man sollte mit Offenheit auf andere Kulturen zugehen und sich erst danach eine Meinung bilden. Oft blockieren uns unbewusst innere Vorurteile. Wenn wir über unseren eigenen Schatten springen, entsteht der wahre Dialog.“
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