Vogelschutz

Katzenarrest in Walldorf: Land zieht Bilanz

Die Ausgangssperre zum Schutz der bedrohten Haubenlerche war wirksam: mehr Jungvögel überlebten. Für Katzenhalter gibt es jedoch keine guten Nachrichten

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Kai Plösser
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Eine seltene Haubenlerche sitzt an einem Schutzzaun, der um ihr Brutgebiet gespannt ist. © Marijan Murat

Walldorf. Nachdem sich Hauskatzen in Walldorf seit gut drei Wochen wieder frei in der Stadt bewegen dürfen, hat das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) Bilanz der Ausgangssperre für die Vierbeiner gezogen. In der zeigt sich, dass die Maßnahme zum Schutz der bedrohten Haubenlerche Wirkung gezeigt hat. „Mindestens sechs Jungvögel haben die kritische Phase bis zum 30. Tag überlebt“, sagte Daniel Raddatz, Leitender Regierungsdirektor für Naturschutz beim RP, bei einem Pressetermin am Montag.

Auch bei zwei weiteren Jungen sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie die kritische Phase überstanden hätten. Dies sei deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. Es seien im Sperrgebiet zwar vereinzelt Katzen nachgewiesen worden, aber deutlich weniger als zuvor. „Die Maßnahme hat gewirkt“, betont Raddatz.

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder rechtfertigte die umstrittene Maßnahme. Die Gefahr für die Haubenlerche durch freilaufende Katzen sei reduziert worden. Das zeige sich an den flügge gewordenen Jungtieren. Sie sagt aber auch: „Das hört sich nach einem großen Erfolg an. Aber wir müssen abwarten, ob sich neue Brutpaare bilden.“

Der Landrat des Rhein-Neckar-Kreises, Stefan Dallinger, bewertete den Katzenarrest als Erfolg. Es sei das „letzte Mittel“ gewesen, um die Haubenlerchen-Population in Walldorf zu retten. „Die Verfügung ist nicht vom Himmel gefallen“, sagte er. Alle vorherigen Appelle und Ausgleichsmaßnahmen hätten jedoch nichts gebracht. Im letzten Jahr hätten deswegen nur drei Jungvögel überlebt. „Wir hatten keine andere Möglichkeit als die Allgemeinverfügung“, machte Dallinger klar.

Bedrohte Vogelart

  • Die Haubenlerche ist im Land nur noch in der Oberrheinebene angesiedelt. Auch in St. Leon-Rot und Ketsch gibt es Kleinstvorkommen.
  • 2019 gab es insgesamt knapp 40 Brutreviere, mittlerweile ist mit 67 das Niveau von 2013 erreicht. Ende der 1980er Jahre waren es noch 670 Reviere.
  • Der Katzenarrest zum Schutz der Haubenlerche in Walldorf gilt noch bis 2025 jeweils zwischen 1. April und 31. August.
  • 40 Widersprüche wurden im Zuge dessen durch das Landratsamt an das Regierungspräsidium überstellt.

Einem, dem die Maßnahme zunächst sauer aufgestoßen war, war Walldorfs Bürgermeister Matthias Renschler. „Ich selbst hatte Probleme mit der Verhältnismäßigkeit“, gab er zu. Es sei nun jedoch eine positive Entwicklung eingetreten, sagte Renschler und bedankte sich für das Verständnis der Katzenhalter.

Alle Interessen berücksichtigen

Dennoch will sich Renschler mit dem Status quo nicht zufriedengeben. Sowohl in die eine Richtung als auch in die andere. „Wir arbeiten daran, andere Maßnahmen zu entwickeln, und müssen die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen.“ Zu denen gehören nun mal auch die der Katzenbesitzer. Zugleich machte er deutlich: „Wir arbeiten an einem Ziel: die Population zu retten.“

Die Stadt will und muss sich künftig weiter dafür einsetzen, dass die einst ausgewiesenen Ausweichquartiere von den Haubenlerchen angenommen werden. Die Standorttreue der Altvögel macht die Sache jedoch nicht einfach. Gleichzeitig müssen auch die Bauprojekte weiter umgesetzt werden. Dort, wo eins der zwei in Walldorf ansässigen Haubenlerchen-Paare gebrütet hatte, herrscht derzeit beispielsweise auf Anordnung der Stadt ein Baustopp.

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Die Fläche sei bereits 2013 als Baugebiet ausgewiesen worden. Seit 2018 führe die Stadt weitere Aktionen durch, um die Haubenlerche zu schützen. Für Monitoring und Schutzmaßnahmen seien 80 000 bis 100 000 Euro pro Jahr ausgegeben worden, so Renschler. Er betonte aber auch, dass die Stadt nicht für die Allgemeinverfügung zuständig ist, und bemängelte: „Die Kommunikation im Vorfeld war ein Problem.“ Für die Katzenbesitzerinnen kam die Nachricht recht plötzlich. Renschler sprach von berechtigter Kritik. Die Kommunikation müsse künftig verbessert werden, um noch mehr Verständnis für die „harte Maßnahme“ zu erhalten. Denn er habe „keine Hoffnung, dass die Verfügung im nächsten Jahr aufgehoben“ werde.

Aus der Vergangenheit lernen

Renschler weiß, dass sich in Zukunft etwas ändern muss: „Da muss man anders herangehen und nachsteuern“, betonte er. Denn eins ist auch klar: „Wir brauchen dringend den Wohnraum.“ Der Bürgermeister ist optimistisch: „Aus der Vergangenheit lernt man sehr gut.“ Regierungspräsidentin Felder ergänzt: „2013 sind wir davon ausgegangen, dass die Ausweichreviere angenommen werden.“ Dies habe sich nicht bestätigt. Doch Felder ist sich sicher: „Mit dem heutigen Wissen würden wir andere Maßnahmen treffen.“

Ergänzende Maßnahmen zum Katzenarrest – wie eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht, um beispielsweise den Bestand verwilderter Katzen zu minimieren – sind zunächst nicht vorgesehen. Das würde keine kurzfristige Abhilfe schaffen, hieß es. Eine entsprechende Katzenverordnung müsste die Stadt erlassen. In der Hinsicht sei laut Renschler jedoch nichts geplant, da eine erhöhte Population verwilderter Katzen nicht feststellbar sei. Raddatz kündigte aber Maßnahmen gegen weitere Prädatoren an, die die Haubenlerche gefährden.

Redaktion

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