Spielzeugmuseum

Käthe Kruse vs. Bing: Pfälzer Spielzeugmuseum zeigt historischen Puppen-Prozess

Von Freinsheim in die Vergangenheit: Das Spielzeugmuseum erinnert an den richtungsweisenden Prozess von 1925 zwischen Käthe Kruse und Bing und zeigt antike Spielzeugschätze.

Von 
Susanne Merz
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Uwe Groll zeigt einen alten Kinoprojektor. Alle Räume sind thematisch geordnet und liebevoll inszeniert. © Susanne Merz

Freinsheim. Was ist echtes Spielzeug – und was nur eine billige Kopie? Vor genau 100 Jahren entschied das Reichsgericht Leipzig erstmals darüber. Im Zentrum: handgefertigte Puppen von Käthe Kruse – und dreiste Imitate der weltgrößten Spielwarenfirma Bing. Heute erzählen zwei Museen diese Geschichte neu – das Käthe-Kruse-Museum in Donauwörth und, überraschenderweise, das Bing-Museum im pfälzischen Freinsheim. Die Ausstellung „Kruse gegen Bing - 100 Jahre Kunstschutz für Spielzeug“ ist an beiden Orten vom 1. Mai bis 14. September zu sehen. Was hat ein kleines privates Spielzeugmuseum in der Pfalz mit einem Nürnberger Konzern zu tun? Und warum steht hier ausgerechnet der Verlierer des Prozesses im Rampenlicht?

Historisches Spielzeug hautnah: Das Bing-Museum in Freinsheim entdecken

Im Herzen der Freinsheimer Altstadt, umgeben von einer mittelalterlichen Ringmauer, liegt das Spielzeugmuseum von Uwe und Marion Groll. Bereits die bunte Fassade – mit lebensgroßen Figuren, einem Hund und einem Teddybären mit Eis – deutet auf das verspielte Innenleben hin. Wer eintritt, wird schon im Eiscafé im Erdgeschoss von historischen Exponaten empfangen und taucht sofort ein in die bunte Welt der antiken Spielzeuge.

Das Spielzeugmuseum liegt mitten im historischen Stadtkern von Freinsheim. © Susanne Merz

„Es begann ganz zufällig“, erinnert sich Uwe Groll. „1996 nahm mich meine Frau mit auf einen Flohmarkt – widerwillig. Dort entdeckte ich meine erste Bing-Eisenbahn.“ Heute umfasst die Sammlung über 2000 Objekte: Vom Erdgeschoss bis zum offenen Dachstuhl reichen historische Spielzeuge – Eisenbahnen, Spielküchen, Teddybären, Autos, Grammophone und Schreibmaschinen. „Irgendwann war in unserer Wohnung kein Platz mehr“, sagt Groll. Also entstand das Museum – das einzige weltweit, das sich ausschließlich der Spielzeuggeschichte der Bing-Werke aus Nürnberg widmet. Dabei stellte das Unternehmen nicht nur Spielzeug her, sondern „alles, was man aus Blech herstellen konnte, unter anderem auch viele Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Bügeleisen“, wie Groll sagt.

Spielzeug als Spiegel der Zeit: Technik und Geschichte im Bing-Museum

Die Entwicklung von Technik und Gesellschaft lässt sich an den Ausstellungsstücken ablesen – von der Kutsche bis zum Cabrio, von der Schreibmaschine bis zum Kinoprojektor. Zu Kriegszeiten etwa stellte das Unternehmen viel Kriegsspielzeug her. Mit Grolls Sammelleidenschaft wuchs auch sein Interesse an der Firma Bing, dem damals größten Spielzeughersteller Deutschlands. Die Firma wurde 1897 gegründet, wuchs rasant und musste 1932 nach der Weltwirtschaftskrise Konkurs anmelden. Die jüdische Familie Bing floh in den kommenden Jahren vor den Nationalsozialisten ins Exil nach England und in die USA.

Das Spielzeugmuseum

  • Das Museum liegt in Freinsheim in der Pfalz
  • Marion und Uwe Groll leiten das Museum und Eiscafé
  • Über 2000 Exponate der Firma Bing auf 300 Quadrametern Fläche
  • Öffnungszeiten: Mitte März bis Ende Oktober: 14 Uhr bis 18 Uhr (bei schönem Wetter länger), mittwochs geschlossen

    November bis Mitte März: Samstag, Sonn- und Feiertage 14.00-18.00 Uhr und nach Vereinbarung!

  • Eintrittspreise: Erwachsene: 3,50 Euro: Kinder ab 6 Jahren: 1,50 Euro

Auch die Museumswände erzählen Zeitgeschichte. Eine Wand zeigt ein lebensgroßes Foto von Tänzerinnen aus den 1920er Jahren, in der typischen Kleidung und dem wohlbekannten Federschmuck im Haar. Davor stehen Grammophone, Schreibmaschinen und sogar alte Kinoprojektoren. Alle Räume sind thematisch sortiert und liebevoll inszeniert. Doch das Bing-Museum beherbergt nicht nur nostalgische Erinnerungen an vergangene Spielzeuggenerationen. Der wohl bedeutendste Raum befindet sich ganz oben: Dort, im hintersten Winkel, zeigt das Museum die Puppen, an denen sich vor 100 Jahren ein wegweisender Rechtsstreit entzündete.

Als Puppen Geschichte schrieben: Der Rechtsstreit, der Spielzeugkunst schützte

Im obersten Stockwerk, versteckt im hintersten Raum, gelangen die Besucher zur aktuellen Puppenausstellung, an denen sich vor 100 Jahren ein wegweisender Rechtsstreit entzündete. Hinter einer verschlossenen Vitrine stehen oftmals zwei Puppen nebeneinander, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen: „Diese ist von Käthe Kruse, die andere von Bing“, erklärt Groll. Auf den ersten Blick lassen sie sich kaum unterscheiden. Das war wohl auch der ausschlaggebende Klagegrund für Käthe Kruse. Wie kam es zur Kooperation mit Donauwörth? Beim jährlichen Museumsfest in Freinsheim traf Groll auf eine leidenschaftliche Kruse-Sammlerin – sie brachte die Museumsleiterin aus Donauwörth mit. So entstand die Idee zur gemeinsamen Ausstellung.

Die Puppen von Käthe Kruse und Bing sehen sich zum Verwechseln ähnlich. © Susanne Merz

Anfang der 1920er Jahre sah sich Käthe Kruse mit zahlreichen Nachahmern konfrontiert – darunter auch Bing. 1925 entschied das Reichsgericht in Leipzig zugunsten der Puppenmacherin und sprach ihr erstmals künstlerischen Urheberschutz für ihre Puppen zu. Die Konkurrenz musste die Plagiate vom Markt nehmen. Während kleinere Firmen in wirtschaftliche Not gerieten, blieb Bing relativ unbeschadet.

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Für viele Besucherinnen und Besucher – vor allem ältere – ist das Bing-Museum mehr als ein Ort historischer Objekte. Es ist ein Raum voller Erinnerungen, in dem das Spielzeug ihrer Kindheit plötzlich wieder lebendig wird. „Oft höre ich hier: So einen Zug hatte ich auch – oder genau so ein Puppenhaus stand bei meiner Oma“, sagt Groll. Dann zeigt sich, dass Spielzeug nicht nur zum Spielen da war – sondern auch ein Stück Lebensgeschichte erzählt.

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