Sinsheim. Seine Auftritte sind schriller geworden in den vergangenen Monaten. Und wenn er seit Ende September wie ein Rockstar in einem schwarzen Nightliner-Bus durch die Republik tourt, dann steigt Bodo Schiffmann morgens oft in einer Montur aus dem Gefährt, die an einen Notarzt erinnert, der das ganze Volk heilen will – weiße Hose, rote Jacke, Mikro oder Megafon in der Hand. Es fehlt nur noch das rote Kreuz. Der 52-Jährige ist während der Corona-Krise zu einer schillernden Figur und zum Gesicht der Querdenken-Bewegung geworden. Aber kann man ihm als Arzt noch trauen, wenn er das Coronavirus zu einer harmlosen Grippe herunterspielt?
Als wäre er auf einer Mission, produziert er Video auf Video, in denen er weiterhin betont, dass es keine Pandemie gebe und dass diese Maske die Menschen todsterbenskrank mache – nicht dieses Virus. Und weil jenes Stück Stoff der Gesundheit angeblich abträglich sein soll, empfiehlt er allen Menschen, sie einfach nicht zu tragen. Notfalls – das zumindest vermutet die Heidelberger Staatsanwaltschaft – schreibt er das auch auf Atteste für „Patienten“, die er nie untersucht hat. Wie bereits berichtet, durchsuchten Beamte Schiffmanns Praxis am Dienstag, weil er verdächtigt wird, „falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt zu haben“, wie das im juristischen Jargon heißt. Teilweise, so berichten es die Ermittler, hätten die angeblichen Patienten Hunderte Kilometer von seiner Praxis entfernt gewohnt. Dass er durch solche Aktionen eventuell seine berufliche Laufbahn in Gefahr bringt, das tangiert den Familienvater offenbar eher sekundär. Schiffmann ist im Angriffsmodus. Er bezeichnet sich selbst als „neuen Denker“, spricht von Kindern, die gestorben seien, weil sie eine Maske hätten tragen müssen. Dazu weinte er sogar live im Internet.
Seine Behauptungen stellten sich jedoch als frei erfunden heraus. Trotzdem legt Schiffmann ständig nach: Deutschland werde von Faschisten regiert. In Attila Hildmann unterstützt der Mediziner inzwischen einen Mann, der durch antisemitische Äußerungen von sich reden macht und der zum Umsturz in Deutschland aufruft. In einem SMS-Chat am Dienstagabend beschimpfte er den Verfasser dieses Artikels als systemkonformen Reporter, der Propaganda betreibe. „Aber lieber schlechte Presse als gar keine“, fügte er hinzu.
Landesärztekammer auf Distanz
Ohne den Einfluss der Presse, hat sich die Landesärztekammer Baden-Württemberg gegenüber dieser Redaktion von Corona-Verharmlosern distanziert. Ein Vertreter sagte am Mittwoch, dass die überwiegende Mehrzahl der über 70 000 Ärzte im Land es mehr als bedauerlich finde, dass Vertreter des Berufsstandes Gefahren durch das Coronavirus verharmlosen und den Glauben an angeblich dahinter steckende ,dunkle Mächte’ verbreiten und falsche Informationen streuen.
Im Rahmen der Berufsaufsicht prüft die Landesärztekammer eingehende Beschwerden. Bei begründetem Verdacht kann es auch zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Kammeranwälte kommen. Schiffmann selbst teilte mit, dass solche Verfahren gegen ihn bisher nicht erfolgreich gewesen seien. Ganz allgemein formuliert die Landesärztekammer indessen, dass das Ausstellen eines Blanko-Attests ohne vorheriges Arztgespräch nicht der ärztlichen Sorgfaltspflicht entspreche. Die Unzumutbarkeit des Maskentragens könne nur im Einzelfall entschieden werden. Dafür sei der „direkte Austausch von Arzt und Patient unabdingbar“.
Neben der berufsrechtlichen Frage stellt sich durch die aktuellen strafrechtlichen Ermittlungen der Behörden die Frage nach möglichen Konsequenzen hinsichtlich Schiffmanns Zulassung als Arzt. Eine Sprecherin des Landesgesundheitsamtes in Stuttgart sagte dazu am Mittwoch, dass eine Anordnung des Ruhens der Zulassung als vorläufige Maßnahme bei eingeleitetem Strafverfahren nur erfolgen könne, wenn der Vorwurf einer schweren Straftat gegeben und eine Verurteilung sehr wahrscheinlich sei. Dies ist bisher aber nicht absehbar. Eine Nachfrage bei den Ermittlungsbehörden, ob es zu einem Strafverfahren kommt, blieb seitens der Staatsanwaltschaft am Mittwoch unbeantwortet.
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