Landau. Arthur K. rutscht auf seinem Stuhl mehr und mehr nach links, er vermeidet es, den Psychiatrischen Sachverständigen Ralf Werner aus Bingen anzusehen. Immer wieder gestikuliert K., murmelt vor sich hin. Was der Psychiater über ihn zu sagen hat, scheint ihm nicht zu gefallen.
Seit Anfang März muss sich der 62 Jahre alte Arthur K. vor dem Landgericht in Landau verantworten, weil er am 11. September 2023 ein zehnjähriges Mädchen auf dem Schulweg in Edenkoben mit Gewalt in sein Auto gezerrt haben soll. Laut Anklage brachte er das Kind anschließend in ein leerstehendes Gebäude, wo das Mädchen Opfer sexueller Gewalt wurde. Nach einer Verfolgungsfahrt wurde der mehrfach auch wegen Sexualstraftaten verurteilte Mann festgenommen und das Kind befreit. Der Fall hatte bundesweit Aufsehen erregt.
Prozessfortsetzung nach fast dreiwöchiger Unterbrechung
„Herr K. fehlt es an Empathie, er ist gefühlskalt, er zeigt eine völlige Empathielosigkeit gegenüber dem vermutlich traumatisierten Kind“, sagt der Forensiker am Donnerstag. Es ist der sechste Verhandlungstag nach fast dreiwöchiger Unterbrechung. Zunächst fielen Prozesstage wegen der Krebserkrankung und eines operativen Eingriffs des Angeklagten aus, dann erkrankte seine Verteidigerin. Doch allmählich neigt sich der Prozess seinem Ende entgegen, in der kommenden Woche sollen Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung ihre Schlussvorträge halten, auch ein Urteil könnte dann bereits fallen.
Am Donnerstag fasst zunächst der Psychiatrische Sachverständige seine Untersuchungsergebnisse zusammen. K. sei nicht nur empathielos, er übernehme auch keinerlei Verantwortung für sein Handeln. „Er sagte mir: ,Wenn alle denken, dass ich so gefährlich bin, hätten sie mir helfen können’“, so der Psychiater, der dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung attestierte. Dabei leide K. nicht unter sich selbst, aber andere unter ihm.
Sexueller Missbrauch in Edenkoben: Mutmaßlicher Täter hat kriminelle Karriere
Schwere seelische Erkrankungen oder Suchterkrankungen habe er nicht festgestellt, so der Psychiatrische Sachverständige, der mehrere Stunden lang den Inhalt seines Gutachtens referiert. Er beginnt ganz am Anfang der kriminellen Karriere des Angeklagten, 1979, da war K. gerade 18 Jahre alt, und musste sich wegen Körperverletzung vor Gericht verantworten. 1996, mit 35 Jahren, sei er bereits 13 Mal verurteilt worden. Und in diesem Jahr fiel er zum ersten Mal auch wegen eines Sexualdelikts auf: Laut dem Bericht des Sachverständigen zerrte Arthur K. in diesem Jahr eine 12-Jährige, die auf Rollerblades unterwegs war, in sein Auto - er war angetrunken auf dem Heimweg von einem Besuch in einer Gaststätte. Er steuerte das Fahrzeug in eine abgelegene Gegend und fügte dem Mädchen schwere sexuelle Gewalt zu.
Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp
Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt!
Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen
Der Fall erinnere teils an die aktuelle Tat, so Werner. Ungefähr zu gleichen Zeit soll er eine 15-Jährige in seinem Auto mitgenommen haben. In dem Fahrzeug befanden sich zwei andere Männer - die Jugendliche sollte Opfer einer Gruppenvergewaltigung werden. Wieder kam Arthur K. in Haft, fast die Hälfte seines Lebens hat er im Gefängnis verbracht.
Immer wieder Weisungsverstöße des Angeklagten
Nach seiner Entlassung dann neue Vorfälle, die Opfer: seine eigene Tochter - K. hat drei Kinder, als er die Mutter der Kinder kennenlernte, war sie 14 Jahre alt, später heiratete er die Frau, doch die Beziehung zerbrach. 2007 näherte er sich laut Sachverständigem wieder einem Mädchen, bedrängte es - es handelte sich dabei um die 13 Jahre alte Tochter seiner Lebensgefährtin. Während einer „Familienzusammenkunft“ dann wieder ein Vorfall mit einer 12-Jährigen. Wieder kam er in Haft und wieder wurde er danach straffällig.
Ralf Werner verliest seinen seitenlangen Bericht, zieht alte Urteile heran - etwa aus dem Jahr 2017 und aus dem Jahr 2019. Es geht um Diebstahl, Beleidigung und den Besitz kinderpornografischen Materials. Immer wieder spricht er auch über Körperverletzung, Faustschläge - an einer Tankstelle, an einem Verkehrskreisel. Aufgefallen sei ihm, dass es in den vergangenen zehn, zwölf Jahren immer wieder Weisungsverstöße gegeben habe: K. habe eine Fußfessel ohne geladene Batterie getragen, zig Mal habe es "Störungen" gegeben, er habe sich Minderjährigen - trotz Kontaktverbots - genähert.
Sachverständiger hatte empfohlen: Arthur K. darf nicht freikommen
Die Prognose, dass Arthur K. keine weitere Straftat, insbesondere keine weitere Sexualstraftat begehen werde, sei außergewöhnlich schlecht, sagt der Sachverständige, der aus Sicht des Psychiaters die Sicherungsverwahrung für Arthur K. empfiehlt. Und zwar nicht zum ersten Mal. Bereits 2020 habe er dem Landgericht Frankenthal angeraten, festzulegen, dass K. auch nach dem Ende der regulären Haftstrafe nicht frei kommen dürfe - zum Schutz der Allgemeinheit. Auch andere Kollegen seien in den Vorjahren zu der Empfehlung gelangt. Seine Ausführungen, die den 11. September 2023 betreffen, machte Werner unter Ausschluss der Öffentlichkeit - um die Privatsphäre des Mädchens zu wahren.
Wie schwierig es war, einen guten Umgang mit der Öffentlichkeit zu finden, beschreibt an diesem Verhandlungstag der Schulleiter des Gymnasiums, das das Mädchen besuchte. „Neben dem Tod eines Schülers und einem Amoklauf, ist dies das schlimmste, was einer Schule passieren kann“, sagt er. Bei Lehrern und Schülern habe es am Tag nach der Tat einen großen Aufarbeitungsbedarf gegeben. „Doch danach wollten wir schnellstmöglich Normalität herstellen.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-missbrauchsfall-edenkoben-angeklagter-hat-lange-kriminelle-karriere-_arid,2195337.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-missbrauchsfall-von-edenkoben-prozess-beginnt-mit-skurrilen-details-_arid,2181603.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-maedchen-in-edenkoben-entfuehrt-verwaistes-haus-im-landkreis-bad-duerkheim-soll-tatort-s-_arid,2124914.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-entfuehrung-in-edenkoben-die-wichtigsten-fakten-vor-prozessbeginn-_arid,2180782.html