Justiz

Haftstrafen nach Trickbetrug in Mannheim und Walldorf

Sie sollen ältere Menschen belogen und getäuscht, sie um fast 350 000 Euro geprellt haben. Nun sind zwei Männer vor dem Landgericht in Mannheim verurteilt worden

Von 
Agnes Polewka
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Die Angeklagten haben Senioren nach Schockanrufen um ihr Erspartes gebracht. Nun sind sie vor dem Mannheimer Landgericht verurteilt worden. © DPA/Sebastian Gollnow

Wenn ältere Menschen Opfer von Trickbetrügern werden, dann verlieren sie oft sehr viel Geld, manchmal ihr gesamtes Erspartes. Und noch viel mehr: ihr Vertrauen in die Welt. Nach den Verbrechen quälen sie oft Angst, Verzweiflung und Scham.

Wie schwer es Betroffenen fällt, einen Trickbetrug zu verarbeiten, zeigte ein Prozess vor dem Mannheimer Landgericht, der am Mittwoch zu Ende gegangen ist. Zwei Männer und eine Frau waren angeklagt, drei ältere Menschen um fast 350 000 Euro geprellt zu haben. Die Kammer um Richterin Bettina Krenz verurteilte den Hauptangeklagten Baris K. (35) zu sieben Jahren und zwei Monaten Haft, seine Komplizen zu zweieinhalb Jahren Haft und einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Call-Center in Izmir

Was war passiert? In ihrem Plädoyer rekonstruierte Staatsanwältin Daniela Wenke das Tatgeschehen. Sie beschrieb, wie Baris K. im Urlaub im türkischen Izmir 2021 mit einem Mann in Kontakt kam, der sich als Hintermann einer Gruppe entpuppen sollte, die von der Türkei aus systematisch ältere Menschen in Deutschland anrief, Ihnen Lügen auftischte und Bedrohungsszenarien glaubhaft machte. Den Rentnerinnen und Rentnern sollen sie Märchen von Betrügerbanden in der Nachbarschaft erzählt haben. Und Geschichten über Bankberater auf Abwegen. Immer mit dem Ziel, die Seniorinnen und Senioren dazu zu bewegen, ihr Geld „in Sicherheit“ zu bringen, so Wenke - es an Mitglieder ihrer Gruppe zu übergeben.

Der Hintermann heuerte Baris K. an, in Deutschland als „Abholer“ zu arbeiten, mal als falscher Polizist, mal als Staatsanwalt. Zehn Prozent von der Gesamtsumme versprach ihm der Drahtzieher, berichtete K. gleich zu Beginn des Prozesses. Er räumte den Großteil der Taten ein - und kooperierte. Er nannte den Namen des Hintermannes. Laut Staatsanwaltschaft laufen Ermittlungen gegen den Drahtzieher. Und Baris K. nannte die Namen seiner Komplizen in Mannheim, berichtete, wie er - der Betreiber einer Shisha-Bar in den Quadraten - seine „rechte Hand“ Timo S. und die Aushilfe Corinna K. mit ins Boot holte.

Gleich beim ersten Auftrag schickte K. seine beiden Mitarbeiter los. Weil er den Auftrag selbst nicht habe ausführen können, in der Bar bleiben musste, sagte er vor Gericht. Der 26-jährige Barkeeper Timo S. fuhr laut Staatsanwaltschaft darauf mit der Bedienung aus der Shisha-Bar nach Bremen. Die 24-Jährige bekam 500 Euro für ihre Fahrdienste und wusste nichts über den eigentlichen Zweck der Fahrt, sagte die Wieslocherin vor Gericht. Erst später, in Bremen, sei ihr gedämmert, in was sie hineingeschlittert sei. Und habe die falsche Entscheidung getroffen. Sie habe sich dazu entschieden mitzumachen, anstatt auszusteigen, resümierte ihre Verteidigerin in ihrem Schlusswort.

Staatsanwaltschaft und Kammer glaubten Corinna K. und verurteilten die Frau zu sechs Monaten Haft auf Bewährung - wegen „Begünstigung“. Der Straftatbestand bezeichnet die Unterstützung eines Täters bei einer Tat, um daraus Vorteile für sich selbst zu ziehen.

„Sie leidet bis heute“

Auch Barkeeper S. beteuerte vor Gericht, nicht Teil der Bande gewesen zu sein, eigentlich gar nicht gewusst zu haben, um was es bei den Abholdiensten ging. Er bestritt, die Hälfte der zehnprozentigen Provision kassiert zu haben und weitere 2000 Euro für seine Fahrt nach Bremen.

Er schüttelte den Kopf, riss die Augen auf, demonstrierte Ungläubigkeit, während Richterin Krenz ihm am Mittwoch wegen Betrugs und anderer Delikte zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte, überzeugt von seiner „Mittäterschaft“. Weil er in Bremen Goldbarren im Wert von rund 160 000 Euro und 10 000 Euro abholte, einen Teil davon an einen Mittelsmann in der Hansestadt übergab. Den Rest des Geldes brachte er mit seinem Chef und Freund Baris K. zu einem Mannheimer Juwelier, einem weiteren Mittelsmann. Dies haben beide Männer eingeräumt. Und daran hatte die Kammer keinen Zweifel. Auch nicht daran, dass Timo S. Baris K. zu einer Mannheimerin begleitete, um die Frau zu täuschen, und dabei war, als Baris K. der Frau gewaltsam ihre Tasche entriss. Ihr 80 000 Euro stahl. „Sie leidet bis heute an den Folgeschäden der Tat“, sagte die Richterin. Wie die anderen Betroffenen, die bestohlen wurden - eine Frau aus Walldorf, die 98 000 Euro verloren hat und zwei Senioren, die misstrauisch wurden oder Glück hatten.

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Richterin Krenz spricht von gebrochenen Lebensläufen, die allen Angeklagten gemein seien. Sie spricht über K.s Drogenkonsum und ordnet einen Entzug an, Baris K. habe seine Therapiebereitschaft signalisiert. Und sie konstatiert K. und S. eine ausgeprägte kriminelle Energie, angesichts der hohen Schadenssummen und der Folgen für die Opfer, die die Richterin in ihrer Urteilsbegründung nur streift.

Durch K.s Geständnis blieben ihren Aussagen vor Gericht erspart. Darüber, was sie quält und ihnen genommen wurde. Vielleicht unwiederbringlich. Die Richterin ordnet an, dass von K. rund 230 000 Euro einzuziehen sind. Und 167 000 Euro von Timo S. - das Geld, das sie in ihren Händen hielten. Und das sie ihren Opfern genommen haben.

Redaktion

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