Kernenergie - Vermutlich im Frühjahr rollen sechs Castorbehälter nach Biblis

Kernkraftgegner planen Mahnwachen

Von 
Bernhard Zinke
Lesedauer: 
Anfang Februar blockierten Kernkraftgegner schon einmal die Gleise zu den Atommeilern. © Nix

Biblis. Wann genau der Zug mit den sechs grün-weißen Behältern in Biblis ankommt, weiß offiziell noch niemand so ganz genau. Genehmigt ist ein üppiges Zeitfenster für den Transport der sechs Castorbehälter mit dem Atommüll deutscher Kernkraftwerke, eingeschmolzen von der englischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield in sogenannte Glaskokillen: Die Überführung soll stattfinden in der Zeit zwischen dem 1. März und dem 31. Dezember. In einer ersten Pressemitteilung hatte es geheißen, der Transport finde im ersten Halbjahr statt. Jetzt könne man konkretisieren, dass der Zeitpunkt im Frühjahr liege, bestätigt Michael Köbl, Sprecher der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), dieser Redaktion auf Anfrage. Die Kernkraftgegner der Region sehen sich – auch ohne genaue Kenntnis des Datums – gut vorbereitet. Es gebe ein „Tag X-Konzept“, sagt der Sprecher mehrerer Anti-Kernkraft-Initiativen, Ralf Peters.

Menschen schnell und spontan mobilisieren: „Das sind wir von der Anti-AKW-Bewegung gewohnt“, sagt Peters. SMS, soziale Netzwerke, Info-Mails oder die Internetseite castor-stoppen.de seien die entsprechenden Kanäle.

Einer von vier Transporten

Die sechs Castorbehälter werden von der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield an der irischen See per Schiff nach Deutschland gefahren. „Wir gehen davon aus, dass wir mitbekommen, wenn das Schiff ablegt“, sagt Peters. Vermutlich werde das Schiff in Nordenham anlegen, dem einzigen rein privaten Hafen Deutschlands. Über diesen Hafen seien bislang alle Castortransporte abgewickelt worden. Und dann sei es abschätzbar, wann der Zug mit den Castoren in Biblis ankomme.

Am Tag der Ankunft planen die Bündnisse atomkraftENDE. Darmstadt, Atomerbe Biblis, Arbeitskreis Umweltschutz Wiesbaden und andere Gruppen zwei Mahnwachen. Eine soll direkt vor dem Bibliser Kernkraftwerk stattfinden, eine zweite ist am Bahnhof von Biblis angemeldet, und zwar auf einer Wiese, die dem Kraftwerk zugewandt ist. „Was dann passiert, hängt auch von den Leuten ab, die kommen“, sagt Ralf Peters.

Bereits Anfang Februar hatten sich rund 80 Atomkraftgegner – die Polizei sprach von 55 Demonstranten – im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages in Biblis getroffen, um dagegen zu protestieren, dass „hochradioaktiver Atommüll sinnlos von einem Ort zum nächsten verschoben werden soll“. Denn solange noch kein Endlager für hochradioaktive Abfälle aus deutschen Kernkraftwerken gefunden sei, mache es keinen Sinn, „strahlenden Schrott in der Gegend herumzutransportieren“. Jeder einzelne Transport stelle ein zusätzliches Risiko durch radioaktive Verstrahlung dar. Und nicht zuletzt wolle man mit den Protesten in Erinnerung rufen, dass noch immer sechs Kernkraftwerke in Deutschland liefen und die Forderungen aus Politik und Wirtschaft nach einem Weiterbetrieb der Kernkraft wieder lauter würden.

Der Zug zum Zwischenlager auf dem Bibliser Kraftwerksgelände ist einer von vier Transporten, die im Lauf der kommenden Jahre stattfinden, wie GNS-Sprecher Michael Köbl erläutert. Im Lauf des kommenden Jahres werden fünf Castoren aus der französischen Wiederaufarbeitungslage La Hague nach Philippsburg geschickt. In den Jahren danach wird weiterer Atommüll in Zwischenlager an den Kernkraftwerken Brokdorf und Isar bei Landshut geschickt.

Verteilt nach Verursacherprinzip

Dies sei allerdings nicht exakt der Abfall, der nur in diesen Atommeilern entstanden sei, betont Köbl. Vielmehr sei es Abfall aus allen deutschen Kernkraftwerken, die die Kraftwerksbetreiber vertragsgemäß von den Wiederaufarbeitungsanlagen zurücknehmen müssten. Die Zwischenlagerung an den genannten Standorten sei von der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, den Ministerpräsidenten aller Länder und den vier großen Energiekonzerne als Kraftwerksbetreiber beschlossen worden. Basis sei das Verursacherprinzip. Demnach sei in Bayern rund 21 Prozent der Menge angefallen, in Baden-Württemberg 20 Prozent, in Hessen 13 und in Schleswig-Holstein zwölf Prozent. Niedersachsen habe zwar mit 23 Prozent den größten Anteil an der Produktion von Atommüll, sei aber durch das Zwischenlager Gorleben bereits besonders belastet, erläutert Tobias Schmidt von der Gesellschaft für Zwischenlagerung, die mittlerweile sämtliche Zwischenlager an den Kernkraftwerksstandorten zentral betreibt.

Atommüll-Transporte

  • Die vier großen deutschen Energieversorgungsunternehmen und Kernkraftwerksbetreiber RWE, EnBW, PreußenElektra (früher EO.N) und Vattenfall haben in der Vergangenheit abgebrannte Brennstäbe zur Wiederaufbereitung unter anderem nach Sellafield (Großbritannien) und La Hague (Frankreich) geschickt.
  • Dort werden wiederverwertbare Stoffe recycelt und der hochradioaktive Abfall in sogenannten Glaskokillen eingeschmolzen.
  • Die Kraftwerksbetreiber haben sich vertraglich dazu verpflichtet, den Atommüll zurückzunehmen.
  • Insgesamt muss Deutschland noch 25 sogenannte Castor-Behälter mit hochradioaktivem Müll aus deutschen Kernkraftwerken zurücknehmen. Davon werden sechs Castoren ins Zwischenlager nach Biblis, fünf nach Philippsburg und jeweils sieben nach Landshut (Isar) sowie Brokdorf transportiert. Voraussichtlich wird es einen Transport pro Jahr geben. Der erste genehmigte Transport geht nach Biblis.
  • Im Standort-Zwischenlager gibt es genehmigten Platz für 135 Castorbehälter. Belegt sind derzeit 102 Plätze mit Brennstäben aus den beiden stillgelegten Kraftwerksblöcken.
  • Mit den sechs Castoren aus Sellafield werden 108 Plätze belegt sein. Eine Einlagerung weiterer Castoren ist nicht vorgesehen. 

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen