Mannheim/Heidelberg. Es ist die wohl größte Protestaktion der „Letzten Generation“ in der Region: Gleich vier Straßen innerhalb einer Stunde blockiert die Umweltbewegung am Samstagmittag. Neben der Fressgasse in der Mannheimer Innenstadt auch die Speyerer Straße und die Schurmanstraße (B 37) in Heidelberg. Doch die konzertierte Aktion beginnt gegen 13.45 Uhr auf der Konrad-Adenauer-Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen.

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Der Ablauf ist wie immer. Mit Warnwesten bekleidet betreten die Aktivistinnen und die Aktivisten die Fahrbahn, halten ihre Banner hoch und bremsen den Verkehr aus. Anschließend kleben sieben der neun Personen auf den zwei Spuren in jede Richtung mit jeweils einer Hand fest. Das große Verkehrschaos bleibt am Anfang aus. Viele Autofahrerinnen und Autofahrer umgehen die Blockade über die Straßenbahngleise zwischen den Fahrbahnen. Nach wenigen Minuten verhindert das jedoch die eingetroffene Polizei, die mit einem Großaufgebot vor allem verärgerte Autofahrer und Autofahrerinnen beruhigen muss. „Einfach überfahren“, „Arschlöcher“ und ähnliche Rufe begleiteten das Hupkonzert auf der Brücke.
Aktivisten hängen über dem Rhein
Parallel dazu seilen sich zwei Aktivisten an der Nordseite der Brücke ab. Einer hängt schließlich frei über dem Fluss, einer über einem Betonfundament. Auf der Brücke halten sich Höhenretter der Mannheimer Feuerwehr bereit, auf dem Rhein trifft wenig später das große Feuerlöschboot aus Mannheim ein. Die Wasserschutzpolizei sperrt den Schiffsverkehr am Ludwigshafener Ufer, er wird an der Sperrung vorbeigeleitet. Außerdem sind einige weitere Polizei- und Feuerwehrboote im Einsatz.
Auf der Straße kommt der Verkehr kurz vor 14 Uhr schließlich zum Stillstand. Auch eine Bahn der Linie 7 kann ihre Fahrt in Richtung Mannheim nicht fortsetzen. Schnell bildet sich auf den Spuren in Richtung Ludwigshafen ein Rückstau, der in Mannheim beide Auffahrten und die Zubringerstraßen zur Adenauer-Brücke umfasst. Es kommt zu Verkehrsbehinderungen. Aus Ludwigshafen fahren zu diesem Zeitpunkt keine Fahrzeuge mehr auf die Brücke, die Polizei hat die Auffahrt abgeriegelt. Auch für den Bahnverkehr wird die Adenauer-Brücke kurz darauf vorübergehend gesperrt. „Wegen euch Pennern muss ich jetzt laufen“, ruft ein Mann den Demonstranten vom Gehweg aus zu.
„Alles läuft wie erwartet“, sagt Raúl Semmler. Der bekannteste Kopf der „Letzten Generation“ in der Region - erst am vergangenen Freitag sorgte ein Prozess am Mannheimer Amtsgericht gegen ihn trotz ausstehenden Urteils für Aufsehen - hat eine Hand auf der linken Fahrspur in Richtung Mannheim festgeklebt. Dass die Polizei die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer mittlerweile über die Straßenbahngleise an der Blockade vorbei lotst, stört ihn nicht. „Wir wollen die Menschen nicht aufhalten. Wir wollen Aufmerksamkeit erzeugen.“ Die „Letzte Generation“ kämpft mit ihrem umstrittenen Protest für mehr Maßnahmen für Klimaschutz - unter anderem fordern sie ein generelles Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr.
Behinderungen auch in Heidelberg
Mitstreiter aus dem gesamten Südwesten, so Semmler, habe man zusammengetrommelt für diesen Samstag. Und so kommt es in Mannheim noch zu einer zweiten Aktion: Um 14.15 Uhr laufen neun Mitglieder der „Letzten Generation“ mit einem Transparent auf die Fressgasse in der Mannheimer Innenstadt, kleben sich jedoch nicht am Asphalt fest. Doch das sind nicht die letzten Proteste der Umweltbewegung an diesem Tag. Denn anderthalb Stunden nach Beginn der Brückenblockade - also gegen 15.15 Uhr - bremsen sieben Aktivistinnen und Aktivisten den Verkehr auf der Schurmanstraße (B 37) und fünf auf der Speyerer Straße in Heidelberg aus. Es kommt in Heidelbergs Innenstadt zu Beeinträchtigungen im Verkehr, auch der öffentliche Personenverkehr wird zeitweise gesperrt oder umgeleitet. Gegen 17 Uhr rollt der Verkehr laut Polizei wieder.
Mehr als hundert Einsatzkräfte
Als „ungewöhnlich“ bezeichnet der Mannheimer Polizeisprecher Michael Schnell den Einsatz. Allein auf die Konrad-Adenauer-Brücke sind gut 40 Polizistinnen und Polizisten aus Mannheim und 30 aus Ludwigshafen ausgerückt - plus Feuerwehr, Rettungsdienst, Wasserschutzpolizei, Höhenretter und RNV-Mitarbeiter, die den Bahnverkehr regeln. Insgesamt deutlich über hundert Einsatzkräfte.
Fast zwei Stunden bleibt die Brücke gesperrt, die Staus lösen sich schneller auf. Trotzdem ist die Stimmung wie bei allen Blockaden der „Letzten Generation“. Unterstützungsrufe erhalten die Aktivistinnen und Aktivisten vor allem von vorbeifahrenden Radfahrerinnen und Radfahrern. Ein anderer fordert jedoch lautstark „Kopfschüsse für alle“. Ein Rollerfahrer, der zwischen den Demonstranten hindurchfahren will, tritt einen Aktivisten im Vorbeifahren mutmaßlich mit Absicht. Ein weiterer Mann entreißt den Männern und Frauen ihre Protestplakate mit Gewalt, mit denen sie auf den fortschreitenden Klimawandel aufmerksam machen wollen - unter dem Applaus vieler umherstehender Passanten.
Es ist kurz vor 15 Uhr, als die beiden Aktivisten, die einige Meter über dem Rhein von der Brücke hängen, ein großes Transparent ausrollen. „Klima retten (geht nur) mit mehr Demokratie“ steht darauf. Eine halbe Stunde später werden die beiden Aktivisten von Höhenrettern wieder auf die Brücke geholt.
Dort ist es Raúl Semmler, bei dem um 14.59 Uhr zuerst die Handschellen klicken. Die Hände mancher Protestler müssen mit Hammer und Meißel vom Asphalt gelöst werden. Um 15.37 Uhr ist das geschafft - fast zwei Stunden nach Beginn des Protests. Alle neun Mitglieder der „Letzten Generation“ werden anschließend aufs Polizeirevier gebracht - einige werden zu den Polizeifahrzeugen geschleift, andere getragen. Dort werden die Personalien aufgenommen, die Leute befragt. Bei allen Aktionen handele es sich laut Polizei um nicht angemeldete Demonstrationen. Danach kommen die neun Mitglieder der „Letzten Generation“ wieder auf freien Fuß.
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