Frau Drabik, bei Hitze dehnt sich alles aus. Das ist einer der wenigen Sätze, die ich mir aus dem Physikunterricht gemerkt habe. Ist der Speyerer Dom aufgrund der Hitze der vergangenen Tage jetzt nochmal größer als vorher?
Hedwig Drabik: Im Bereich des Dachs und überall dort, wo Metall ist, definitiv schon. Wir reden da von Millimetern. Im Bereich Stein würde ich sagen, eher nicht.
Sie sind seit etwas mehr als zweieinhalb Jahren die jüngste Dombaumeisterin in Deutschland. Hatten Sie keine Angst vor dem Job und vor einem Gebäude, das jetzt fast 1000 Jahre alt ist?
Hedwig Drabik: Nein, ich hatte keine Angst. Es handelt sich ja um eine Kirche und ich hatte vorher in Heidelberg und in Mannheim schon Erfahrungen in diesem Bereich gemacht. Ich konnte über den Dom nicht alles wissen. Das war mir bewusst. Und mir war klar, dass ich in laufende Maßnahmen hineinkomme. Die Vierungskuppel, das größte Projekt, seit ich hier bin, war damals schon eingerüstet.
Die 1,8 Millionen teure Sanierung der Kuppel wurde vor einigen Wochen abgeschlossen. Bei diesem Anlass hat Domkustos Christoph Kohl gesagt, dass das jetzt Ihr Meisterstück gewesen sei. Hat Sie das sauer gemacht, nachdem Sie ja schon an anderen Orten seriöse Arbeit abgeliefert haben?
Hedwig Drabik: Nein, warum? Es hat mich eher verlegen gemacht. Ich bin nicht die Person, die sich in den Vordergrund drängt. Ich lasse das Gebäude für sich sprechen. Ansonsten freue ich mich, das die Maßnahme jetzt abgeschlossen ist, weil das einfach langwierig war.
Was macht denn den Dom aus bautechnischer Sicht so unvergleichlich?
Hedwig Drabik: Das Konglomerat an verschiedenen Materialien. Es ist diese Vielschichtigkeit – sowohl im Bereich der Steine wie auch in anderen Materialien.
Wir sprechen immer von der größten romanischen Kirche der Welt. Tatsächlich ist es ja ein Stückwerk verschiedener Baustile. Kann man eigentlich noch von einem romanischen Dom sprechen?
Hedwig Drabik: Kann man, weil der Großteil im Kern ja romanisch ist. Selbst wenn ich mir den Westbau anschaue und die Verkleidung letztlich aus dem 19. Jahrhundert stammt.
Wissen Sie eigentlich, wem das Gebäude gehört, an dem sie täglich arbeiten. Und haben Sie einen eigenen Schlüssel?
Hedwig Drabik: (lacht). Also einen Schlüssel für den Dom habe ich und der Dom gehört in der Regel sich selbst. Die Frage des Besitzstands ist auch nach meinem Wissen nicht ganz geklärt. Das einzige, was klar ist, ist die die Tatsache, dass das Domkapitel den Dom verwaltet.
Auch wenn die Frage etwas sentimental klingt: Kommen Sie an Orte im Dom, an denen seit der Erbauung vor 1000 Jahren niemand mehr gewesen ist. Das müsste ja ein fast erhabenes Gefühl sein.
Hedwig Drabik: Dadurch, dass wir in den 60er bis 70er Jahren eine sehr umfassende Domrestaurierung hatten, sind wohl fast alle Oberflächen einmal angefasst worden. Ich bin also nicht mehr die Erste.
Pfusch am Bau – gerade was die 60er Jahre anbelangt, stößt man da auf Dinge, die man heute anders machen würde, oder?
Hedwig Drabik: Natürlich arbeitet man immer so, dass man ein nachhaltiges Ergebnis hat. Aber in den 60er Jahren war es Zeitgeist, viel Beton einzusetzen. Insofern bin ich mit den Wechselwirkungen konfrontiert – zum Beispiel mit der Gefahr von Salzausblühungen, die im schlimmsten Fall bei Frost das Mauerwerk sprengen könnten.
1000 Jahre sind vergangen seit der Erbauung. Wie lange würde denn der Dom noch stehen, wenn man ihn einfach sich selbst überließe?
Hedwig Drabik: Das können durchaus nochmal 1000 Jahre sein, weil das Material so widerstandsfähig ist. Aber es kommt natürlich auch auf die Art der Nutzung an. Der Kern des Gebäudes ist massiv. Wir haben in der Vorhalle sechs Meter Mauerstärke. Das muss man sich vorstellen. Wenn ich immer nur flicke, flicke, flicke, komme ich irgendwann aber an den Punkt, an dem ich ersetzen muss. Das ist bei den Osttürmen Richtung andere Rheinseite der Fall.
Biografie Hedwig Drabik
- Hedwig Drabik (35) lebt verpartnert und ohne Kinder in Landau. Sie wurde im schlesischen Mikolów geboren.
- Im März 2010 schloss sie ein Architekturstudium in Kassel mit Diplom ab. Danach studierte sie weiter an der Universität Bamberg am Institut für Archäologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte. Den Masterstudiengang Denkmalpflege schloss sie 2012 ab.
- Seit Juli 2012 arbeitet sie in einem Landauer Architekturbüro. Sie spezialisierte sich auf die Sanierung von Natursteinen und arbeitete unter anderem am Turm der Heidelberger Providenzkirche, des Karlstores sowie der Mannheimer Konkordienkirche mit.
Nochmal zur Physik. Was macht der Klimawandel mit dem Dom, wenn es hier öfter 40 Grad heiß wäre?
Hedwig Drabik: Ja, das könnte Probleme geben, weil der Baugrund lehmgebunden ist. Wenn Lehm austrocknet, weil etwa der Grundwasserspiegel sinkt, kann es zu Setzungsrissen kommen. Die Rissbildung beobachten wir sorgfältig.
Dombaumeisterin hört sich trotzdem so an, als würde dieses Bauwerk nie fertig werden.
Hedwig Drabik: Der Dombaumeister in Köln sagt: Wenn der Dom fertig ist, dann geht die Welt unter. Ich würde mich eher als Dompflegerin bezeichnen. Weil wir mit dem jetzigen Stand der Denkmalpflege ja quasi konservierend arbeiten. Veränderungen ergeben sich aus der Nutzung. Früher hatten die Leute keine elektrischen Leitungen im Dom. Da gab es Kerzen und fertig.
Sie sprechen von Nutzung. Sind sie gläubig? Gehen Sie in den Gottesdienst?
Hedwig Drabik: Ich bin gläubig, gehe aber nicht jeden Sonntag in die Kirche. Trotzdem fühle ich mich dem Gebäude und der Kirchengemeinde hier verbunden.
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Muss man katholisch sein, um Dombaumeisterin zu sein?
Hedwig Drabik: Das war keine Einstellungsbedingung.
Viele Menschen kehren der Kirche den Rücken. Die Kirchensteuer-Einnahmen werden weniger. Können wir uns den Dom noch leisten?
Hedwig Drabik: Im Bistum plant man bereits die Schließung einiger Kirchen. Man muss sich überlegen, welchen Wert der Dom für das Bistum hat. Als Mutterkirche kann ich ja nicht sagen: Ich verkaufe ihn ans Land für einen Euro. An den Herausforderungen der Instandhaltung würde sich auch dann nichts ändern. Eigentum verpflichtet.
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