Kernenergie - Sowohl Biblis als auch Philippsburg suchen Abnehmer von Abbruchmaterial aus Reaktor-Rückbau

Kernkraftwerke in der Region: Wohin mit dem Kraftwerksmüll?

Von 
Bernhard Zinke
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Die Freimessanlage des Kernkraftwerks Biblis kontrolliert, ob der Abfall noch radioaktiv belastet ist. Das Bild entstand bei der Vorstellung des Verfahrens. © Berno Nix

Biblis/Philippsburg. Die beiden Kernkraftwerke in der Metropolregion sind abgeschaltet, die Rückbauarbeiten längst im Gange. Der Abriss der Anlagen wird vermutlich ein Jahrzehnt und länger dauern. Doch wohin mit dem Abbruchmaterial? Sowohl in Biblis (Kreis Bergstraße) als auch in Philippsburg (Kreis Karlsruhe) gibt es noch jede Menge offener Fragen - nun auch mit dem vermeintlich unproblematischen Abfall. Auch diesen will nämlich keiner haben.

Der hoch radioaktive Müll - soviel ist klar - bleibt mindestens für die nächsten drei Jahrzehnte an den Standorten der Kraftwerke. Die Brennstäbe werden in Zwischenlagern deponiert. Und zwar so lange, bis ein Endlager zur Verfügung steht. Nach Planungen der Bundesregierung wird dieses frühestens ab 2050 der Fall sein. Schwach- und mittelradioaktiver Abfall wird ebenfalls strahlungssicher verpackt und in das ehemalige Eisenerzbergwerk Schacht Konrad bei Salzgitter transportiert. Dieses Endlager soll 2027 bereit sein.

Erster Anlauf gescheitert

Doch was passiert mit dem Beton, der etwa in strahlungsbelasteten Kontrollbereichen der Kernkraftwerke verbaut war? Der Plan der Kraftwerksbetreiber ist, „freigemessenen“, also nur ausgesprochen schwach strahlenden Bauschutt auf Deponien zu lagern.

Für Philippsburg ist allerdings nun ein erster Anlauf gescheitert. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat nach monatelangem Verfahren dem Plan des Kraftwerksbetreibers EnBW eine Absage erteilt. Der wollte den Beton auf einer Deponie des Enzkreises abladen. Schließlich gibt es eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen dem Kreis Karlsruhe und dem Enzkreis zur Abnahme mineralischer Restabfälle. Doch nach der gerichtlichen Entscheidung braucht der Enzkreis das Material aus dem Philippsburger Kraftwerk nicht aufzunehmen. Die Beteiligten haben allerdings die Möglichkeit, Berufung zum Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einzulegen.

Rückbau eines Kernkraftwerks

  • In einem Kernkraftwerk gibt es Bereiche, die nicht mit Radioaktivität in Verbindung kommen. Dieses Material kann in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden.
  • Im Kontrollbereich kann Material Strahlung ausgesetzt werden. Deshalb müssen diese Stoffe beim Abbau besonders untersucht und freigemessen werden.
  • Am Ende der Untersuchung wird für das Material je nach Strahlenbelastung eine uneingeschränkte oder spezifische Freigabe erteilt. Material mit spezifischer Freigabe muss durch Verbrennung oder Deponierung beseitigt werden.
  • Dabei muss sichergestellt sein, dass von dem Material für Einzelpersonen nur eine effektive Dosis im Bereich von zehn Mikrosievert im Kalenderjahr auftreten kann.
  • Für das Kernkraftwerk Biblis ist eine Deponierung von rund 3000 Tonnen freigemessenem Betonabfall aus dem Kontrollbereich beantragt.

Zwar hatte der Enzkreis mit Kapazitätsproblemen als juristischem Hebel argumentiert: Aus Philippsburg falle mehr Material an, als auf der Deponie bei Maulbronn Platz sei. Doch hat auch die Abfallart eine Rolle gespielt. In seiner Presseerklärung stellt das Gericht aber auch fest, dass eine Ausnahmezulassung für die Deponierung des freigemessenen Betons nach dem Abfallschlüssel 170101 nötig gewesen wäre.

Der Kreis Karlsruhe reagiert in einer Stellungnahme deutlich verstimmt: „Der Landkreis ist weder Erzeuger der genannten Abfälle noch sonst für deren Entsorgung zuständig.“ Denn das Abbruchmaterial erfülle nicht die Voraussetzungen, um auf der Deponie im Enzkreis abgelagert zu werden. „Wegen der schwierigen Entsorgungssituation hatte sich der Landkreis Karlsruhe um eine andere Lösung gekümmert und die Abfallerzeuger mehrfach aufgefordert, auch alternative Entsorgungsmöglichkeiten zu prüfen. Die Anlagenbetreiber hatten sich stattdessen im Einklang mit dem Land Baden-Württemberg entschieden, eine Entsorgung auf der Deponie gerichtlich prüfen zu lassen“, heißt es weiter in der Stellungnahme. Es sei Fakt, „dass die Entsorgung dieser Abfälle damit weiterhin nicht gesichert ist“.

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In Südhessen ist die Entscheidung des Karlsruher Gerichts sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen worden. Denn dort tobt ein ähnlicher Kampf um freigemessenes Abbruchmaterial aus Biblis. Wie auch der Kreis Karlsruhe hat der Kreis Bergstraße keine eigene Deponie mehr. Deshalb hat der für den Kreis zuständige Abfallzweckverband beim Regierungspräsidium in Darmstadt einen Antrag gestellt, das Material an einer anderen Stelle in Hessen außerhalb des Kreises zu deponieren.

Umweltministerin Priska Hinz hat bereits angemahnt, die Transporte sollten nicht über allzulange Strecken erfolgen. Die nächstgelegene Deponie liegt im 40 Kilometer entfernten Büttelborn (Kreis Groß-Gerau). Dort sind die Reihen des Widerstands bereits geschlossen, wie Bürgermeister Marcus Merkel berichtet. Die Entscheider vor Ort kennen die Antragsunterlagen. „Wenn das Material so ungefährlich ist, warum muss dann bei jeder Tour der Lkw-Fahrer ausgetauscht werden?“, fragt Merkel im Gespräch mit dieser Redaktion. Eigentlich müsse dieser Müll unter Tage.

Bürger und Politik einig

Wie im Enzkreis stellt sich auch in Büttelborn die Frage nach der Kapazität. Vom Kreis Bergstraße beantragt sind rund 3000 Tonnen freigemessener Abbruch-Beton aus Biblis, die im Zeitraum von zehn Jahren deponiert werden sollen. Deponiert werden darf in Büttelborn aber nur bis Ende 2030. Der Widerstand in Büttelborn steht jedenfalls. Marcus Merkel weiß, dass sich Bürgerinitiative, Deponiebetreiber und politische Kräfte einig sind: „Wenn das Regierungspräsidium die Deponierung bei uns genehmigt, dann wird definitiv geklagt.“

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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