Justiz

Sechs Jahre Haft für Rauenberger Geldautomaten-Sprenger

Mitten in der Nacht knallte es in Rauenberg. Vor dem Heidelberger Landgericht muss sich ein 25-Jähriger verantworten, dem eine Beteiligung an der Geldautomaten-Sprengung vorgeworfen wird. Er hat bestritten, mit der Tat etwas zu tun zu haben

Von 
Michaela Roßner
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Ein gesprengter Geldautomat: In wenigen Minuten und mit viel Energie sprengen Banden die Ausgabegeräte landauf, landab. © René Priebe

Heidelberg/Rauenberg.

Im Prozess um einen 2020 in Rauenberg gesprengten Geldautomaten ist ein 25-Jähriger am Freitagnachmittag vom Heidelberger Landgericht zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und blieb unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die sieben Jahre Haft gefordert hatte. Die Verteidiger plädierten auf einen Freispruch.

Seinen 26. Geburtstag in wenigen Tagen wird der Niederländer nun im deutschen Gefängnis verbringen. Fünf Prozesstage hatte er schweigend und regungslos begleitet. Bei der Urteilsbegründung indes bat der Verteidiger um eine kurze Pause und einen Becher Wasser für seinen Mandanten, der kreideweiß auf den Tisch vor ihm sank. Er hatte eine Beteiligung an dem Anschlag auf den Bankautomaten im Kraichgau in der Nacht auf den 30. September 2020 den Prozess über bestritten.

Tätergruppen

  • „Plofkrakers“ – wörtlich übersetzt bedeutet das „Knallknacker“ – nennt man in den Niederlanden Gruppen und Täter, die sich auf das Knacken von Geldausgabeautomaten mittels Sprengstoff oder Gas spezialisiert haben.
  • Meist von Garagenverstecken in Südholland aus rasen die Täter zu ihren Tatorten und unmittelbar danach zurück.
  • Anfang Februar hat es in den Niederlanden eine Razzia gegeben. Die dabei Festgenommenen werden mit mehr als 50 gesprengten Automaten und 5,2 Millionen Euro Beute in Verbindung gebracht. 

 

Doch die Richter unter dem Vorsitz von Jochen Herkle hatten keine Zweifel daran, dass der Angeklagte an der Tat beteiligt war. Auf einem Bedienfeld im Fahrerbereich des mutmaßlichen Fluchtfahrzeugs, das vier Monate nach der Tat in einer „Bunkergarage“ in den Niederlanden gesichert wurde, war eine DNA-Spur von ihm gefunden worden.

In nur viereinhalb Minuten hatten drei Täter - zwei davon sind noch nicht ermittelt - 117 205 Euro erbeutet und mehr als 56 000 Euro Schaden in der Bank hinterlassen. Mit einem gestohlenem Audi RS 7 waren die Täter Richtung Heidelberg gefahren. Auf einem Mitfahrerparkplatz an der A 61 in Pfalzfeld schraubten sie zwei Kennzeichenpaare ab und montierten eines an den Wagen.

Bandendiebstahl nicht nachweisbar

Angeklagt war der 25-Jährige wegen schweren Bandendiebstahls, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Sachbeschädigung und Urkundenfälschung. Den Bandendiebstahl konnte ihm das Gericht nicht nachweisen, das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion schon. Kurz nach halb fünf war der Geldautomat in jener Septembernacht auseinandergekracht. Obwohl der Alarm ausgelöst wurde, Polizei und Bankmitarbeiter sofort zum Tatort eilten und Zeugen den Überfall verfolgten, entkamen die Täter zunächst unerkannt.

Gas und Strom eingeleitet

Videos aus Überwachungskameras zeigten drei maskierte, schwarz gekleidete Täter, die in offenbar eingeübter Rollenteilung in den Bankvorraum eindrangen, Gas und einen Funken einleiteten und danach das aus dem zerstörten Automaten stammende Geld abtransportierten.

Die Spur neben dem Schalthebel im Wagen wäre kaum noch so deutlich zu erkennen gewesen, wenn der Wagen nicht umgehend in den Niederlanden in eine Garage gestellt und dort gelassen worden wäre, argumentierte Herkle. Dass es so war, sieht der Vorsitzende in direktem Zusammenhang mit der Festnahme des Angeklagten Anfang Oktober 2020 in den Niederlanden.

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Oberstaatsanwalt Lars-Jörgen Geburtig hatte sieben Jahre Haft beantragt. „Für mich gibt es keinen Zweifel dran, dass die beiden gerade auf dem Weg waren zu der Garage, zu unserem Tatfahrzeug, um es für eine neue Tat auszurüsten“, ging auch er darauf ein, dass der Angeklagte und ein zweiter Mann zwei Tage nach der Tat in der Nähe des späteren Fundorts des mutmaßlich zur Flucht aus Rauenberg genutzten Audi zufällig in eine Polizeikontrolle gerieten. Dabei hatten sie neben einer für Automatensprenger typischen Ausstattung wie Handschuhe und Stirnlampe, falsche Kennzeichen und mehrere Kanister Benzin sowie einen Audischlüssel dabei.

Als das Fluchtfahrzeug vier Monate später im Januar 2021 wiederum per Zufall in einer Garage in der südholländischen Grenzprovinz Limburg entdeckt wurde, saßen die beiden Kontrollierten - also auch der nun Angeklagte - noch in Untersuchungshaft. Unter anderem daraus leitete auch Geburtig ab, dass die im Audi gefundene DNA aus der Tatnacht stammen muss: Der Wagen sei nach der Tat nicht mehr bewegt worden. Ansonsten gab es nur noch eine sehr stark vermischte Spur an einem Metallteil des Geldautomaten in Rauenberg, die auf den Täter deutete. Dass der Angeklagte bereits bei anderen Ermittlungen zu Geldautomatensprengungen aufgetaucht war, hatte das Bild für Geburtig abgerundet.

Verteidiger wollten Freispruch

Die Argumente hatten aus Sicht der Verteidiger, dem Aachener Rechtsanwalt Christoph Pawlowski und dem Ludwigshafener Alexander Klein, keine Beweiskraft. Es sei völlig offen, wann die Spur in den Audi gekommen sei, unterstrichen sie ihre Forderung nach einem Freispruch: „Es gibt jede Menge Alternativen zur These des Oberstaatsanwaltes.“

Am Landgericht Heidelberg war es die erste Hauptverhandlung gegen einen mutmaßlichen „Plofkraker“ (wörtlich aus dem Niederländischen übersetzt „Knallkracher“).

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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