Frankenthal. Jetzt heißt es: loslassen. Leicht fällt es Simone Jurijiw auch nach vielen Jahren im Tierheim noch nicht. „Aber man muss versuchen, die Gefühle wegzudrücken“, sagt die Vorsitzende des Frankenthaler Tierschutzvereins. Nach fast drei Monaten in ihrer Obhut und der ihrer Kollegen sind in dieser Woche die ersten Pfälzer Weinberg-Welpen an ihre neuen Besitzer übergeben worden. Den Anfang machte Kerner - Merlot, Rivana und Silvana sollten über das Wochenende folgen.
Hochträchtig im Weinberg ausgesetzt
Gut elf Wochen sind die Jungtiere der Kangal-Hündin Mira jetzt alt, deren Schicksal in den vergangenen Monaten Menschen in der gesamten Region berührt hatte. Nachdem das Muttertier hochträchtig in einem Weinberg ausgesetzt und völlig entkräftet von einem Winzer gefunden worden war, ist die Vermittlung der Tiere in neue Familien für Jurijiw jetzt gewissermaßen ein „Happy End“.
Für alle zehn Welpen, die in der Folge nach Weinsorten benannt wurden, sowie für Hundemama Mira wurden neue Eigentümer gefunden. „Entgegen meinen anfänglichen Befürchtungen haben sich wirklich sehr viele gut geeignete Halter bei uns gemeldet“, berichtet Jurijiw. Als sie sich am 8. August bereiterklärte, die Tiere aufzunehmen, sei sie davon ausgegangen, die Kangal-Mischlinge niemals alle vermitteln zu können. „Auch dank der großen Presseöffentlichkeit ist es aber gelungen“, so die Tierheim-Chefin.
Kangal-Hunde erfordern jede Menge Erfahrung bei den Haltern
Das ist umso bemerkenswerter, da die Haltung von Kangal-Hunden durchaus anspruchsvoll sein kann. Der anatolische Hirtenhund hat laut dem Online-Magazin „edogs“ einen selbstständig denkenden Kopf. „Jahrhundertelang trug er die Verantwortung für seine Herden. Damit verbunden traf das Tier regelmäßig eigene Entscheidungen“, heißt es dort in einer Charakterisierung. Demnach strahlen Kangals Dominanz aus, sind durchsetzungsstark und wachsam. Dazu haben sie einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, der sich auch auf die Besitzer bezieht.
Nicht für die Haltung in der Wohnung geeignet
Aufgrund seiner Herkunft aus den fast menschenleeren Bergen Anatoliens eignet sich der Kangal nicht als Hund für die Wohnung, sondern er braucht Auslauf und ein großes Revier. „Wer sich für den Kangal interessiert, sollte ein Experte in Bezug auf Hundeerziehung sein. Darüber hinaus sollte der Tierhalter viel Erfahrung im Umgang mit Herdenschutzhunden beziehungsweise Wachhunden haben“, schreibt das Magazin „edogs“.
All das hätten die neuen Eigentümer der Weinberg-Welpen erfüllt, freut sich Jurijiw. Die Halter kommen nicht nur aus der Region, sondern auch aus Baden-Baden, Stuttgart oder Nordrhein-Westfalen, berichtet sie. In zwei Fällen übernehmen die neuen Herrchen und Frauchen sogar jeweils direkt zwei Welpen. „Eigentlich wollte ich das nicht, denn das ist schon harter Tobak“, sagt Jurijiw über die Erziehung von zwei Kangal-Welpen gleichzeitig. „Aber nach den Gesprächen und Treffen war ich überzeugt.“
Bis Mitte November werden die Hunde nun nach und nach das Frankenthaler Tierheim verlassen, Mira ganz zum Schluss. Für das Muttertier sei die Trennung von ihren Jungtieren natürlich aufwühlend. „Als Kerner abgeholt wurde, hat sie ihn natürlich gesucht und war ganz nervös“, sagt Jurijiw. „Wenn sie so traurig dreinschaut, könnte man glatt mitheulen. Aber zum Glück vergessen Hunde recht schnell.“ Und eine gemeinsame dauerhafte Bleibe für alle elf Hunde zu finden, sei ganz ausgeschlossen gewesen.
Die neuen Halter der Weinberg-Welpen sind per Whatsapp vernetzt
Immerhin sind die neuen Halter aber alle in einer Whatsapp-Gruppe miteinander vernetzt. „Darin haben wir sie zuletzt schon immer mit neuen Bildern und Videos ihrer künftigen Schützlinge versorgt“, sagt die Vereinsvorsitzende. Es sei auch schon ein erstes Treffen vereinbart. Auch Jurijiw und ihr Team wollen sich immer wieder davon überzeugen, dass es den Tieren gut geht.
Andere Tier-Schicksale geraten in den Hintergrund durch die Aufmerksamkeit
Die enorme Aufmerksamkeit, die Mira und ihre Welpen in den vergangenen Monaten erhalten haben, sei schon etwas ganz Besonderes, berichtet Jurijiw. „Zwischendurch konnten wir nicht mehr, vor lauter Anfragen“, sagt sie. In den sozialen Medien erreichten die Beiträge Tausende Menschen, zahlreiche Medien berichteten. „Das ist schon bemerkenswert, denn die restlichen Fälle, mit denen wir tagtäglich zu tun haben, fallen was das Interesse angeht einfach hinten runter“, bedauert sie.
Große Anteilnahme bei vergleichbarem Fall vor Jahren
Eine vergleichbare Anteilnahme habe es aber schon einmal gegeben. Etwa als vor einigen Jahren ein Dobermann von einer der Rheinbrücken geworfen und anschließend gerettet wurde. „Damals waren die sozialen Medien aber noch nicht so groß.“
Ab Mitte November dürfte es für Jurijiw und ihr Team bedeutend ruhiger werden - zumindest, was das öffentliche Interesse angeht. Dann haben Mira und ihre Welpen alle ein neues Zuhause. Und nicht nur die Leiterin des Tierheims wird hoffen, dass es ihnen dort besser ergeht als der Kangal-Hündin bei ihrem letzten Halter. Wer das trächtige Tier im August in dem Pfälzer Weinberg ausgesetzt hat, ist indes bis heute nicht geklärt.
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